Die Transfogarascher Hochstraße II.

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Sep 282013
 
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Insgesamt sind es 37 Kehren.

145. Reisetag

6428 km

 

Die Wolken hängen tief, unter und über mir. Ziehe zum ersten Mal seit dem Bodensee meine Stiefel an. Das Thermometer zeigt 9 Grad. Ich fahre kontinuierlich bergauf. Die nächsten zwei langen Straßenkehren bringen mich 6 km weiter und 400 m höher. Auf der einen Seite die Felswand, auf der anderen Seite der Abgrund. Wenn die Felsen nicht zu schroff sind wachsen Fichten am Hang. Oft habe ich einen Blick weit in die Ebene. Unten im Tal scheint die Sonne. Auf dem Berg gegenüber steigen die Wolken auf und ab. Ich erreiche das obere Tal, die Baumgrenze habe ich bereits überschritten. Der Abschnitt wird „Straße in den Wolken“ genannt, meine Sicht wird hier immer wieder getrübt durch aufsteigende Wolken.

Ich kann bereits die Endstation der Seilbahn und eine Hütte sehen, 400 m höher. In vielen Serpentinen windet sich die Straße durch die Graslandschaft des Tals nach oben. Da ich die gesamte Strecke vor Augen habe, komme ich gefühlsmäßig sehr langsam voran. Es gibt keine Überraschungen von der Landschaft. Jede Kurve der Straße sehe ich weit im voraus.

Je höher ich steige, desto kälter wird es. Oben auf 2042 m Höhe sind es 3 Grad. Drei  Stunden bin ich unterwegs gewesen bis zum Tunneleingang. Die Steigung hielt sich in Grenzen zwischen 6 und 9 Prozent. Nicht zu vergleichen mit dem Anstieg auf den Sölkpass in Österreich mit bis zu 14 Prozent Steigung und bei 30 Grad Hitze. Da hatte ich meine Grenzen gespürt.

Auf der Plattform gibt es jede Menge Stände. Wurstwaren und Schafspelzmützen neben diversen anderen Touristenartikel sind die Renner.
Es ist ungemütlich, trübe und kalt. Keine besondere Höhenstimmung kommt bei mir auf. Fahre nach kurzem Aufenthalt weiter. Habe mich warm angezogen, doppelter Pullover, Anorak und Handschuhe. Die innere Hitze des Anstieges gibt es bei der Abfahrt nicht.
Die Tunneldurchfahrt ist einfach dunkel trotz Fahrradlicht. Von der Decke tropft es, ein Auto kommt mir mit einem Höllenlärm entgegen.

Auf der anderen Bergseite scheint die Sonne. Trotz der warmen Strahlen bibbere ich. Der Wind bei der Abfahrt trägt dazu bei, dass die Kälte lange in mir bleibt. Steil geht es hinunter.
Es ist ein Phänomen, fahre ich hinunter sieht die Steigung immer viel steiler aus als wenn ich die gleiche Strecke hinauffahre. Ist natürlich für die Motivation der Bergfahrt gut.
Ins tiefe Tal kann ich nicht schauen. Es gibt immer wieder Bergrücken, die umfahren werden müssen. Ich erreiche weit unten den Vidraru-Stausee, an dem sich die Straße in einem ständigen auf und ab über 20 km entlang schlängelt. Von der Staumauer aus kann ich noch einmal auf die Berge zurück schauen. Eine Meute von Straßenhunden kommt bellend auf mich zu. Kann sie mit meinem dog-dazer in Abstand halten. Sie verziehen sich mit eingezogenem Schwanz.
Mit den Hunden ist es so eine Sache in Rumänien. Viele Leute haben Hunde und nicht nur einen. Es gibt aber noch viel mehr herren-/frauenlose auf der Straße, es sind oft arme abgemagerte Kreaturen. In der Meute können sie stark werden. Nachdem ein Kind von Hunden getötet wurde gibt es ein neues Gesetz. Freilaufende Hunde sollen eingefangen und eingeschläfert werden, wenn in einer Frist von 14 Tagen keiner den Hund abholt. Die Tierschützer laufen Sturm dagegen.

Nach der Staumauer geht es nochmals steil bergab in ein enges Tal.
Bin müde vom Tage und übernachte in einem kleinen Ort im Hotel.

Am nächsten Tag fahre ich 25 km weiter in die Stadt Curtea de Arges. Besuche ein altes orthodoxes Kloster. Rund um die Kathedrale sind angezogene Schaufensterpuppen gruppiert. Drinnen wird gerade eine Hochzeit gefeiert. (Bei mir heute Abend im Hotel auch.) Auf dem Klostergelände werden von einem anderen Paar bereits die Hochzeitsfotos geschossen. Es ist ein lukrativer Bereich für Fotografen.

