Jul 062012
 

 

 80. Reisetag

4407 km

30.018 Höhenmeter

 

… Wald, Wald in jeder Höhenlage. Der boreale (boreas = Kälte = griechischer Gott des winterlichen Nordwinds) Wald mit seinen vorwiegend Nadel-, aber auch Birken und Pappelbäumen, entsteht auf nährstoffarmen Böden mit kurzer Vegetationsperiode. Er bedeckt auf dem kanadischen Schild riesige Flächen. Die Bäume sind kleinwüchsig.
Seit über 1000 km fahre ich durch dieses Gebiet.

Die morgendliche Frische nach dem Start ging am Mittwoch bald verloren. Hatte schlecht geschlafen. Die ganze Zeit fuhr ich gegen den Wind. Es gab verdammt viele Berge. Wofür quäle ich mich? Das macht keinen Spaß. Nach Hause möchte ich auch nicht. Stelle mir ein schönes Plätzchen unter Palmen auf einer Südseeinsel vor. Da möchte ich jetzt sein. Die Realität war aber: nur Wald um mich herum. Manchmal ein See, der munterte mich auch nicht auf.

Am frühen Nachmittag abseits in einem Provinz Park einen schönen Campingplatz gefunden. Hatte eine ruhige Ecke halb unter Bäumen direkt am Ufer eines etwas zugewachsenen kleinen Sees. Viele Kaninchen liefen herum – sonst nie eins gesehen. Zum großen Lake Superior nur fünf Minuten Fußweg. Saß dort lange auf einem Stein und beobachtete das Ufer.
Viele ausgebleichte Baumstämme waren angeschwemmt mit teilweise bizarren Formen.
Eine Familie kam an den Strand. Der kleine Junge lief in einem unbeobachteten Moment mit all seinen Sachen ins Wasser. An die Folgen konnte er noch nicht denken.

Ein Buddhist hätte es hier schwer sich den Mücken gegenüber friedlich zu verhalten. Gegen Abend kommen sie scharenweise. Mückenspray hilft nicht genügend. Im Qualm eines Feuers zu stehen ist auch nicht angenehm. Das Zelt ließ sich als übersichtlicher Raum problemlos mückenfrei halten.

Hatte besser geschlafen und bin trotz gemütlichem Frühstück um 8 Uhr losgekommen. Der lang vermisste Westwind blies mir in den Rücken. Gleich am Morgen gab es eine 15 km Strecke fast ohne Steigung. Habe keine Erinnerung mehr an ein meine letzte ebene Straße. Die Stimmung war besser. Die Mittagshitze machte mir zu schaffen. Werde am nächsten Tag noch früher aufstehen.
Eine Goldmine passte nicht ganz in diese Landschaft und wird ihr auch nicht gut tun. Es gibt mehrere in der Region.

Am Nachmittag nach 100 km den nächsten kleinen Ort White River erreicht. Dieser Ort hat wieder eine Attraktion. Hier ist die Geburtsstätte von Winnie the Pooh. Der kleine Bär wurde 1914 an den englischen Soldat Harry Colebourn verkauft. Er nannte ihn Winnipeg, daraus wurde bald Winnie. Colebourn wurde nach Frankreich geschickt. Der Bär kam in den Londoner Zoo. A.A. Milne schrieb seine Geschichte. Christopher fügte den Zusatz the Pooh hinzu.
Jedes Jahr gibt es ein „Winnies Hometown Festival“. Das ganze Jahr über kann der Stoff-Winnie erworben werden.

Hätte kostenlos auf der Gemeindewiese zelten können, mit Dusche in einer Tankstelle. Es laufen aber Bären nachts im Ort herum. Der ungestörten Nachtruhe wegen übernachte ich in einem Motel.

Am nächsten Morgen zusammen mit dem ersten Sonnenstrahl die Straße betreten. Mein Schatten fuhr eine Zeitlang vor mir, nach einer Kurve konnte ich ihn neben mich bringen. Wenn ich es geschafft hatte so früh loszukommen genoss ich die Morgenfahrt. War kraftvoll, die Bergfahrt strengte nicht an. Die Beleuchtung war wunderschön. An manchen Seen hielt ich länger an und schaute einfach. Der melodische Ruf eines Seetauchers (loon) erklang.

Um 11.30 Uhr erreichte ich bereits den nächsten 100 km entfernten Ort Wawa. Das Tagespensum war erfüllt. Die größte Wildgansskulptur Kanadas ist die Attraktion des Ortes.

Jul 032012
 

77. Reisetag

4113 km

 

Beim Vorbeifahren der großen Laster, musste ich den Lenker fest in die Hand nehmen. Der entstehende Windstoß konnte mich leicht ins Schwanken bringen. Der Rückspiegel leistete gute Dienste. Die Geräusche anderer Fahrzeuge waren häufig ähnlich laut. Einen TÜV gibt es nicht.
Der Verkehr am Sonntagmorgen hielt sich in Grenzen.

