Mai 072012
 

21. Reisetag

867 km

Bin 50 km gefahren. Habe dafür 6,5 h benötigt. Es war anstrengend.

Fahre wieder auf dem TCT. Bei mäßiger Steigung von ca. 2 % schlängelte sich der Weg 600 m den Berg hinauf. Entlang über Wiesen und Wälder. Lange Strecken an steilen Abhängen mit weitem Blick ins Tal. Durch Schluchten, über Brücken, Dämme und durch einem Tunnel. Nur ich war unterwegs. Häufig kam die Sonne durch. Es fiel kein Regen. So hatte ich mir die Landschaft vorgestellt.

Das Eindringen in diese einsame Landschaft forderte meinen Einsatz. Schwierig war die Wegbeschaffenheit. Steinige Strecken sind noch zu befahren, da kann ich ausweichen. Bei sandigen Abschnitten muss ich mit aller Kraft treten oder bleibe stecken. Habe das Rad oft schieben müssen, nicht der Steigung wegen. War damit kaum langsamer als mit 7 Stundenkilometer auf dem Rad.

Die Nacht wollte ich oben am Osprey Lake in 1.150 m Höhe im Zelt verbringen. Dort gibt es eine kleine Siedlung. Gezeltet hatte ich nicht. Reste von Schneefelder schreckten mich ab. Am späten Nachmittag fragte ich ein Paar nach der nächsten Unterkunftsmöglichkeit. Sie boten mir ein kleines Zimmer, in dem gerade ein Bett platz hat zum Übernachten an. Mit Heizung und Duschmöglichkeit. Das war gut, denn es wurde bitterkalt. Eine feine Eisschicht umsäumte am Morgen Bereiche am Seeufer.

Habe meine Fahrt durch Kanada wohl etwas früh begonnen – but it’s a long way! Die ersten Fröste im Osten des Landes kommen bereits im September.

Beim morgendlichen Kaffeetrinken wärmten mich bereits die Sonnenstrahlen aus einem wolkenlosen Himmel. Die Weiterfahrt ging anfangs schwierig voran. Die Quads, die hier viel und wild gefahren werden geben einer guten Wegebeschaffenheit keine Chance. Es ging aber bergab, den ganzen Tag über 900 m.

Für mich ist es immer ein besonderes Erlebnis über die Trail-Brücken zu fahren. Ich schaue mir die unterschiedlichen Konstruktionen an, welche die tiefeingeschnittenen Flusstäler überspannen. Die Brücken bestimmen ob die Teilstrecke des Trails befahrbar ist.

Zur Mittagszeit löste ein fester Belag die raue Wegoberfläche ab. Genussradeln war angesagt, durch ein enges Tal mit Gebirgsbach und steilen steinigen und bewaldeten Hängen. Nach 35 km tauchten die ersten Orte auf. Der Blick ging über die Weite der fruchtbaren Okanagan Landschaft, einem Wein- und Obstanbaugebiet mit ihren blühenden Obstbäumen. Es war warm geworden. In T-Shirt und kurzer Hose radelte ich hinunter ans Ufer des Okanagan Lake. Die Landschaft erinnerte mich an die der großen Alpenseen in Italien. Ein feiner Sandstrand lädt zum Baden ein. Das Wasser ist noch zu kalt, einige Sonnenbader liegen bereits am Strand. In Penticton mache ich einen Tag Pause, schlafe aus, kaufe ein und freue mich auf das Essen in einem indischen Restaurant.

 

 

 

 

Mai 042012
 

18. Reisetag

746 km

 

Geschafft, den Pass und ich war es auch. Die letzten hunderte Meter bis zum Gipfel nahmen kein Ende. Nach jeder Kurve ging es weiter hoch. Die ersten Schneefelder tauchten bei 600 m Höhe auf. Oben am Pass war eine geschlossene dicke Schneedecke. Der Highway war geräumt.

Ein Highway ist so ein Zwischending zwischen Bundesstraße und Autobahn. Nur alles mit viel weniger Regeln – bis auf die Höchstgeschwindigkeit von 100 km. Großzügig breit, es gibt Ampeln, man kann links abbiegen, auch kleine Straßen oder Waldwege kreuzen. Wenn das Gelände nicht zu schwierig ist gibt es einen breiten Seitenstreifen für Radfahrer.

