145. Reisetag
6428 km
Die Wolken hängen tief, unter und über mir. Ziehe zum ersten Mal seit dem Bodensee meine Stiefel an. Das Thermometer zeigt 9 Grad. Ich fahre kontinuierlich bergauf. Die nächsten zwei langen Straßenkehren bringen mich 6 km weiter und 400 m höher. Auf der einen Seite die Felswand, auf der anderen Seite der Abgrund. Wenn die Felsen nicht zu schroff sind wachsen Fichten am Hang. Oft habe ich einen Blick weit in die Ebene. Unten im Tal scheint die Sonne. Auf dem Berg gegenüber steigen die Wolken auf und ab. Ich erreiche das obere Tal, die Baumgrenze habe ich bereits überschritten. Der Abschnitt wird „Straße in den Wolken“ genannt, meine Sicht wird hier immer wieder getrübt durch aufsteigende Wolken.
Ich kann bereits die Endstation der Seilbahn und eine Hütte sehen, 400 m höher. In vielen Serpentinen windet sich die Straße durch die Graslandschaft des Tals nach oben. Da ich die gesamte Strecke vor Augen habe, komme ich gefühlsmäßig sehr langsam voran. Es gibt keine Überraschungen von der Landschaft. Jede Kurve der Straße sehe ich weit im voraus.
Je höher ich steige, desto kälter wird es. Oben auf 2042 m Höhe sind es 3 Grad. Drei Stunden bin ich unterwegs gewesen bis zum Tunneleingang. Die Steigung hielt sich in Grenzen zwischen 6 und 9 Prozent. Nicht zu vergleichen mit dem Anstieg auf den Sölkpass in Österreich mit bis zu 14 Prozent Steigung und bei 30 Grad Hitze. Da hatte ich meine Grenzen gespürt.
Auf der Plattform gibt es jede Menge Stände. Wurstwaren und Schafspelzmützen neben diversen anderen Touristenartikel sind die Renner.
Es ist ungemütlich, trübe und kalt. Keine besondere Höhenstimmung kommt bei mir auf. Fahre nach kurzem Aufenthalt weiter. Habe mich warm angezogen, doppelter Pullover, Anorak und Handschuhe. Die innere Hitze des Anstieges gibt es bei der Abfahrt nicht.
Die Tunneldurchfahrt ist einfach dunkel trotz Fahrradlicht. Von der Decke tropft es, ein Auto kommt mir mit einem Höllenlärm entgegen.
Auf der anderen Bergseite scheint die Sonne. Trotz der warmen Strahlen bibbere ich. Der Wind bei der Abfahrt trägt dazu bei, dass die Kälte lange in mir bleibt. Steil geht es hinunter.
Es ist ein Phänomen, fahre ich hinunter sieht die Steigung immer viel steiler aus als wenn ich die gleiche Strecke hinauffahre. Ist natürlich für die Motivation der Bergfahrt gut.
Ins tiefe Tal kann ich nicht schauen. Es gibt immer wieder Bergrücken, die umfahren werden müssen. Ich erreiche weit unten den Vidraru-Stausee, an dem sich die Straße in einem ständigen auf und ab über 20 km entlang schlängelt. Von der Staumauer aus kann ich noch einmal auf die Berge zurück schauen. Eine Meute von Straßenhunden kommt bellend auf mich zu. Kann sie mit meinem dog-dazer in Abstand halten. Sie verziehen sich mit eingezogenem Schwanz.
Mit den Hunden ist es so eine Sache in Rumänien. Viele Leute haben Hunde und nicht nur einen. Es gibt aber noch viel mehr herren-/frauenlose auf der Straße, es sind oft arme abgemagerte Kreaturen. In der Meute können sie stark werden. Nachdem ein Kind von Hunden getötet wurde gibt es ein neues Gesetz. Freilaufende Hunde sollen eingefangen und eingeschläfert werden, wenn in einer Frist von 14 Tagen keiner den Hund abholt. Die Tierschützer laufen Sturm dagegen.
Nach der Staumauer geht es nochmals steil bergab in ein enges Tal.
Bin müde vom Tage und übernachte in einem kleinen Ort im Hotel.
Am nächsten Tag fahre ich 25 km weiter in die Stadt Curtea de Arges. Besuche ein altes orthodoxes Kloster. Rund um die Kathedrale sind angezogene Schaufensterpuppen gruppiert. Drinnen wird gerade eine Hochzeit gefeiert. (Bei mir heute Abend im Hotel auch.) Auf dem Klostergelände werden von einem anderen Paar bereits die Hochzeitsfotos geschossen. Es ist ein lukrativer Bereich für Fotografen.
Eine alte Basilika aus dem 14. Jahrhundert mit alten Fresken ist die zweite Sehenswürdigkeit in der Stadt. Auch diese schaue ich mir an.