Der Wind hielt mir die lästigen Bremsen fern, war aber gegen mich gerichtet.

Der Ouimet Canyon lag etwas abseits der Strecke. Ich fuhr den 20 km Umweg. Um 100 m tief in die Schlucht zu schauen musste ich diese Höhe erst mit dem Fahrrad erklimmen.

Am Abend übernachtete ich wieder in einem Backpacker Hostel wie im letzten Ort. Diesmal leider in einer eher schmuddeligen Herberge. Am Vortag hatte die Tochter der Inhaberin hier groß Hochzeit gefeiert. Viele Gäste waren noch da. Merkwürdig, sie waren fast durchweg sehr füllig. Auch sonst sah ich in der letzten Zeit viele zu gut genährte Menschen. Habe das Gefühl es gibt eine West-Ost-Gewichtszunahme in Kanada. Weiß nicht ob es dazu eine Statistik gibt.

Am nächsten Morgen erlebte ich meinen ersten Sonnenaufgang auf der Straße. Es sollte wieder heiß werden. Die morgendlichen Berge waren einfacher zu befahren als die am Nachmittag. Es gab viele davon und sie wurden immer höher. Auf der Kuppe belohnte mich der weite Blick über den See für den Anstieg.
Nach dem Ort Nipigon gabelte sich der Highway. Es gibt wieder zwei West-Ost-Verbindungen. Der Highway 17 wird weniger befahren und umrundet den Lake Superior. Das war mein Weg. Am Straßenrand sah ich Wegwahrte wachsen.

Auf einem schönen Campingplatz direkt am See baute ich mein Zelt auf. Ein Squirrel möchte gerne meine Lebensmittel probieren, ließ ich aber nicht zu. Nachts gab es ein Gewitter. Die Blitze zuckten hell. War ganz froh, dass das Zentrum nicht direkt über mir lag.

Dicke Nebel zogen am Morgen auf. Sie schränkten meinen Weitblick den ganzen Tag ein. Die Landschaft, die Berge und ein Wasserfall lagen hinter einem weißen Schleier.

Jun 302012
 

74. Reisetag

3859 km 

 

Es gibt jetzt nur noch den Trans Canada Highway. Über ca. 200 km führt keine weitere Straße von West nach Ost durch das riesige Land. Im kleinen Ort Shabaqua endete am Mittwochabend meine Nebenstrecke auf dem Highway 11.

Am Morgen startete ich sehr früh. Bei 20 Grad radelte es sich angenehm. Das erste Ziel war der Kakabeka Falls (donnerndes Wasser). Hier stürzt sich der Kaministiquia Fluss 40 m in die Tiefe. Das Wasser zeigte seine gewaltigen Kräfte.

Die für kanadische Verhältnisse große Stadt Thunder Bay war in der Mittagszeit erreicht. Fuhr durch endlose Einfamilienhaussiedlungen, einen richtigen Stadtkern suchte ich vergebens. Nichts lud zum Verbleiben ein, wollte aber auch nicht weiter fahren.
Es war heiß. Ein Hostel liegt etwas außerhalb, wurde mir gesagt.
Auf dem Weg dorthin hielt ich an einem „Organic Cafe“. Solche Restaurants waren selten zu finden. Es gab ein vorzügliches Reis-Gemüsegericht. Zu diesem wurde ich eingeladen als sie mein bepacktes Fahrrad sahen und von meine Tour hörten.
18 km fuhr ich entlang einer ruhigen Straße zur Hausnummer 1594. Ich zweifelte schon, ob es das Hostel geben würde.

Manchmal ist es schwierig die richtige Entscheidung zu treffen. Hätte in den letzten Tagen einfach schon nach 40 km (also am Vormittag) auf einen vorhandenen Campingplatz fahren sollen. Der nächste kam für mich nach weiteren 100 km. Das war anstrengend. Diesmal hätte ich in der Stadt in einem Motel unterkommen können. Habe es nicht gemacht.

Das Hostel liegt ruhig, ist wunderschön. Vollgepackt mit vielen Gegenständen aus Asien, Afrika und vom Müll. Alls ich ankam jagte gerade eine Katze ein Squirell (Eichhörnchen) durch die Räume. Küche und Kühlschrank nebst Inhalt wird gemeinsam (gegen Erstattung) vom Inhaber  Lloyd (76 Jahre), Ehefrau und Gästen benutzt. Zwei Nächte bin ich der einzige Gast, dann kamen weiterer Gäste an. Konnte ausschlafen, faulsein, Wäsche waschen und hatte Internetanschluss.

