Hosman/Holzmengen.

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Sep 172013
 

DSC03047134. Reisetag

 

In Hosman bleiben wir einen weiteren Tag. Morgens weckt uns der Hahn im Hof. Neben seiner Gefolgschaft aus Hühnern gibt es Enten, fünf Hunde in allen Altersstufen und eine Katze. Sie leben friedlich zusammen.

Beim Dorfrundgang passieren wir zufällig das Gebäude eines Zentrums, dessen Renovierung teilweise aus EU-Mitteln finanziert wurde. Überraschend treffen wir hier auf unsere rumänischen Pensionswirte. Lisa leitet eine Bäckerei, Domi ist für die Mühle zuständig. Es ist teilweise ein Gemeinschaftsprojekt, getragen von einem Verein. Eine weltwärts-Teilnehmerin – sie leistet hier ein soziales Jahr ab – erklärt uns die verschiedenen Bereiche. Im Vorderhaus steht der mit Holz beheizte Backofen. Das Getreide liefert ein Biobauer. Das Brot wird im Ort und auf dem Markt im 25 km entfernten Sibiu verkauft. An einem Tag in der Woche können Bauern in der Mühle ihr Getreide und Mais mahlen lassen. Es gibt eine Schmiede und ein kleines Holzsägewerk, in beiden wird zur Zeit nicht gearbeitet. Hinten im Garten feiert eine Gruppe Kindergeburtstag. Eine Schweizer Familie verbringt den Sommer hier. Ein gebürtiger Mecklenburger, der seit 11 Jahren hier lebt und arbeitet, erklärt uns kurz den Weg für eine kleine Tageswanderung. Er ist in Eile, da er die Einladungen für das Mühlenfest vorbereiten will, das für die nächste Woche geplant ist. Eine Rumänin, die fünf Jahre in Berlin und Hamburg gelebt hat wohnt ebenfalls hier.

So ganz blicken wir nicht durch, was in dieser Gemeinschaft alles so gemacht wird und wer wovon lebt.

Unser Spaziergang führt uns über eine Hügelkette. Vereinzelt Bäume und viel Graslandschaft, ab und zu Zäune für das Nachtlager der Schafe und Schutzhütten für den Schäfer. Drumherum immer viele Hunde, die uns beim Näherkommen anbellen. Mein dog-dazer hält sie im sicheren Abstand.
Vom Schwiegersohn unserer Pensionsleute, einem Schäfer, erfahren wir, dass er jedes Jahr durch Wölfe und Bären einige Tiere verliert. Ich bekomme eine Erklärung, weshalb die Hirtenhunde einen Stock um den Hals tragen (siehe Bild vom 4. Sept.). Es ist eine Schnelllaufbremse. Sie verhindert dass der Hund z.B. schnell eine Wildziege verfolgen kann (und sich so seiner Hütepflicht entzieht). Ein ausgewachsenes Schaf kostet 100 Euro.

In der Ferne sehen wir das Fagarascher Gebirge, einen Gebirgskamm der Karpaten.

Wieder unten im Ort versuchen wir vergeblich den Schlüssel für die Kirchenburg zu erhalten. Immer wieder taucht das Schlüsselproblem auf. Die Kirchenburgen, ob renoviert oder nicht, sind bis auf wenige Ausnahmen für Besucher verschlossen.

Im Ort werden einige Gebäude von einer österreichischen Stiftung unterhalten. Arme Kinder und Jugendliche können hier den Tag verbringen. Die Stiftung hat auch eine neue Musikschule gebaut. Sie ist seit dem Frühjahr fertig, hat aber kaum Schüler. Laut unseren Pensionsleuten ist es eine teure Fehlinvestition.

Wir treffen beim weiteren Dorfdurchgang einen ehemaligen deutschstämmigen Dorfbewohner, der den Sommer hier verbringt, im Winter wieder in Deutschland lebt. Er schimpft über die Zustände im Ort. Der Kirchenverwalter klaue, die Zigeuner arbeiten nicht und betteln, das Projekt Mühlenzentrum sei ihm suspekt.