Eine alte Basilika aus dem 14. Jahrhundert mit alten Fresken ist die zweite Sehenswürdigkeit in der Stadt. Auch diese schaue ich mir an.

Die Transfogarascher Hochstraße I.

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Sep 262013
 

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143. Reisetag

6327 km

 

Der Morgenhimmel ist trübe. Nehme von Helmut Abschied. Unsere gemeinsame Tour war sehr schön. Ich weiß gar nicht, ob ich ohne ihn so tief in Siebenbürgen eingedrungen wäre.

Mein Weg führt mich weiter Richtung Süden. Als Barriere liegen die Karpaten vor mir. Es gibt eine stark befahrene Europastraße, die entlang des Olt-Flusses mit nur 500 m Höhe die Gebirgskette passiert. Diese Straße möchte ich meiden. Ich wähle die Herausforderung, die Transfogarascher Hochstraße. Sie überquert das Făgăraș-Gebirge der Karpaten und ist nur in den Monate Juli bis Oktober befahrbar.

Die hochalpine Straße wurde im Auftrag von Ceaușescu gebaut und hatte neben einem touristischen auch einen militärischen Zweck.
Sie windet sich in zahlreichen Serpentinen auf eine Höhe von 2042 m und unterquert den Gebirgskamm der Karpaten in einem 887 Meter langen Tunnel. Es ist die zweithöchste Straße Rumäniens und hat eine Länge von 91 km.

Am ersten Tag fahre ich zum Ausgangspunkt der Hochstraße. Entlang an Flüssen und durch weite landwirtschaftlich genutzte Täler. Viele Pferdefuhrwerke sind unterwegs. Auf einem Kartoffelacker hält der Bauer den Pflug, seine Frau führt das Pferd. So müssen die Kartoffeln nicht mühsam mit der Hacke aus der Erde geholt werden. Auf einem anderen Feld hackt ein Mann die geernteten Maisstauden heraus. Ein Hirte bewacht die Rinderherde auf der anderen Flussseite. Ich unterhalte mich auf Englisch mit der Frau eines Schäfers. Sie steht mit ihrem Kind (und Auto) am Straßenrand. Ihr Mann führt gerade seine Schafsherde vorbei.
Sie hat Englisch, Spanisch und Französisch studiert, macht gerade drei Jahre Babypause. Vorher und danach wird sie wieder in Sibiu arbeiten. Sie findet es gut, dass sie in einem anderen Bereich als die Schafszucht arbeitet. Ihr Mann kommt aus einer Schafszüchterfamilie. Er und seine zwei Brüder haben an die 600 Schafe in verschiedenen Herden. Erfahre einiges über die Schafszucht. Lämmer sind im Frühjahr teurer, da die Schafe den Winter über gefüttert werden müssen. Wenn Schafsherden über die Wiesen und Felder ziehen müssen die Schäfer an die Grundeigner zahlen. Jedes Jahr gibt es Verluste durch Bären und Wölfe.

Nach nur 50 km erreiche ich mein Ziel und übernachte in einem Motel. Oberflächlich betrachtet ist das Haus in einem passablen Zustand. Aber: bei mir im Zimmer tropft Wasser aus der Heizung auf den Holzboden, Türgriffe halten so gerade noch, die Dusche im Bad hat keinen Vorhang usw. Leider ist es typisch für viele rumänische Unterkünfte. Würde alles in Ordnung gehalten, wären die Folgekosten gering und der Wert bliebe erhalten.

Beim Abendspaziergang sehe ich den Gebirgszug der Karpaten bei blauem Himmel. Auf den Gipfeln liegt Schnee. Am nächsten Tag fahre ich auf die Transfogarascher Hochstraße. Mein GPS-Gerät zeigt mir eine Starthöhe von 400 m an.

Am Abend war noch das schönste Wetter, am Morgen ziehen dunkle Wolken auf und es beginnt zu regnen. Hülle mich regendicht ein. Anfangs werden auf den Feldern an der Straße noch Kartoffeln herausgeholt, es wird gepflügt, Pferdewagen und Traktoren sind unterwegs. Bald schon windet sich die Straße den bewaldeten Berghang hoch. Der Regen hört zum Glück auf. Die Temperaturen zwischen 12 und 17 Grad sind sehr angenehm, die Steigung mit 4 bis 8 Prozent ist nicht zu anstrengend. Am Straßenrand steht ein Auto. Ich grüße und fahre weiter. Der Fahrer läuft hinter mir her und überreicht mir eine Tafel Schokolade als Energiespender. Freue mich über solche Erlebnisse.
An einem Steilhang habe ich eine großartige Sicht auf die Gipfel der Berge. Eine schöne Belohnung für die Anstrengung. Sehe aber auch, was mir noch bevorsteht.

