Totenstädte.

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Dez 132015
 

DSC03042949. Reisetag

 

Prachtvolle Villen und massive oft zweistöckige Häuser, ausgestattet mit allem was ein Mensch sich wünscht: Küchenzeile, Badezimmer, Fernseher und Polstermöbel. Ich stehe auf dem chinesischen Friedhof in der Millionärsstraße.
In der Stadt der Toten ist es wie im richtigen Leben: Die Reichen bleiben am liebsten unter sich.

In so einem Grabhaus stehen die Sarkophage im zentralen Raum, direkt hinter dem Eingang. Der Mann liegt rechts, links die Frau. Dahinter hängen die Fotos der Verstorbenen. Fehlt das linke Foto, lebt die Frau noch. Vor dem linken Sarkophag steht dann ein rotes chinesisches Symbol. Eine umgekehrte Konstellation habe ich nicht gesehen. In einem Seitentrakt sind Küche, Bad etc. untergebracht.

Ich unterhalte mich mit einem Hausmeister, der für die Betreuung eines Grabes zuständig ist. Bei den großen Gräbern ist das die Regel.
Seit zehn Jahren kommt er täglich in der Frühe und geht erst am Abend. Wischt Staub, zündet Kerzen und Räucherstäbchen an, besorgt frische Blumen und hält den Grabhaushalt in Ordnung. Für seine Tätigkeit erhält er 8000 Pesos (160 €) im Monat und ist damit sehr zufrieden.
Mehrmals im Jahr kommen die Angehörigen. Chinesen glauben, dass Lebende und Tote eng verbunden sind. Ein wohlwollender Geist der Ahnen beschützt die Familie und gestaltet Dinge positiv. Durch Opfergaben, Sühne und Bittgebete stimmt man ihn günstig.

Das Grabhaus darf ich nicht betreten, das möchte sein (toter) Boss nicht. Auch gegen ein Foto von ihm hätte dieser etwas einzuwenden. Später beerdigt wird er nicht auf diesem Friedhof. Es ist ein Friedhof nur für Chinesen.

Neben den buddhistischen Symbolen sehe ich christliche Kreuze auf den Grabstätten. Seit der Kolonialzeit konvertierten viele Chinesen zum katholischen Glauben, denn die Philippinen sind katholisch.

Als Gegenstück zu den aufwändigen Grabbauten auf der Millionärsstraße befinden sich an der hohen Außenmauer des Friedhofs die schlichten Schubfachgräber von Toten, deren Familien weniger vermögend oder arm waren/sind. Vor manchen brennt ein Licht oder stehen Pflanzen. Papiergeld davor zeigt den Besuch eines Angehörigen an. Daneben klaffen Löcher von leeren, einst belegten Schubfächern.

Beidseitig der Straßen, die über den großen Friedhof führen, stehen dicht an dicht die Gräber. Von tristen Plattengrüften bis zum antiken Schmuckstück, aber auch viele Ruinen zerfallener Bauten. Eine Ordnung oder Friedhofspflege scheint es nicht zu geben.

Gewundert habe ich mich bereits auf dem chinesischen Friedhof. Eine Steigerung erlebe ich auf dem benachbarten Nordfriedhof, auf dem die Filipinos ihre letzte Stätte finden.

Ich bin nicht alleine unterwegs. Die Friedhofsstraßen sind belebt.
Zwischen den Toten wohnen die Lebendigen. Sie sind den Slums von Manila entkommen und haben hier ein besseres Zuhause gefunden. In, auf und zwischen den Gruften der Toten.

Von den Angehörigen der Verstorbenen sind sie geduldet oder gar erwünscht. Sie pflegen die Grabstätten und halten sie sauber.
Bei den täglich fast 20 Beerdigungen fällt für die Friedhofsmenschen Arbeit an, als Totengräber, Sargträger und Maurer für die Bauten. Die Grabinschriften müssen gemeißelt werden. Untereinander werden Dienstleistungen ausgetauscht. Es gibt kleine Läden und Motorradwerkstätten. Manche arbeiten außerhalb und wohnen nur hier. Strom ist meist vorhanden, Wasser und Toiletten sind ein Problem.