Ich hatte Glück, auf meiner Strecke war wenig Verkehr. Die LKW-Fahrer hielten meist ausreichenden Abstand und grüßten mich. Wir befördern ja auch beide Lasten, wenn auch auf unterschiedliche Art. Die Campingwagenfahrer mit ihren ferienhausgroßen Wohnmobilen waren weniger Rücksichtsvoll.

Die Gebirgszüge waren bewaldet. Holzstämme wurden sogar mit dem Hubschrauber aus unpassierbarem Gelände zur Abfuhrstelle geflogen. Diesmal gab es keine erkennbaren privaten Parzellen mit Häusern drauf.

Ich empfand ein wunderbares Gefühl durch die Berglandschaft und Einsamkeit zu radeln auch wenn es anstrengend war und die Straße ein wenig zu befahren. Ich lebe im Jetzt. Meine Probleme sind auf Unterkunft, Essen und Wetter reduziert. Keine Absprachen sind nötig, alles entscheide ich. Ein Gefühl von Alleinsein empfinge ich nicht.

10 km nach dem Pass gab es eine Lodge und ein Hostel, in dem ich gut die Nacht verbrachte. Hier machten Erdhörnchen (ich nenne sie so, da sie Löcher graben) vorbildliche Männchen.

Am Morgen schneite es bei 2-3 Grad. Nach dem gemütlichen selbergemachten Frühstück, Kaffee und Müsli, packte ich mich warm ein und fuhr los. Der Himmel klarte auf, zog sich wieder zu, mal leichter Regen, Hagel, Schnee und wieder Sonnenschein. Anfangs konnte ich die gestern erkämpften Berghöhenmeter gut nutzen, dann ging es unerwarteter Weise nochmals über einen fast 1.300 m hohen Pass, allerdings war ich in einer besseren Ausgangsposition. Hügelauf und etwas mehr hügelab ging es hinunter ins Tal. Es gab wieder Weideland. Viele Rehe (etwas größer als bei uns) waren zu sehen.

Das Stadtbild von Princeton ist wie die anderen durchfahrenen durch die flachdachigen Häuser im Westernstil geprägt. Dort quartierte ich mich in ein günstiges Motel mit Küche und Badewanne ein.

 

Mai 022012
 

16. Reisetag

608 km

 

Weiche diesmal bewusst vom Trail ab. Die Strecke wird als die schwierigste vom ganzen TCT bewertet. Wie es in der Beschreibung, kurz vor einem zu überquerenden Pass so schön heißt: „Die ersten 5 km dauern 3 h, gelten aber nur zum Aufwärmen für die nächsten 2 km bis zum 1418 m hohen Pass.“  Da passe ich und fahre die 55 km auf Straße und Highway.

Habe mir am Morgen Zeit gelassen, die Strecke ist nicht so weit und zum Mittag hin klart der Himmel eher auf. Auf kleinen Straßen die ersten 25 km zurückgelegt. Rundherum Wiesen, im Hintergrund die immer näher kommenden Schneeberge. Der diesmal wenig befahrene Highway führte mich dann direkt nach Hope. Alles ohne Steigung. Bei Sonnenschein und Regen. Die Temperaturen lagen zwischen 8 und 20 Grad.

Ich wundere mich über die hohen Hausnummern auf dem Land – heute über 50.000. Eventuell werden die Häuser hier straßenunabhängig erfasst?

Der Campingplatz in Hope sah öde aus, der kleine Ort war auch nicht besser. Als Besonderheit stehen hier viele Holzmonumente, meist mit Bären und Adler als Motiv. Auf der Rundfahrt durch den Ort wurde ich von einem Herrn angesprochen. (Leider verstand ich nur die Hälfe vom meist genuschelten, schnell gesprochenen Englisch. Die USA ist nicht weit entfernt.) Der wiederum rief jemandem an und ich bin privat in einem leeren Zimmer untergekommen. Ziehe dieses bei dem angesagten schlechten Wetter vor.