Zwischen Feldern, Pferdewagen und Kirchenburgen.

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Sep 162013
 

DSC02990133. Reisetag

6215 km

 

Es ist kalt geworden. Trage meine Beinlinge zum ersten Mal nach dem Sommer. Rolf hat uns heute Richtung Bukarest verlassen. Mit dem Zug war er uns nach Medias und Sighisoara gefolgt. Bei wolkigem Himmel fahren wir los. Die Landschaft ist hügelig. Maisfelder und Wiesen begleiten uns. Nur einmal eine Ausnahme: drei Hirsefelder. Am Straßenrand stehen viele Walnussbäume. Leute vom Dorf holen die Nüsse mit Stöcken herunterholen und sammeln sie ein. Bemerke, das sich die Blätter bereits herbstlich einfärben.

In den kleinen Ortschaften gibt es wieder die Kirchenburgen. Manche im bröckelnden Zustand, andere renoviert. Sie sind verschlossen, eine Besichtigung nicht möglich.
Was soll mit diesen alten, nicht mehr genutzten Bauten geschehen. Die Rumänien haben ihre orthodoxen Kirchen, die Siebenbürger Sachsen sind verschwunden. Renovierung und Erhaltung ist aufwendig und teuer. Es wurde und wird viel gemacht. Aber für wen? Touristen sind auf dem Land nicht so oft anzutreffen. Wenn welche – wie wir – vorbeikommen, ist alles verschlossen.

An diesem Tag sind viele Pferdefuhrwerke unterwegs. Für ein Foto halten sie für mich auch schon einmal an. Einfach so, wenn ich die Kamera heraushole. Freue mich darüber. Wir wechseln ein paar Worte. Sie verstehen, dass wir aus Deutschland kommen.

Muss demnächst mal Zigaretten kaufen. Häufig wird per Handbewegung danach gefragt, habe natürlich keine dabei.

Einen kleinen Abstecher machen wir zu einer katholischen Kirche in einem kleinen abseits gelegenen Straßendorf. Unser Übernachtungsort ist nicht mehr weit und es ist erst nachmittags. Diese alte jetzt katholische Kirchenburg wird gerade renoviert. Ein Mann mit dem Kirchenschlüssel bemerkt uns und schließt auf. Ich besteige den Turm, was angesichts der steilen Treppe nicht ganz einfach ist. Oben hängen zwei große Glocken. Ich passe auf, der Boden ist voller Löcher. Von der Brüstung aus habe ich eine weite Sicht über Dorf und Landschaft.

Zum Besuch der vielen Kirchen möchte ich sagen, dass wir nicht auf einer religiös motivierten Pilgerreise sind. Es ist ein Interesse jenseits der Amtskirchen. Wir tauchen in eine interessante Vergangenheit ein und lernen viel von Alltag der Menschen damals und heute. Wir treffen Menschen, die deutsch sprechen und uns viel von sich erzählen.
Durch die Kirchenburgen besuchen wir kleine Ortschaften, können dort oft sogar übernachten. Ohne diese wären wir vorbeigefahren. Wir lernen das Leben hier ein wenig kennen.

Im Ort Agnita finden wir eine Übernachtungsmöglichkeit. Unser Abendessen können wir sogar aus einer dreisprachigen (rumänisch/englisch/deutsch) Speisekarte auswählen.
Das kleine Hotel ist neu, davor steht ein Porsche Cayenne. Kann mir nicht vorstellen dass so ein Auto und Haus durch die Einnahmen erwirtschaftet werden. Gibt wohl noch andere Wege der Geldbeschaffung.

Am nächsten Morgen ist es bewölkt und kühl, doch bald kommt die Sonne durch. Meine Beinlinge bleiben wieder in der Fahrradtasche.

