Jun 112012
 

55. Reisetag

2394 km

 

Etwas Wehmut kommt auf. Ich verlasse die Rocky Mountains. Noch intensiver die Natur zu sehen, zu erleben ist kaum möglich. War es der Höhepunkt meiner Reise oder nur einer?

In den Wilderness Hostels hatte ich am Abend Gesellschaft. Diese werde ich in der nächsten Zeit nicht haben. Ich verlasse eine beliebte Reiseroute.

Die Wolken hingen am Morgen tief unter den Bergen. Ich fuhr los. Es regnet viel an diesem Tag. Die Straße folgte dem Athabaska River, der weit über die Ufer getreten war. So verließ ich die Rocky Mountains. Immer mal ein Blick zurückwerfend.
Viele Seen waren zu sehen, manche hatten trotz des Regens ihre Türkisfarbe erhalten.

80 km weiter in Hilton ist die Einfahrtsstraße wie fast in jeder Stadt. Motels, Tankstellen und große Verkaufshäuser. Der Stadtkern ist schwer auszumachen. Ich übernachtete in einem Motel.
In Hilton gibt es ein Bibergebiet. Da wollte ich hin, um den Biber zu sehen.
Der Biber wurde mir vor ca. 30 Jahren als Namenstier zugeordnet.
Er baut seine Burg in einem Teich aus einem Haufen Holz und Lehm. Der Eingang ist unter Wasser. Der Teich ist von ihm gestaut, damit der Eingang immer unter Wasser bleibt. Als Vegetarier ist er gerne Blätter von jungen Bäumen. Aktiv ist er am Abend und Morgen.
Abends besuchte ich ihn. Er war anwesend.

Am Morgen schien die Sonne. Ein Blick zurück zeigte noch einmal am Horizont die Schneeberge. Der Wind stand günstig. Ich kam auf dem breiten Highway mit wenig Verkehr schnell voran. Die Landschaft war abwechslungsarm: Wald.
Der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage nur Regen vorausgesagt. Ich entschied, bei der nächsten Möglichkeit die Bahn zur Weiterfahrt nach Osten zu nehmen. Im Ort Edson angekommen fand ich auch den Bahnhof. Alles war zu, Güterwagen standen herum. Neben dem Bahnhof war eine Tagesstätte, da fragte ich nach. Die Hilfsbereitschaft war groß. Für mich wurde telefoniert und reserviert. Der Zug kommt am Abend und wird für mich halten.

Bin noch einmal um die Ecke zum Bahnhof gegangen um zu sehen wie man an die Gleise kommt. Ein Bahnarbeiter sagte mir, er hätte noch nie einen Personenzug hier halten gesehen.

Den Nachmittag konnte ich in der Tagesstätte verbringen. Der Ort bot nichts, was ich hätte sehen mögen. Ich wurde von der Mitarbeiterin nach Hause zum Abendessen eingeladen. Die Zeit bis zur Zugankunft war interessant überbrückt.

Der Zug hielt um 20 Uhr. Mein Fahrrad kam in den Gepäckwagen. Ich nicht weit entfernt auf einen Sitz. Die Zugfahrt war von mir eingeplant gewesen, nur 200 km später in der Stadt Edmonton. Am nächsten Tag werde ich wohl 1000 km weiter im Osten ankommen, in der Provinz Saskatchewan. Mitten in der Prärie.

Die Überlandstrecken der Bahn sind in Kanada eingleisig mit Ausweichsabschnitten für den Gegenverkehr. Entsprechend häufig muss auf den Gegenzug gewartet werden. Die Güterzüge dominieren. Bis zu fünf Diesellokomotiven ziehen die kilometerlangen Waggonreihen. Container sind übereinander gestapelt. Oberleitungen gibt es nicht.

