10.285 km
Am Morgen fahre ich mit der Vorstellung los, die hohen Küstenberge liegen hinter mir. Von der Höhe stimmt es, bin nicht mehr über 400 Meter hinausgekommen. Bergig bleibt es. Ein Flüsschen oder Fluss zwingt mich immer wieder hinunter auf Meeresniveau. Das Anstrengende sind nicht die 800 Höhenmeter, die an diesem Tag zu bewältigen sind. Es weht ein sehr kräftiger Wind aus Richtung Norden. Bei geradlinigem Fahren würde er mich von der Seite treffen. Ich fahre aber viele Kurven durch die Berge. Die Böen sind so stark, dass ich bei der Abfahrt langsam fahren muss, um nicht unerwartet gegen die Leitplanke, in den Abgrund oder auf die Straße gedrückt zu werden. Manchmal halte ich an, um eine Böe passieren zu lassen. Bei Gegenwind komme ich so gerade den Berg hoch. In diesem Küstenabschnitt ist die Straße wegen der steilen Hänge nur zweispurig. Merkwürdigerweise ist der Verkehr stärker geworden.
An der Verbreiterung auf die sonst üblichen vier Spuren wird gearbeitet, in einfachen Abschnitten ist die neue Straße fertiggestellt, die schwierigen sind in Arbeit. Berge werden untertunnelt oder tiefe Kerben in die Felshänge gesprengt.
Der Blick aufs Meer ist schön, die Berghänge sind steil und nur mit Buschwerk bewachsen. Ich fahre nicht ganz ausgeglichen, eher ein wenig verkrampft.
Nach 60 Kilometer bin ich froh im Ort Aydencik eine Unterkunft zu finden. Dank „booking.com“ wusste ich von dem Hotel, buche aber nie vor. Die Unterkünfte sind gut und günstig. Sie kosten meist mit Frühstück zwischen 12 und 16 Euro – soviel wie in Österreich der Campingplatz. Mein vegetarisches Abendessen ist spartanisch, Reis mit Bohnen, eine größere Auswahl bietet der Ort nicht.
Nachts heult der Wind vor meinem Fenster, ebenso am Morgen. Der Himmel ist dabei wolkenlos blau. Überlege einen Tag Pause zu machen, denn es ist nicht ganz ungefährlich wegen des Sturmes. Fahre aber nach zwei Stunden los, da der Wind (vorübergehend) etwas nachgelassen hat – leider nur vorübergehend. Er bläst eher stärker als am Tag zuvor. Kämpfe mich die Berge hoch. Die erste Hügelkette passiere ich. Durchfahre ein schmales Tal und bin auf der gegenüberliegenden Seite fast wieder oben – hart gegen den Wind. Da hält ein Auto neben mir und ich lasse mich die nächsten 25 Kilometer mitnehmen – zwei Mal in die Höhe und hinunter. Die verbleibenden 20 Kilometer fahre ich fast ausgeruht. Die letzte Hügelkette ist bereits untertunnelt. Ich erreiche den Ort Tasucu am frühen Nachmittag. Direkt am Meer finde ich ein schönes Hotel mit Hafenblick. Die Palmenwedel vor meinem Fenster peitscht der Sturm. Am nächsten Morgen hat es sich ausgeweht.
Ich mache einen Tagesausflug in das sumpfige Göksu-Delta, ein Naturschutzgebiet und Tummelplatz für diverse Vögel. Aber wohl nicht zu dieser Zeit. Von einem Aussichtsturm aus habe ich eine weite Sicht über Schilf-, Wasserflächen und Meer, zu beobachten gibt es nichts. Ist aber ein schöner Ausflug durch die flache Deltalandschaft gewesen.
In einem See nahe zum Meer hin sehe ich viele Rohre im Wasser liegen. Hat lange gebraucht bis ich es verstanden habe. Das 80 Kilometer entfernte Zypern soll durch eine Rohrleitung mit Süßwasser vom Festland versorgt werden.
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