143. Reisetag
6327 km
Der Morgenhimmel ist trübe. Nehme von Helmut Abschied. Unsere gemeinsame Tour war sehr schön. Ich weiß gar nicht, ob ich ohne ihn so tief in Siebenbürgen eingedrungen wäre.
Mein Weg führt mich weiter Richtung Süden. Als Barriere liegen die Karpaten vor mir. Es gibt eine stark befahrene Europastraße, die entlang des Olt-Flusses mit nur 500 m Höhe die Gebirgskette passiert. Diese Straße möchte ich meiden. Ich wähle die Herausforderung, die Transfogarascher Hochstraße. Sie überquert das Făgăraș-Gebirge der Karpaten und ist nur in den Monate Juli bis Oktober befahrbar.
Die hochalpine Straße wurde im Auftrag von Ceaușescu gebaut und hatte neben einem touristischen auch einen militärischen Zweck.
Sie windet sich in zahlreichen Serpentinen auf eine Höhe von 2042 m und unterquert den Gebirgskamm der Karpaten in einem 887 Meter langen Tunnel. Es ist die zweithöchste Straße Rumäniens und hat eine Länge von 91 km.
Am ersten Tag fahre ich zum Ausgangspunkt der Hochstraße. Entlang an Flüssen und durch weite landwirtschaftlich genutzte Täler. Viele Pferdefuhrwerke sind unterwegs. Auf einem Kartoffelacker hält der Bauer den Pflug, seine Frau führt das Pferd. So müssen die Kartoffeln nicht mühsam mit der Hacke aus der Erde geholt werden. Auf einem anderen Feld hackt ein Mann die geernteten Maisstauden heraus. Ein Hirte bewacht die Rinderherde auf der anderen Flussseite. Ich unterhalte mich auf Englisch mit der Frau eines Schäfers. Sie steht mit ihrem Kind (und Auto) am Straßenrand. Ihr Mann führt gerade seine Schafsherde vorbei.
Sie hat Englisch, Spanisch und Französisch studiert, macht gerade drei Jahre Babypause. Vorher und danach wird sie wieder in Sibiu arbeiten. Sie findet es gut, dass sie in einem anderen Bereich als die Schafszucht arbeitet. Ihr Mann kommt aus einer Schafszüchterfamilie. Er und seine zwei Brüder haben an die 600 Schafe in verschiedenen Herden. Erfahre einiges über die Schafszucht. Lämmer sind im Frühjahr teurer, da die Schafe den Winter über gefüttert werden müssen. Wenn Schafsherden über die Wiesen und Felder ziehen müssen die Schäfer an die Grundeigner zahlen. Jedes Jahr gibt es Verluste durch Bären und Wölfe.
Nach nur 50 km erreiche ich mein Ziel und übernachte in einem Motel. Oberflächlich betrachtet ist das Haus in einem passablen Zustand. Aber: bei mir im Zimmer tropft Wasser aus der Heizung auf den Holzboden, Türgriffe halten so gerade noch, die Dusche im Bad hat keinen Vorhang usw. Leider ist es typisch für viele rumänische Unterkünfte. Würde alles in Ordnung gehalten, wären die Folgekosten gering und der Wert bliebe erhalten.
Beim Abendspaziergang sehe ich den Gebirgszug der Karpaten bei blauem Himmel. Auf den Gipfeln liegt Schnee. Am nächsten Tag fahre ich auf die Transfogarascher Hochstraße. Mein GPS-Gerät zeigt mir eine Starthöhe von 400 m an.
Am Abend war noch das schönste Wetter, am Morgen ziehen dunkle Wolken auf und es beginnt zu regnen. Hülle mich regendicht ein. Anfangs werden auf den Feldern an der Straße noch Kartoffeln herausgeholt, es wird gepflügt, Pferdewagen und Traktoren sind unterwegs. Bald schon windet sich die Straße den bewaldeten Berghang hoch. Der Regen hört zum Glück auf. Die Temperaturen zwischen 12 und 17 Grad sind sehr angenehm, die Steigung mit 4 bis 8 Prozent ist nicht zu anstrengend. Am Straßenrand steht ein Auto. Ich grüße und fahre weiter. Der Fahrer läuft hinter mir her und überreicht mir eine Tafel Schokolade als Energiespender. Freue mich über solche Erlebnisse.
An einem Steilhang habe ich eine großartige Sicht auf die Gipfel der Berge. Eine schöne Belohnung für die Anstrengung. Sehe aber auch, was mir noch bevorsteht.
Der Verkehr ist sehr gering. Treffe nur auf eine Motorradgruppe. Es sind Dänen, die sich in Bukarest ein Motorrad geliehen haben. Zwei rumänische Mountain-Biker (ohne Gepäck) überholen mich.
Damit die Bergetappe nicht zu anstrengend wird, lege ich bereits nach 25 km und 800 Höhenmeter eine Übernachtungspause ein. Das Hotel Balea Cascada liegt in der Nähe eines Wasserfalls. Von hier aus kann der höchste Punkt der Passstraße mit einer Seilbahn erfahren werden. Dort liegt der Balea See in 2040 m Höhe.
Am Nachmittag mache ich einen längeren Spaziergang und versuche den Wasserfall zu erreichen. Die Berge sind steil, ich finde nur einen Wanderweg. Dieser führt in einiger Entfernung am Wasserfall vorbei und geht weiter den Berg hoch. Eine Klettergruppe seilt sich neben dem Wasserfall ab. Da ich den Berg ich nicht ersteigen möchte drehe ich um.
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