Es ist für mich ein ungewohnter Anblick, wenn auf den Grabplatten geschlafen oder Karten gespielt wird. Neben dem Kreuz die Baseballmütze und Jacke hängt und in der Grabkammer ein Fernseher läuft.
Den Toten ist es egal. Den Menschen, die hier wohnen macht es das Leben erträglicher.

Nicht alle Grabhäuser sind bewohnt. Wenn Angehörige sie ausreichend sichern, ist eine Besetzung eher ausgeschlossen.

Moloch Manila.

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Dez 122015
 

DSC03128948. Reisetag

 

Am Flughafen Manila erhalte ich den Stempel mit 30 Tage Aufenthalt in den Pass. Verlängern kann ich später im Lande. Nach dem (laut Internet notwendigen) Rückflugticket (ich hatte eins) fragte keiner.
Mein Rad packe ich nicht aus. Ich nehme ein Taxi zu meiner gebuchten Unterkunft. Der Fahrer kennt sich nicht aus. Es wären nur vier Kilometer gewesen, wir irren dafür lange durch verstopfte Straßen.
Das kleine Hotel liegt im Stadtteil Pasay. Rundherum meist ältere zweistöckige Häuser. Neubauten sehe ich keine. Auf den Straßen ein Durcheinander von Autos, Rikschas und Menschen. Der nachfolgende Film ist nicht weit von meiner Hoteltür entstanden.

Auf der Taxifahrt stelle ich bereits fest, das Leben tickt hier anders. Die geordneten malaiischen Verhältnisse wechseln zu einem (aus meiner Sicht) Chaos auf der Straße. Der Stau ist ungeordnet, die Autos stehen kreuz und quer. Wer irgend kann schiebt sich hinein und das funktioniert. Ohne hupen! Jeepneys, aufgemotzt wie Mini-Lastwagen nach amerikanischen Vorbild, beherrschen das Straßenbild. Sie sind der öffentliche Nahverkehr. Nur gebückt kommt man hinein. Gehalten und ausgestiegen wird nach Winkzeichen. Die einfache Fahrt kostet umgerechnet 16 Cent.
Da ich ihre Strecke nicht kenne, ist die Fahrt mit ihnen nicht einfach. Ich orientiere mich mittels digitaler Stadtkarte auf meinem gps-Gerät. Steige entsprechend aus und wechsele zum nächsten.

Metro-Manila hat ca. 20 Mill. Einwohner. Nur wenige davon leben im Wolkenkratzerzentrum Makati. In ihm laufe ich Kilometer lang durch Shopping-Malls, verbunden durch Brücken über die Straßen. Ich suche einen Philippinenreiseführer. In den Buchladen-Sortiments ist die ganze Welt zu finden, nur nicht das eigene Land. Werde aber fündig. Als willkommenes Nebenprodukt kaufe ich in einem gut bestücken Supermarkt Käse. Umdudelt werde ich von Gingle Bells. Alles ist weihnachtlich dekoriert. Viele gut angezogene Menschen sind unterwegs.

Mit dem Jeepney fahre ich zurück in das andere Manila. Nur ein Stadtteil weiter. In ihm ist das Leben geprägt durch harten Existenzkampf. Wer in einem festen Haus wohnt ist wohlhabend. Viele Menschen leben in Wellblechhütten, haben ihr Bett in einem einfachen kleinen Laden aufgestellt oder wohnen am Straßenrand z.B. in einer ausrangierten Fahrradrikscha. Die Wohnstube ist die Straße. Je entfernter vom Zentrum, desto extremer die Bedingungen. Von einer Brücke sehe ich das Leben der Menschen neben den Eisenbahnschienen – hoffnungslos. Laut Wikipedia lebt die Hälfte der Einwohner Groß-Manilas in Slums und die Stadt wächst täglich weiter.