Jun 092012
 

53. Reisetag

2234 km

20.078 Höhenmeter

 

Manchmal nicht breiter als einen Meter. Vom Gebüsch, Geröll und umgekippten Bäumen fast verdeckt. Ich hätte herüberspringen können. Tief hatte sich der Maligne River in den Kalkstein eingegraben. Mit Wasserfällen und gurgelnden Schlünden. Der feine immerwährende Nebel ließ an den Hängen farbenprächtige Moose und Flechten wachsen.
Der Canyon ist für die Touristen erschlossen. Mit Brücken und abgesicherten Wegen.

Von Jasper kommend durchwanderte ich ihn am Nachmittag. Der Fluss führte viel Wasser. Zusätzlich mündeten reißende unterirdische Bäche aus dem Kalkgebirge nach dem starken Regen der letzten Tage in den Canyon.

Auf 1750 m Höhe liegt der Maligne Lake. Türkisgrün, umgeben von Wald, Schneebergen und Gletschern. Hier entspringt der Maligne River. 40 km weiter unten im Tal hat er sich seinen Canyon geschaffen.

Ich wurde von Christina, die ich häufig auf der Nordroute durch die Nationalparks getroffen hatte, am nächsten Morgen mit dem Auto mitgenommen. Muss so bei unbeständigem Wetter keine 80 km Fahrrad fahren und 600 Höhenmeter bewältigen. Wanderwege entlang des Sees gibt es kaum. Wir waren mit einem Schiff auf dem langgezogenen See unterwegs gewesen, um das andere Ende mit den Schnee- und Gletscherbergen näher sehen zu können.

Seit Tagen bewege ich mich im riesigen Nationalparkgebiet. Habe bereits eine Strecke von 500 km darin zurückgelegt. Mit Ausnahme des Ortes Jasper und einigen Touristenunterkünften zersiedeln keine privaten Häuser die Landschaft. Es gibt weder Holzwirtschaft, Steinbrüche noch Staudämme. Nur die Straße durchquert das Gebiet.

Der Nachmittag endete mit Regen. Am Abend schlich ein Schwarzbär um das Hostel. Ich stand an der Tür (innen), da lief er in 1 m Entfernung vorbei. Beide waren erschrocken. Das Plumsklo ist außerhalb, der Schlafraum auch. Beim Gang durch die dunkle Nacht sah ich viele Schatten, die sich im Schein der Taschenlampe bewegten. Es war ein wenig unheimlich.

Die Weiterfahrt am Samstag verschob ich wegen des Dauerregens. Ich fuhr in die 10 km entfernte Stadt Jasper ins Hallenbad mit Dusche und Sauna. Eine Waschalternative zu den Wilderness Hostels ohne fließend Wasser.
Um den letzten Blog ins Internet zu stellen musste ich in einer Bäckerei drei Stück Kuchen essen. Pro Stück erhielt ich 20 Minuten Zugang zum Internet.

 

Jun 072012
 

51. Reisetag

2205 km

 

Es ist eine Traumstraße. Sie führte mich über 230 km durch das Panorama einer beeindruckenden Bergwelt. Bei Sonnenschein und Regen.

Verkehr und Menschenmassen hielten sich in Grenzen. Es war Nebensaison.
Meine Unterkunft fand ich in vier Wilderness Hostels, ohne fließend Wasser und Strom.
Hatte am Abend meist Gesellschaft. Freute mich aber auch am Morgen wieder alleine weiterzuradeln.
Der in vielen Beschreibungen angekündigte heftige NW-Wind blies zu meinem Glück nur mäßig und behinderte mich kaum.

Kaum verließ ich am Sonntag Lake Louise lief vor mir ein Schwarzbär über die Straße und graste am Hang. Ich wechselte die Straßenseite. Diesmal war es nicht so unheimlich, die Straße war breit und der Wald nicht so düster und dicht.
Umgeben von schroffen Schneebergen ging es bergauf. Für diese Traumstraße nehme ich mir Zeit. Die Tagesetappe bis zum nächsten Hostel war nur 30 km. Mittags angekommen packte ich mein Bärenspräy ein und suchte einen Pfad zum Wandern. Ich mag beim Waldspaziergang die Moose und Flechten, die neben dem Weg den Boden bedeckten. Es ist wie über einen weichen Teppich zu laufen. Leider endete dieser Weg im Schnee bei ca. 2000 m Höhe. Ein anderer Versuch führte mich am Creek entlang zu einem Wasserfall. Ein plötzliches Donnern erschreckte mich. Am Hang gegenüber ging ein Schneerutsch ins Tal.