Von Hope aus sollte der Weg mich eigentlich für ca. 700 km auf der alten Kettle Valley Railway Trasse über Berg und Tal führen. Da die Schneegrenze in den letzten Tagen gefallen ist, werde ich die erste Bergkette streichen müssen. Bei Schnee einen schwer befahrbaren Feldweg alleine in der Wildnis auf 1150 m Höhe zu radeln, ohne Ausweichmöglichkeit auf eine Straße ist doch zu viel Abenteuer. Schade. So bleibt mir wieder der Highway. Dieser steigt aber auch über einem Doppelpass, der höhere über 1300 m, ganz schön an. An dieser Bergkette, die sich von Nord nach Süd zieht regnet es sich im Westen (daher komme ich) ab. Auf der anderen Seite ist besseres Wetter angesagt.

Heute in Hope geblieben und den Kettle Valley Trail angeradelt. Dieser führte mich eingezwängt zwischen steilen Schluchtwänden durch vier Tunnel (die Othello Tunnel). Unten braust der wilde Fluss. Eine technische Meisterleistung vom damaligen Konstrukteur Mc Culloch (1915) in diesem unwegsamen Gelände. Die Schlucht war einst auch Filmkulisse für den ersten Rambofilm.

Apr 302012
 

14. Reisetag

518 km

 

Das Frühstück im Hotel war zum Styroporgeschirr passend. Es gab aber wenigstens etwas zu Essen. Die Wettervorhersage war zum Glück zu pessimistisch gewesen. Es ist bewölkt aber trocken. Für die nächsten Tage sieht es eher nass aus.

Wie gut hatte ich es in Vancouver mit dem vielseitigen Angeboten. Die Stadt Maple Ridge ist eher öde. Bin froh wieder auf dem Fahrrad zu sitzen und den Ort zu verlassen. Ganz so einfach war es dann doch nicht. Die Fähre, die mich über den Fraser River bringen sollte (im Reiseführer noch beschrieben) gibt es nicht mehr. Das Areal war abgesperrt und stand zum Verkauf an. Die nächste Brücke liegt 20 km entfernt – in meine Reiserichtung. Also hin zum vierspurigen Highway entlang am Fluss mit breiten Seitenstreifen für die Radfahrer. Am Ufer Sägewerke und Stationen an denen Holz aus dem Wasser geholt wird. Ich liebe den Geruch nach frischem Holz. Die Fahrt ging zügig, bis ich wieder den TCT auf der anderen Flussseite erreichte. Der Flussdamm war frisch geschottert. Dieser leider aber noch nicht sehr fest. Die Landschaft ist flach, Wiesen mit Rinder und sehr viel Canberry-Pflanzungen (johannesbeerähnliche Sträucher), die auch am Sonntag gespritzt wurden. Am nahem Horizont taucht eine Bergkette auf, die ich am Rande zu überqueren hatte. Einen Weg am Fluss lang gab es nicht. Der Trail verließ die Straße (hatte vorher auf dem GPS gescheckt – die Straße führte diesmal noch höher den Berg hinauf). Ich schob das Rad 60 m steil in die Höhe, die restlichen 80 Höhenmeter konnte ich erradeln, in einem schönen Urwaldumfeld. Dann ging es wieder steil bergab in das flache Farmland. Auf Flussdämmen und direkt am schnellfließenden Vedder River entlang fuhr ich in die Stadt Chilliwack. Hatte mich am Abend vorher im Internet schon über eine annehmbare Unterkunft informiert. Ein Zeltplatz liegt viel zu weit stadtauswärts und nicht in meine Richtung. Unterkünfte, auch Bett und Breakfast, sind sehr teuer hier.

Der Montag ist ein Regentag, wie im Wetterbericht angekündigt. Bleibe einfach hier, schlafe aus, wasche ein wenig und hoffe auf ein (eher unwahrscheinliches) morgiges besseres Wetter.
Downtown (Innenstadt) besteht aus meist eingeschossigen flachdachigen Geschäftshäusern ohne Scharm. Im Hintergrund kann ich bei aufreißenden Wolken die Schneeberge erkennen. Das Umfeld besteht wieder aus den typischen Einfamilienhaussiedlungen in Holzbauweise. In einer kurzen Regenpause gehe ich Lebensmittel einkaufen. Finde aber nur einen riesigen Supermarkt, wie es in Bonn keinen gibt. Kassen zum Teil mit selber abkassieren. Das spart  – demnächst wohl auch bei uns – die KassiererInnen ein.