24.266 km
Schlechte Startbedingungen. In einer Regenpause schwinge ich mich aufs Rad. Es ist die einzige an diesem Tag. Bei schwachem Regen fahre ich, wird er stärker stelle ich mich unter. So komme ich pitschnass im 20 km entfernten Waldkloster Pa Auk an. Suche etwas länger nach der Rezeption für männliche Besucher. Diese ist oben am Hang, die Frauen sind weit entfernt unten am Hang untergebracht – auch zur Meditation. Den diensthabenden Mönch störe ich beim Mittagsschlaf. Etwas unwirsch und sprachlich schwer verständlich fragt er mich nach meinen Meditationserfahrungen – kaum. Er erklärt mir die Regeln und Gebote des Klosters. Das erste Gebot. „Du sollst nicht Töten“ – das gilt auch für die Moskitos, die es hier reichlich gibt und endet bei einem „Du sollst nicht in einem weichen kuscheligen Bett schlafen“. Für letzteres ist gesorgt. Die Betten bestehen aus einem Holzbrett mit einer dünnen Matte darauf. Meines steht in einem Sechs-Bett-Zimmer. Als ständige Mitbewohner habe ich zwei Chinesen, die kein Wort englisch sprechen. Zwei weitere verschwinden am nächsten Tag, am fünften Tag kommt ein Japaner dazu.
Der Klostertag beginnt morgens um 3.30 Uhr mit der ersten Meditation und endet mit der fünften am Abend – jeweils 1,5 Stunden. Um 6.30 Uhr gib es Frühstück, um 10.45 Uhr Mittagessen, als letzte Mahlzeit am Tag.
Ein Gong weckt mich am Morgen. Mein erster Meditationstag beginnt. Wir Meditierenden, vorwiegend Mönche und einige Besucher, sitzen in einer großen Halle. Jeder hat ein Mückennetz in Form einer großen Käseglocke über sich stülpt. Es ist noch dunkel. Keiner kann sehen, wie ich versuche mich in eine günstige Sitzposition zu bringen. Den Meditationssitz beherrsche ich nicht. Für einige Zeit sitze ich ruhig, doch schon bald machen sich Spannungen und Schmerz bemerkbar. Ich wechsele in eine Hockposition und wieder zurück, versuche aufrecht zu sitzen. Meine Konzentration ist weniger aufs Atmen, mehr auf den richtigen Sitz gerichtet. Eineinhalb Stunden sind höllisch lang. Kein Gong beendet die Session, sondern eine allgemeine Unruhe in der großen Halle. Die Moskitoglocke wird zur Seite gelegt und steifbeinig stehe ich auf. In einer Stunde gibt es Frühstück, Nudeln mit Gemüse, dazu eine Tasse süßen Milchtee. Die weiteren Meditationssitzungen in den nächsten Tagen sind nicht weniger anstrengend.
Bewundernd sehe ich auf den regungslos vor mir sitzenden Mönch. Gerne würde ich wissen, was in seinem Kopf vor sich geht.
Um die aufkommenden Gedanken zu verdrängen, zähle ich meine Atemzüge, beobachte und konzentriere mich ganz auf ihn. Es fängt irgendwo an zu jucken, ein Mückenstich schreit nach Behandlung. Bleibe tapfer, zähle weiter, der Juckreiz wird weniger und kehrt zurück, ich kratze. Gedanken kann ich schwer verhindern. Sie kommen auf und wandern durch mein Leben. Ich werde auf sie aufmerksam indem ich merke dass ich nicht aufmerksam bin. Eine unendliche Wiederholung in den vielen Stunden der Meditation.
Das Umfeld ist ebenfalls nicht einfach. Es regnet fast ununterbrochen bei hohen Temperaturen. Selbst beim Gehen unter dem Schirm läuft der Schweiß. Alles ist klamm, die Wäsche, das Handtuch werden nicht trocken. In meiner Tasche schimmeln Pass und Geldlederbeutel. Ich schlafe schlecht. Habe zu wenig Bewegung. Bin abends nicht müde und morgens in der Frühe nicht wach. Das Frühstücken streiche ich in den nächsten Tagen zugunsten eines zweiten Schlafes nach der Morgenmeditation. Mittagessen um 11 Uhr reicht für den Tag, verspüre am Abend kein Hungergefühl.
Beim Essen unterhalte ich mich mit einem deutschsprechenden jungen Italiener, der ebenfalls nur für einen kurzen Besuch hier weilt. Er merkt Fortschritte bei seinen Meditationsübungen.
„Erfolgsmeldungen“ stelle ich bei meinen Übungen wenig fest. Ich beginne zwar die Meditationsstunde mit einem guten Gefühl. Ab der Mitte ist es mit der Konzentration vorbei und das Ende zieht sich. Tiefe Eindrücke hinterlässt so eine Sitzung bei mir nicht.
Sind meine Erwartungen zu hoch? Habe ich mich zu wenig auf die buddhistischen Riten im Umfeld eingelassen? Oder ist das Programm einfach zu hart für mich als Anfänger?
Auf einem Weg zum Mittagessen unterhalte ich mich mit einem Besucher aus Sri Lanka. Er kann sich nichts Schöneres vorstellen als jeden Tag zu meditieren und ist bereits über einem Monat hier. Ich hingegen zähle die sieben Tage meines Aufenthaltes. Was läuft bei mir anders?
Ich werde dem Klosteraufenthalt Zeit geben auf mich zu wirken.
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