Sep 202012
 

156. Reisetag

9238 km

 

Bin zu früh dran. Den Indian Summer werde ich in Kanada nicht erleben. Das volle Grün der Blätter verschwindet langsam, die Rotfärbung der Ahornblätter ist aber erst Mitte Oktober zu erwarten. Vereinzelt wandelte ein Bäumlein wenigstens ein Teil seiner Blätter ins satte Rot.

Bin schon etwas in Aufbruchstimmung. Sauge noch einmal das Umfeld in mich hinein. Die kärglichen Nadelbäumen, die in den Senken durch Stauwasser nicht überleben konnten. Ihre Gerippe ragen in den Himmel. Die Sumpfflächen mit Wollgras, Torfmoos und einer roten sprossenähnlichen Pflanze. (Konnte wegen des Wassers nicht näher herankommen.) Die Seen mit ihrem dunklen Wasser in unterschiedlichster Ausdehnung. Die durch Eisen braungefärbten Flüsse und Bäche.
Genieße die mit Büschen und Gras bewachsenen feuchten Ebenen mit der Weitsicht. Die schroffen Küstenabschnitte mit Felsgestein, vielen Buchten und vorgelagerten Inseln. Die frische Prise des des Atlantics. Nur noch wenige Tage werde ich alles erleben können. Da kommt schon ein wenig Wehmut auf.

Der Wind versucht mich länger im Lande zu halten und weht kräftig gegen mich. Ich halte dagegen.

Bei Sonnenschein fuhr ich zwei Tage auf der wenig befahrenen Küstenstraße. Auf einer stündlich fahrenden Fähre war mein Rad das einzige Fahrzeug. Mit dem Fährmann hielt ich einen Plausch über Deutschland. Im letzten Jahr war er dort gewesen.

Eine kleine grüne Schlange wärmt sich auf dem Asphalt.
Ein Kunstwerk ragt am Wegesrand in einsamer Landschaft in den Himmel.

In einer Radelpause schaute ich mir die Bilder der dort liegenden Schachteln der Raucher an. Hatte diese nie weiter beachtet. Die Zigarettenindustrie lässt sich einiges Einfallen zur Produktaufklärung. Immer zweisprachig. Für Entwöhnungsgruppen könnte daraus ein schönes Quartett erstellt werden.

 

Am Abend wollte ich meine Wasserflaschen auffüllen lassen für die Übernachtung irgendwo. Es war nicht einfach ein Haus zu finden, mit einer Person davor. Viele Häuser sahen unbewohnt aus. Hatte Glück. Ein älterer Herr lud mich ein die Nacht in seinem Haus zu verbringen. Er war an diesem Tag 80 geworden, gefeiert hatte er bereits einige Tage vorher. Er lebte hier alleine mit Blick auf eine Bucht neben seinem alten Elternhaus.

Am nächsten Tag erreichten ich Sherbrooke, ein etwas „größerer“ Ort mit Laden, Campingplatz und Museumsdorf. Da für den kommenden Tag ausgiebiger Regen angekündigt war mietete ich mir eine Cabin (Zimmer mit Küchenzeile) am Campingplatz.
Das war gut, es regnete den ganzen nächsten Tag. Besuchte am Regentag das Museumsdorf mit dem Leben vor 100 bis 200 Jahren. Alte Handwerkerkünste wurden demonstriert. Es gab ein mit Wasser betriebenes Sägewerk in Produktion.

 

Am Vorabend hatte ich im Ort gegessen. Das Essen war so schlecht, dass ich an diesem Tag mir ein Fertiggericht selber kochte.
Beim Einkaufen möchte ich eigentlich wissen, was die Ware kostet. Der Preis war (nicht nur hier) gar nicht angegeben oder falsch. Auch in den großen Läden. Es störte wohl nur mich.

Den Kanadier hatte ich eher als geduldig (oder leidensfähig?) wahrgenommen. Beschwerden hörte ich nie. Z.B. wenn zwei entgegenkommende Autos auf der Straße anhalten und die Fahrer sich unterhalten wird nicht gehupt um vorbeizukommen. Es wird gewartet bis die Weiterfahrt möglich ist.

 

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