Die Hostel füllte sich. Ich traf Christina von Hostel Castle Mountain wieder. Sie lud mich zum Essen ein. Eine gute Alternative zum Instanttütenessen.
Am Abend konnten wir die Sauna anheizen. Hinterher fühlte ich mich gut erfrischt. Besonders nach dem Eintauchen in das eiskalten Flusswasser (siehe Flussbild mit Schnee).

In der Küche gibt es einen Wasserhahn aus einem Behälter mit Trinkwasser. Der Abfluss befindet sich abseits in einer Spüle. Am Morgen wurde hier gefrühstückt, die Zähne geputzt, eine Gruppe junger Japanerinnen schminkte sich für die Wanderung.

Bei Sonnenschein machte ich mich nach dem Frühstück auf den Weg. Die Kulisse war umwerfend. Die gigantischen Schneeberge rundherum, einige Seen im Tal sind noch zugefroren. Der erste Pass mit 2060 m ist problemlos mit langsamer Steigung erreicht. Eine Abzweigung führte zum Viewpoint über den Lake Peyto. Er liegt türkisblau unten im Tal, umgeben von schroffen Bergen und Wald. Die Schönheit der Sicht kann ich nicht in Worte fassen.

Nach dem Pass ging es rasant bergab. Das Hostel Rampert Creek erreichte ich am Nachmittag. Trank mit dem Herbergsvater einen Kaffee. Mit dem Rad ankommen macht immer einen guten Eindruck. Er gab mir wichtige Hinweise für meine Weiterfahrt.

Die ersten Moskitos tauchten auf. Am Abend konnte ich mich wieder durch einen Saunagang und kurzem Eintauchen im Fluss erfrischen.

Der heftige nächtliche Regen hörte nach dem Frühstück am Dienstag auf. Über Tag schaffte es die Sonne sich ab und zu gegen die Wolken durchzusetzten. Das Bergpanorama ist gigantisch wie am Tag vorher. Beim Pass ging es steil auf 2050 m hoch und im stetigen auf und ab wieder herunter. Die Straße führte an den berühmten Columbia Icefields vorbei. Dort konnte man mit speziellen Bussen über den Gletscher fahren. Der Gletscher hatte sich im Laufe der Jahrzehnte bereits weit zurückgezogen und vor sich ein breites Geröllfeld hinterlassen. Ich war einfach vorbeigeradelt. Hatte vorher deutlich eindrucksvollere Landschaften gesehen. Eine Herde Bighornschafe lief an einem Steilhang entlang. Beeindruckend, wie die Tiere dort Halt finden.

Einsetzender Regen beendete den Tag und setzte sich am Mittwoch fort.
Die Schneeberge zogen ihren Wolkenvorhang zu. Überall aus dem Wald floss das Wasser. Die Flüsse überschwemmten die Randbereiche. Sie hatten ihre klare Türkisfarbe gegen trübe Ockerfarbe getauscht. Es war ein Radeltag mit begrenzter Sicht und viel Regen. Meine Regensachen hielten mich trocken.
Am Nachmittag kam ich im Hostel Athabaska Fall an. Im großen Aufenthaltsraum brannte ein Kaminfeuer. Es war gemütlich warm.

Das Bergwetter wechselte schnell. Am Donnerstag schien die Sonne. Die Schneeberge zeigten sich wieder. Ein leichter Schleier von Neuschnee zog sich am Hang herunter.