Unsere Überlandfahrt geht weiter Richtung Sibiu. Wir sehen in der Ferne erstmals den schneebedeckten Gebirgskamm der Karpaten. Ich versuche nicht daran zu denken, dass ich diesen in der nächsten Zeit überqueren werde.
Wir fahren weiter durch das weite Harbach-Tal. Früher fuhr hier die Wusch, eine Schmalspurbahn. Doch von ihr geblieben sind nur überwachsene Gleise.
Es ist eine schöne Landschaft. Das Fahren bringt Spaß. Eine Fahrradgruppe von Wickinger-Reisen kommt uns entgegen. Im Ort Altina wird am Bürgermeisteramt ein LKW mit Mehl abgeladen. Es ist eine Hilfslieferung der EU und soll an die armen von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen verteilt werden.

In der kleinen Ortschaft Hosman/Holzmengen finden wir eine private Unterkunft mit Vollpension. Ein Restaurant gibt es nicht im Ort.

Sighisoara/Schäßburg.

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Sep 142013
 

DSC02708131. Reisetag

 

Schäßburg wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von den Siebenbürger Sachsen gegründet. Bis 1930 bildeten sie die größte Bevölkerungsgruppe. Nach dem Umsturz 1989 ließ die große Auswanderungswelle ihren Anteil unter zwei Prozent fallen.
Dennoch gibt es deutsche Kindergärten, die außer von deutschen auch von rumänischen und ungarischen Kindern besucht werden. Über weiterführende Schulen kann sogar ein anerkanntes deutschsprachiges Abitur abgelegt werden.

Das „Historische Zentrum“, die sogenannte Burg, ist als Unesco Weltkulturerbe anerkannt. Entsprechend viele Touristen in Gruppen und Einzelgänger treffen wir an.

Wir beginnen unseren Stadtrundgang mit den Aufstieg durch einem überdachten Treppengang auf dem Schulberg und Besichtigung der Bergkirche. Dahinter liegt der große deutsche Friedhof mit zahlreichen alten, aber auch neueren Gräbern der Siebenbürger Sachsen. Dort unterhalte ich mich mit einem älteren Paar, dass das Grab ihrer Eltern pflegt. Sie wohnen noch in der Stadt. Ein Sohn verließ das Land, der andere ist geblieben. Damals – nach dem Umsturz – waren sie verunsichert, als Nachbarn und Freunde in Scharen das Land verließen. Sie bereuen es nicht geblieben zu sein. Ihre Heimat ist in dieser Stadt.

Wieder unten im Zentrum steigen wir auf den Stundturm, das Wahrzeichen der Stadt. Er wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Teil der Verteidigungsanlage errichtet. Heute ist in ihm ein Museum eingerichtet. Eine Besonderheit ist das im vierten Stockwerk eingebaute Uhrwerk, welches mechanisch mit einem Figurenspiel verkoppelt ist. Im obersten Stockwerk ist der Turm von einer offenen Holzgalerie umgeben. Von dort haben wir einen Überblick auf die Dächer der Stadt.

Die Oberstadt ist von einer fast kompletten Ringmauer mit Wehrtürmen umschlossen. Die Türme waren zur Verteidigung jeweils einer Zunft (Schmiede, Schneider usw.) zugeordnet. Der Innenbereich ist das touristische Zentrum mit seinen engen gepflasterten Gassen mit vielen Hotels und Pensionen.

Die literarische Gestalt Dracula wird mit Schäßburg in Verbindung gebracht, Vlad Țepeș (Vlad III. Drăculea, der Pfähler), wurde möglicherweise dort geboren. Zwischen 1431 und 1436 soll er in der Stadt gewohnt haben. Für ein Euro ist sein Geburtszimmer zu besichtigen.

Die eher museale Oberstadt mit zwei großen evangelischen und einer katholische Kirche zeigt in keiner Weise den rumänischen Alltag. Sie ist das Revier der Touristen. Geschäfte, Wohnviertel und das Stadtleben befinden sich in der Unterstadt. Dort steht auch eine große rumänisch-orthodoxe Kirche, der ca. 75% der in der Stadt lebenden Menschen angehören.

Siebenbürgen – Land der Kirchenburgen.

