1960 km
Einfacher als gedacht war der Einstieg in die Rocky Mountains gewesen.
Viele Tourenabschnitte vorher waren bedeutend anstrengender.
Die namensgebenden Castle Mountains für den Ort meiner letzten Nacht liegen am Morgen in den Wolken. Es nieselte fein. Auf einer ruhigen Nebenstraße fuhr ich durch den Wald Richtung Lake Louise.
Zwei Hirschkühe überquerten den Weg. Sie waren wohl durch mein Fahrrad so irritiert, dass sie gleich wieder zurückliefen. Wenig später trottete vor mir ein Schwarzbär über die Straße. Er blieb am Straßenrand stehen und graste. Ich nahm mein Bärenspray in die Hand und nutzte meine Fahrradklingel. Der Bär spitzte die Ohren und verschwand. Vorsichtig setzte ich meine Fahrt fort. Es sind so Momente in denen alle möglichen Gefühle aufkommen. Anspannung, Unsicherheit, etwas unheimlich wird mir, aber auch Freude solche Erlebnisse haben zu können. Bei der Weiterfahrt achtete ich besonders auf den Straßenrand, um nicht unvermutet zwischen Bärenbaby auf der einen und Bärenmama auf der anderen Seite zu geraten.
Nach 2 h Fahrt kam ich im Ort Lake Louise an. Hier beginnt die Traumstraße der Kanadatouristen, der Icefields Parkway. Jeder Kanadareisende wird versuchen diese Straße zu fahren. Endsprechend voll ist es überall. Obwohl auf der kommenden Strecke viele Menschen unterwegs sind, muss ich hier meine Lebensmittel für die nächsten 230 km einkaufen. Es gibt keine weiteren Orte und Läden. Nur Hotels, Campingplätze und einige Jugendherbergen, in denen ich übernachten werde. Die Nachttemperaturen sind um die 0 Grad. Im Zelt ist es mir zu kalt und es regnet sehr häufig.
Die hiesige Jugendherberge ist mit einem Café und Internetzugang gut ausgestattet. Jugendherbergen bieten sonst keine Verpflegungsmöglichkeiten an.
Am Freitag machte ich einen Abstecher in die Berge zum Moraine Lake. Ohne Gepäck fährt es sich leicht, auch wenn es 500 m Höhenunterschied sind.
Ein huhnartiger Vogel – oder war es sogar ein echtes Huhn – lief vor mir über den Weg. Als es mich wahrnahm flog es auf einen Baum.
Der See war noch halb zugefroren, der Wasserstand niedrig. Die Schneeschmelze hat hier oben auf 2000 m noch nicht richtig begonnen.
Am Samstag ging mein Weg auf einer alten Trambahntrasse mit mäßiger Steigung hoch zum Lake Louise. Ich begegnete niemandem. Am Ziel angekommen waren riesige Parkplätze mit Blechkarossen und ein Betonklotz als Hotel, aber noch kein See zu sehen. Augen zu und daran vorbei. Hinter den Bäumen tauchte er auf. Die Aussicht war sagenhaft. Der smaragdgrüne See liegt zu Füßen gigantischer Felswände und Schneeberge. Er ist halb mit Eis bedeckt. Ein leichter Nieselregen begleitete mich auf dem Weg halb um den See. Die andere Seite ist nicht passierbar. Immer wieder hörte ich das Donnern einer Lawine im umliegenden Gebirge. Die Berge spiegelten sich im Wasser und Eis. Die Sonne kam kurz durch, danach goss es wieder kräftig.
Ich werde in der nächsten Woche von der digitalen Welt abgeschnitten reisen.
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