Der Verkehr ist sehr gering. Treffe nur auf eine Motorradgruppe. Es sind Dänen, die sich in Bukarest ein Motorrad geliehen haben. Zwei rumänische Mountain-Biker (ohne Gepäck) überholen mich.

Damit die Bergetappe nicht zu anstrengend wird, lege ich bereits nach 25 km und 800 Höhenmeter eine Übernachtungspause ein. Das Hotel Balea Cascada liegt in der Nähe eines Wasserfalls. Von hier aus kann der höchste Punkt der Passstraße mit einer Seilbahn erfahren werden. Dort liegt der Balea See in 2040 m Höhe.

Am Nachmittag mache ich einen längeren Spaziergang und versuche den Wasserfall zu erreichen. Die Berge sind steil, ich finde nur einen Wanderweg. Dieser führt in einiger Entfernung am Wasserfall vorbei und geht weiter den Berg hoch. Eine Klettergruppe seilt sich neben dem Wasserfall ab. Da ich den Berg ich nicht ersteigen möchte drehe ich um.

 

Im Vorgebirge der Karpaten.

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Sep 242013
 
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Blick aus meinem Fenster auf einen trüben Tag.

141. Reisetag

 

Die Verpflegung in unserem Gästehaus ist gut, aber wir bekommen zu viel aufgetischt. Lieber wäre mir die Schüssel einmal leer zu essen. Habe das Gefühl, dass wir das nicht eingenommene Mittagessen (ist in der Vollpension mit drin) noch zusätzlich am Abend erhalten.

Beim Gang durch den Ort bellen uns hinter jedem Eingang die Hunde an. Die Tore sind zum Glück geschlossen. Beim Weitergehen schließen sich uns drei Hunde an. Sie begleiten uns den ganzen Tag. Sie kläffen nicht, sie laufen einfach mit, sind angenehme Begleiter. Einmal kam uns eine Schafsherde mit Hirtenhunden entgegen. „Unsere“ Hunde machen im Wald einen großen Bogen um die Herde, bis sie wieder auf uns stoßen. Sie wollen keine Konfrontation mit aggressiveren Kollegen.

Der Weg führt uns auf steiniger Forststraße den Berg hinauf. Kurz vor dem Gipfel hört er jedoch auf. Eigentlich wollten wir auf der anderen Seite des Berges weiterlaufen. Haben wohl eine Abzweigung verpasst. Beim Abstieg sehen wir einen steilen matschigen Pfad, der von unserem Weg rechts in die Höhe führt. Da hätten wir wohl gehen müssen.
Das zur Verfügung stehende Kartenmaterial ist extrem schlecht.

Auch am nächsten Tag sind wir anders gegangen als wir eigentlich wollten. Der Weg endet in einem Bachbett. Wir steigen steil einen Berg hoch auf Spuren von wohl wild gewordenen Motorradfahrern. Mir ist nicht klar, wie diese hier überhaupt fahren können. Die ungefähre Richtung halten wir mit meinem Garmin-GPS. Auch beim Wandern ist es sehr hilfreich. Wir erreichen eine Höhe von1000 m und stoßen oben wieder auf einen markierten Weg. Auf der Höhe öffnet sich uns ein baumloser Grashang. Vorher sind wir durch den Wald gestapft. Wir können weit auf die gegenüberliegenden Täler und Hänge schauen. Es geht wieder hinunter. Beim Abstieg sehen wir vier Romamänner. Sie haben am Waldesrand Holz geschlagen und laden es auf ihre Pferdefuhrwerke. Sie möchten, dass wir Fotos machen und fordern Geld. Fragen nach Bonbons für ihre Kinder. Ich mache nur von weitem ein Foto. Der Weg führt uns etwas später durch ein Romadorf. Viele der Häuser sind sehr ärmlich, es gibt aber auch neue größere Häuser. Der Müll wird einfach an einer Stelle im Dorf den Hang hinuntergeworfen. Eine Müllabfuhr, wie in anderen Dörfern, gibt es wohl nicht. Wir gehen zügig weiter, da wir auch hier angebettelt werden.

Der nächste Tag beginnt mit Nieselregen. Die Wolken hängen tief. Ich mache einen Spaziergang am Fuße eines Berges. Auf einer Wiese wachsen Herbstzeitlosen. Sie passen zum trüben Wetter und der herbstlichen Stimmung, die sich immer mehr ausbreitet. Morgen fahre ich alleine weiter. Es ist wieder ein kleiner Abschied.

Ende der Siebenbürgen-Rundtour.