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Sep 122013
 
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Kirchenburg in Birthälm

129. Reisetag

6122 km

 

Von Medias aus unternehmen wir einen Tagesausflug zur Kirchenburg in Meschen. Wir haben das Glück im Garten neben der Kirche die Frau mit dem Kirchenschlüssel zu treffen. Sie gibt uns ausführliche Erklärungen zur Geschichte der Kirche in Deutsch. In diesem Ort wohnten einst bis zu 2000 Siebenbürger Sachsen, übrig geblieben sind neun.

Der Aufbau der Kirchenburgen scheint ähnlich zu sein. Eine äußere kleine Mauer bietet Raum für das Vieh, die innere hohe Mauer mit Wehrtürmen schützt die Menschen, Kirche und Vorräte in Fall eines Angriffes. Auch hier wurden Mauern abgetragen um Baumaterial für die deutsche, heute rumänische Schule zu erhalten.
Im Speckturm wurde der Speck sicher vor Überfällen aufbewahrt. Heutzutage werden in diesem Verköstigungen mit Speck, Wein und Schnaps für angemeldete Besuchergruppen durchgeführt. Die damalige Verwaltung hatte im inneren Bereich der Mauer eigene Räume. Heute sind hier wie auf dem Wehrgang alte Gebrauchsgegenstände ausgestellt.
Wir können auf den Kirchturm steigen und stehen vor den großen Glocken. Durch die Lucken haben wir einen weiten Überblick aufs Dorf und Land.

So eine Besichtigung ist ein Eintauchen in die Geschichte. Ich stelle mir die Frage, wie im 13. Jahrhundert die Besiedlung erfolgte. Ca. 1500 km auf Pfaden und Wegen zurückzulegen und dann in einem Wald anzukommen um sich niederzulassen ist eine gigantische Aufgabe.

Wikipedia erläutert verschiedene Vermutungen der Einwanderung.

In Deutschland war es die Zeit des Heiligen Römischen Reiches und der Kreuzzüge.

Eher als Legende wird angenommen, dass die Siedler wegen Hungersnöte und Seuchen (beides gab es damals) sich aus eigenem Antrieb auf den Weg gemacht haben.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Siedler angeworben wurden und in mehreren Schüben nach Siebenbürgen ausgewandert sind.

Die wahrscheinlichere Theorie sieht den Ursprung der Besiedlung in den Kreuzzügen. Durch diese kamen genau die Volksgruppen, die in der Siedlergemeinschaft nachgewiesen wurden, auf ihrem Landweg ins Heilige Land an der Donau durch Ungarn und südlich der Karpaten entlang. Ein Teil der Kreuzzügler (die ja zum Großteil nicht aus Rittern, sondern aus dem einfachem Volk bestanden) sind auf dem Hinweg durch Angebote des ungarischen Königs dazu bewogen worden, sich aus dem Zug zu lösen und ihr Glück in Siebenbürgen zu versuchen.
Soweit der geschichtliche Rückblick.

Wir verbringen eine weitere Nacht in Medias und fahren am nächsten Morgen auf Nebenstrecken zur nächsten Kirchenburg in Birthälm. Schon vom Weiten ragt diese in den Himmel, fast wie Schloss Neuschwanstein im Allgäu. Als UNESCO Kulturerbe ausgezeichnet, ist sie Ziel vieler Besucher, die mit Bussen einreisen.

Wir finden eine Unterkunft hinter der ersten Kirchenmauer im Gästehaus Dornröschen. Sie gefällt uns. Wir beschließen den nächsten Tag hier zu verbringen. Am späten Nachmittag machen wir einen Rundgang durchs Dorf. Ein gutes Essen mit einer Flasche Wein erhalten wir am Abend im örtlichen Touristenrestaurant.
Am nächsten Vormittag besuchen wir die Kirchenburg auf ihrem Hügel. Ein Rundgang um die Kirche und ihre Innenbesichtigung ist möglich, Türme und Wehrgänge sind verschlossen.

Die Schöne-Wetter-Zeit ist beendet. In der  Nacht und am Morgen regnet es. Bei unserer Abfahrt ist es trocken, unterwegs gibt es einen leichten Schauer. Über holperiger Nebenstraßen und befahrener Hauptstraße geht es in die größere Stadt Sighisoara/Schäßburg.