Neben der Straße floss der angeschwollene Athabaska Fluss. Die Wassermassen stürzen sich in die Tiefe eines Canyons. Er ist der längste Fluss Kanadas, der Richtung Norden in den Arktischen Ozean fließt.
Ein Schwarzbär kreuzt die Straße. Es ist nicht mehr aufregend für mich.

Die Sicht auf die Schneeberge begleitete mich bis nach Jasper. Hier endet der Icefields Parkway.

 

 

Jun 022012
 

46. Reisetag

1960 km

 

Einfacher als gedacht war der Einstieg in die Rocky Mountains gewesen.
Viele Tourenabschnitte vorher waren bedeutend anstrengender.

Die namensgebenden Castle Mountains für den Ort meiner letzten Nacht liegen am Morgen in den Wolken. Es nieselte fein. Auf einer ruhigen Nebenstraße fuhr ich durch den Wald Richtung Lake Louise.

Zwei Hirschkühe überquerten den Weg. Sie waren wohl durch mein Fahrrad so irritiert, dass sie gleich wieder zurückliefen. Wenig später trottete vor mir ein Schwarzbär über die Straße. Er blieb am Straßenrand stehen und graste. Ich nahm mein Bärenspray in die Hand und nutzte meine Fahrradklingel. Der Bär spitzte die Ohren und verschwand. Vorsichtig setzte ich meine Fahrt fort. Es sind so Momente in denen alle möglichen Gefühle aufkommen. Anspannung, Unsicherheit, etwas unheimlich wird mir, aber auch Freude solche Erlebnisse haben zu können. Bei der Weiterfahrt achtete ich besonders auf den Straßenrand, um nicht unvermutet zwischen Bärenbaby auf der einen und Bärenmama auf der anderen Seite zu geraten.

Nach 2 h Fahrt kam ich im Ort Lake Louise an. Hier beginnt die Traumstraße der Kanadatouristen, der Icefields Parkway. Jeder Kanadareisende wird versuchen diese Straße zu fahren. Endsprechend voll ist es überall. Obwohl auf der kommenden Strecke viele Menschen unterwegs sind, muss ich hier meine Lebensmittel für die nächsten 230 km einkaufen. Es gibt keine weiteren Orte und Läden. Nur Hotels, Campingplätze und einige Jugendherbergen, in denen ich übernachten werde. Die Nachttemperaturen sind um die 0 Grad. Im Zelt ist es mir zu kalt und es regnet sehr häufig.
Die hiesige Jugendherberge ist mit einem Café und Internetzugang gut ausgestattet. Jugendherbergen bieten sonst keine Verpflegungsmöglichkeiten an.

Am Freitag machte ich einen Abstecher in die Berge zum Moraine Lake. Ohne Gepäck fährt es sich leicht, auch wenn es 500 m Höhenunterschied sind.
Ein huhnartiger Vogel – oder war es sogar ein echtes Huhn – lief vor mir über den Weg. Als es mich wahrnahm flog es auf einen Baum.
Der See war noch halb zugefroren, der Wasserstand niedrig. Die Schneeschmelze hat hier oben auf 2000 m noch nicht richtig begonnen.

Am Samstag ging mein Weg auf einer alten Trambahntrasse mit mäßiger Steigung hoch zum Lake Louise. Ich begegnete niemandem. Am Ziel angekommen waren riesige Parkplätze mit Blechkarossen und ein Betonklotz als Hotel, aber noch kein See zu sehen. Augen zu und daran vorbei. Hinter den Bäumen tauchte er auf. Die Aussicht war sagenhaft. Der smaragdgrüne See liegt zu Füßen gigantischer Felswände und Schneeberge. Er ist halb mit Eis bedeckt. Ein leichter Nieselregen begleitete mich auf dem Weg halb um den See. Die andere Seite ist nicht passierbar. Immer wieder hörte ich das Donnern einer Lawine im umliegenden Gebirge. Die Berge spiegelten sich im Wasser und Eis. Die Sonne kam kurz durch, danach goss es wieder kräftig.

Ich werde in der nächsten Woche von der digitalen Welt abgeschnitten reisen.