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Sep 212013
 

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6255 km

 

Die Nacht war regnerisch und stürmisch, der Morgen kühl aber trocken. Ziehe zum Losfahren Pullover und Anorak über, dazu noch die Handschuhe.

An der Straße liegt ein großes Feld mit Solarmodulen, daneben sichelt ein Bauer mit einer Sense Gras. Solarmodulfelder hatte ich schon häufiger gesehen. Aus der Ferne glitzern die Anlagen manchmal wie ein See. In Sighisoara im Hotel trafen wir einen Schweizer, der den Aufbau neuer Solarfelder betreut. Nach seinen Angaben sind es chinesische Investoren, die hier ihr Geld anlegen.

Der Verkehr nimmt deutlich zu als wir uns über hügeliger Straße Sibiu nähern. Ein heftiger Wind bläst uns entgegen. Wir müssen aufpassen, dass die Böen uns nicht von der Straße fegen. Neben der Straße verlaufen oft Gasleitungen, an die viele Häuser angeschlossen sind. Als wir an einer Gasverteilerstation vorbei kommen, liegt ein deutlicher Gasgeruch in der Luft. Das könnte gefährlich werden, zumal in Rumänien viel geraucht wird.

In Sibiu übernachten wir wieder im Casa Luxemburg, in dem wir Teile unseres Gepäcks zurückgelassen hatten. Helmut bringt sein Leihrad zurück. Ich überhole am nächsten Tag mein Fahrrad und installiere einen neuen Fahrradständer, da das Rad auf dem alten zunehmend schräg stand. Jedoch war der Ständer gar nicht ausgeleiert, der Gummi war nur abgenutzt.

Mit einem Taxi fahren wir in ein etwas außerhalb liegendes Museumsdorf. Alte Häuser, Mühlen, Maschinen und Handwerksgegenstände zeigen das Leben in vergangenen Zeiten auf. Da die Gebäude mit wenigen Ausnahmen verschlossen sind, ist der Besuch nicht sehr beeindruckend.
Zurück in der Stadt gehen wir einkaufen. Ich stelle fest, mein Mohnstrudel kommt aus Österreich, der Fruchtjoghurt aus Deutschland, die Weintrauben aus Italien. Die EU hat handelsmäßig das Land bereits im Griff. Die Infrastrukturhilfen für den Straßenbau machen sich bezahlt. Beim nächsten Einkauf werde ich genauer hinschauen.

Am Abend findet auf einer großen Bühne nicht weit von unserem Hotel ein Musik-Awards vom rumänischen Fernsehen statt. Die am meisten abgespielten rumänischen Musikstücke werden ausgezeichnet. Es ist ein sehr lautes Spektakel, von dem wir zwangsläufig etwas mitbekommen.

In den folgenden Tagen planen wir Wanderungen in dem südlich von Sibiu gelegenen Vorgebirge der Karpaten. Helmut fährt die 15 km mit dem Taxi, ich radle. Von dort aus werde ich in der nächsten Woche meine Tour alleine fortsetzten. Wir übernachten in einem Gästehaus der evangelischen Kirche mit Vollpension. Vom Fenster aus kann ich wunderbar ins Tal schauen.
Der Ort ist benannt nach einem kreisrunden Kegelberg, dem Michelsberg/Cisnadioara, auf dem sich eine der ältesten Kirchenburgen Siebenbürgens befindet. Der Innenraum der Kirche ist schlicht und leer. Im Chorraum befinden sich 180 Gedenktafeln von Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg. Fast alle sind in der Zeit vom 12. bis 26. Sept. 1916 gefallen.
Rumänien war in diesem Krieg anfangs neutral. Als die rumänische Führung feststellte, dass die österreich-ungarische- und die deutsche Armee schwächelte, schlossen sie sich im August 1916 den Alliierten an. Die Gefallenen auf den Gedenktafeln waren Siebenbürger Sachsen und hatten (nach Wikipedia-Recherche) gegen die Rumänen gekämpft.

Das Wetter am nächsten Tag ist gemischt, Sonnenschein und Regen wechseln sich ab. Wir machen eine kleine Wanderung in die umliegenden Berge. Von oben haben wir eine weite Sicht ins Tal.Unterwegs treffen wir auf Hagebuttenpflücker, es sind arme Menschen, die uns anbetteln; fussballspielende Kinder, die gerne einen Bonbon hätten und einen Schäfer, dessen Habe ein Esel trägt. Der einsetzende Regen beschleunigt unsere Rückkehr.
Als wir uns Michelsberg nähern, sehen wir am Hang viele neue Villen. Offenbar lassen sich im Umfeld von Sibiu gerne reiche Rumänien nieder.