Neun Kilometer von Fethiye entfernt liegt die ehemals griechische Stadt Karymlasso – eine Geisterstadt mit hunderten verlassenen Steinhäusern. 1923, nach dem türkisch-griechischen Krieg, mussten im Rahmen des Bevölkerungsaustausches alle osmanischen Christen das Land verlassen. Im Gegenzug kamen griechische Muslime. Davon gab es deutlich weniger. Zurück blieben leere Städte wie diese hier. Der Ort steht unter „Denkmalschutz“. Er ist ein Mahnmal für den Frieden und die Partnerschaft zwischen der Türkei und Griechenland.
Mit einem Dolmus fahre ich am Vormittag dort hin. Die steilen Berge rundherum verleiten nicht zum Fahrradfahren.
Vor mir am Hang liegt eine Ruinenstadt. Die Dächer sind eingestürzt, zerfallende Mauern ragen nach oben. Das starke Erdbeben von 1958 hatte den Zerstörungsprozess noch beschleunigt.
Auf einem Trampelpfad wandere ich am Hang entlang. Es ist ein bedrückendes Gefühl sich vorzustellen wie viele Menschen hier fast alles verloren haben.
Wie mag es vor 90 Jahren ausgesehen haben? Die Häuser standen dicht an dicht, oft mit einer Umrandungsmauer eines kleinen Innenhofes. In den Hausruinen ist manchmal der Schornstein mit Feuerstätte teilweise erhalten. Das war wohl die Küche. Die blaue typisch griechische Farbe an den Fensterumrandungen kann ich ausmachen. Zwei orthodoxe Kirchen sind als solche zu erkennen. Reste der christlichen Wandmalereien lassen sich erahnen. Feuchtigkeit und Flechten zusammen mit den verwitterten Malereien haben im Innenraum neue Farbvarianten geschaffen.
Unterhalb des Hanges in einer Ebene liegt ein weitläufiger türkischer Ort mit vielen grünen Feldern. Da in der Saison viele Touristen den Ort besuchen gibt es Einkehrmöglichkeiten. Ich esse einen Gözleme (türkischen Pfannkuchen) mit Kartoffelfüllung. Schmeckt ausgezeichnet.
Halte den stündlich fahrenden Dolmus an, der mich über die Berge zurück in die Stadt bringt.
Das Erdbeben von 1958 hatte auch die Stadt Fethiye schwer geschädigt. Sie ist danach neu aufgebaut worden und ist heute ein geschäftiger touristischer Küstenort. Der natürliche Hafen liegt am Rande einer breiten Bucht mit vielen kleinen Inselchen. Von hier aus unternehmen die Urlauber in der Saison ihre Segeltörns. Entsprechend viele und große Segelschiffe liegen am Pier. Zur Zeit herrscht noch Kundenflaute.
Beim Gang durch die Stadt höre ich Blasmusik und Trommelwirbel. Vor dem Büro der Demokratischen Partei stehen viele Menschen. Schilder mit Blumen und Sprüchen weisen auf einen Auftritt hin. Verteilt werden Getränke und Süßigkeiten.
Nebenan im Restaurant esse ich meine mittägliche Linsensuppe.
Immer wieder bin ich von der Freundlichkeit der Menschen berührt. Wenn ich mal stehen bleibe werde ich zum Tee eingeladen. Beim zweiten Besuch in einem Restaurant werde ich mit Handschlag empfangen. Gut, das mag auch geschäftliche Gründe haben.
Viele hatten in Deutschland gearbeitet. Nicht nur in den Touristenorten, auch auf dem Land wird oft Deutsch gesprochen.
Überall in der Stadt stoße ich auf merkwürdige lykische Steinsarkophage, die aus der Zeit 450 v. Chr. stammen. In den Felswänden nahe des Zentrums befinden sich viele Felsengräber. Das Schönste ist das Grab des Amyntas aus dem Jahre 350 v. Chr. Die Fassade eines Tempels wurde in die Felswand geschlagen. Dahinter verbirgt sich nur eine kleine Kammer. Die Felskammern und Sarkophage sind alle im Laufe der Jahrhunderte aufgebrochen worden. Lange suchen mussten die Grabräuber nicht. Die Gräber sind nicht zu übersehen.
Schon merkwürdig, dass ausgerechnet Gräber Jahrtausende überstanden haben.
Meine Weiterfahrt ist am Freitag geplant. Am Morgen regnet es sich ein. Die Tage danach bringen wieder Sonnenschein (laut Vorhersage). Was mache ich wohl?
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