Um Bären zu sehen muss man nicht in die Rocky Mountains fahren. Einfach auf die Müllkippe gehen. Am Abend waren 5 Bären dabei den Müll zu durchforsten. Gras fressen ist eine mühsame Angelegenheit. Den ganzen Tag ist der Bär am Grasen und wird kaum satt. Da ist der Müll nahrhafter. Die Müllbären sind eigentlich ein Problem, da die Bären sich zu sehr an die Menschen gewöhnen. Die öffentlichen Abfalleimer sind deswegen bärensicher. Bioabfälle können nicht gesammelt werden.
Mit Lloyd machten wir einen kleinen Ausflug zur Kippe. Er hatte auch dort den Recyclingwagen für Bücher aufgestellt. Anschließend nahmen wir ein Bad in dem nahen Fluss.

Das Hostel liegt oberhalb des Lake Superior. Die Dimensionen sind für uns Europäer kaum vorstellbar. Der See hat die Größe Österreichs bzw. die 150-fache Fläche des Bodensees. Der größte Teil liegt in den USA mit vielen Städten und Industrie am Ufer. Auf der kanadischen Seite leben nur wenige Menschen.
Den See werde ich nördlich umrunden.

Übrigens: Ein Handy kennt hier keiner. Das Ding heißt hier self phone.

 

Jun 272012
 

 71. Reisetag

3748 km

 

In der Nacht kamen die Wölfe und sie bedrohten mich. Das Geschrei der Krähen in der Morgendämmerung um 4.45 Uhr beendete den Traum. Was steckt nur alles in mir?

Bin wieder gut eingeschlafen und bei strahlendem Sonnenschein aufgewacht.
Ein Frühaufsteher ist aus mir geworden: vor 7 Uhr. Für Zeltabbauen, Zusammenpacken und Kaffee kochen und in Ruhe trinken benötigte ich 2 h. Dann ging es auf die Straße.
Hinter jeder Kurve ein neuer See. Wer hat den vielen Seen hier wohl die Namen gegeben? Hinter jeder Kuppe gleich eine neue in Sicht. Immer Wald, die von der Eiszeit geschliffenen Felsen, Sumpfflächen und Seen. Die Bäume sind eher kümmerlich. Ihre Wachstumsbedingungen sind nicht mehr so gut wie in Britisch Columbia. Beeindruckend sind die großen Seen mit ihrer tiefblauen Farbe und den vielen Inseln. Den Türkiston der Bergseen erreichen sie nicht.

Eine schöne Landschaft – anfangs. Ab dem dritten Tag wurde sie für mich monoton. Es gab wenige Abwechslungen bei der Fahrt.

2 Fahrradreisende, die mich vor Kenora überholt hatten (nach einem Plausch), traf ich auf einem Parkplatz wieder. Ich konnte mit einer passenden Speiche ihre Panne beheben helfen. Ihr Fahrtempo war schneller als meins. Wir trafen uns auf dem nächsten Campingplatz wieder.
Über mir ließen sich Adler vom Wind treiben.
Geier unterbrachen ihre Mahlzeit am Straßenrand, wenn ich mit dem Fahrrad vorbeikam.
Es gab wunderschöne Biberburgen in den Sumpfseen. Die Burgfamilie ließ sich nicht sehen.
Die Straße vor mir flimmerte – auf ihr ein See?  – eine Fata Morgana! Am Verdursten bin ich nicht.
Auf einem Campingplatz fragte ich, ob es einen Laden gibt. Der nächste Laden ist 80 km entfernt. Hatte mein Zelt gerade aufgebaut, da wurde mir ein Teller mit warmen Spagetti und Gehacktem gebracht. Habe sie mit/trotz der Beilage mit gutem Appetit verzehrt. Wurde zu einer Motorbootsfahrt auf dem See und anschließendem Fischessen eingeladen. Beim selbstgemachten Wein war es ein schöner Abend geworden.
Glühwürmchen blinkten in die Nacht. Die Seetaucher ließen ihre wunderschöne Melodie erklingen. Im Morgengrauen weckten mich die Krähen unsanft.
Die Moskitos sind da. In Mengen. Hatte mich ganz eingehüllt, nur die Haare vergessen zu schützen. Das war die Angriffsfläche, die ich noch Tage später fühlte.
Wegen der Tageshitze einen Frühstart gemacht. War am letzten Tag um 5 Uhr aufgestanden. Konnte die Startzeit auf 1 h verkürzen.
Unspektakulär lief vor mir ein Schwarzbär über die Straße. Wir schauten uns kurz an. Dann gingen beide ihren Weg.
Die vorletzte Zeitzone überschritten. Es gilt die Eastern Time Zone.

Über Tage war es heiß, meist keine Wolken am Himmel. Der Wind stand ungünstig. Insgesamt eine anstrengende Strecke gewesen. Es kann nicht alles nur schön sein.

Ich fuhr auf dem Königshighway. Vieles ist hier königlich und scheint noch am Vergangenen zu hängen. Das Regierungsland ist das Crownland. Die Polizei ist die Royal Police. Kürzlich wurde die Armee wieder in die Royal Armee umgetauft. Natürlich ist die Queen auf jeder Münze drauf.