Nach meiner Ankunft in Manila falle ich in einen energielosen Zustand. Ich weiß nicht weshalb. Ich komme nicht in Schwung und unternehme die ersten zwei Tage nur kleine Versorgungstouren. Der Gang durch die Malls und Reiseführerkauf war bereits ein Aufraffen.
Ich liege lieber auf dem Bett, lese Reiseberichte über die Philippinen und plane. Den Norden der Insel Luzon, auf der ich jetzt weile, werde ich trotz interessanter Ziele nicht besuchen. Die Strecken sind mir mit Höhen deutlich über 1000 m zu bergig. Außerdem muss ich zurück durch oder nahe an Manila vorbei. Richtung Süden ist es einfacher.

Meine Energie sammelt sich langsam, Sightseeing beginnt. Ich besuche die Altstadt Intramuros. Alt ist etwas übertrieben. Nur eine Kirche hat hier den 2. Weltkrieges überstanden. Manila war komplett zerstört. Zu Beginn des Krieges besiegten die Japaner die Kolonialmacht Amerika, am Ende umgekehrt.
Der Wiederaufbau im Intramuros-Viertel erfolgte nach historischen Vorbildern und ist nett für die Touristen anzuschauen. Entsprechend vielen begegne ich. Immer wieder muss ich die Rikschafahrer abwimmeln, die mir eine Rundtour anbieten. Meine Erkundungen mache ich lieber alleine, auch wenn ich dabei etwas verpasse. Das merke ich dann nicht einmal.

 

Selamat tinggal Malaysia.

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Dez 092015
 
DSC02927

Letztes Fischessen in Malaysia.

945. Reisetag

27.807 km

 

Mein linkes Handgelenk ist nach dem gestrigen Sturz geschwollen und mag keine Anstrengung oder Geschüttel. Fange deswegen den Tag langsam an. Es liegen die letzten 45 Kilometer auf Borneo vor mir. Kann diese auf relativ flacher und guter Straße, sogar mit Seitenstreifen, zurücklegen. Der Schmerz hält sich in Grenzen.

In der Ferne zeigt sich ein letztes Mal der Mount Kinabalu. Vorbei an den küstennahen Mangrovenwäldern dringe ich ein in die Vororte Kota Kinabalus, der Hauptstadt von Sabah.
Wie überall in Malaysia vergrößern sich die Städte. Um die Zentren entstehen neue Viertel, manche weit außerhalb auf der grünen Wiese. Sie sind fertig, aber leerstehend. Es sind keine Einzelhäuser, sondern große Investitionen. Ich frage mich, wo kommt das Kapital her und rentiert sich das? Ich weiß nur, dass die malaiische Währung sehr empfindlich auf eventuelle Zinserhöhung des Dollars reagiert. Das bedeutet vieles ist mit Kredit errichtet worden.

Im Zentrum finde ich eine passende Unterkunft. Am Nachmittag bummele ich durch die Stadt. Die Innenstadt ist eine ungeordnete Anhäufung von Hotels und Shopping-Malls. Die gehobenen Malls sind mit menschenleeren Läden bestückt. In denen einfachen Malls mit kleinen Verkaufsflächen und Gebrauchsgegenständen herrscht reger Betrieb.

Mein Abendessen nehme ich auf dem Nachtmarkt am Meeresufer ein. Der gegrillte Fisch schmeckt gut und hat erstaunlich wenig Gräten. Bier gibt es auf dem Nachtmarkt nicht. Ich trinke es später in einem chinesischen Restaurant. Es kostet nur die Hälfte des Ladenpreises und ist wohl Schmuggelware von den malaiischen zollfreien Inseln.

Am nächsten Tag erhalte ich in einem Radladen geeignete Kartons für die Fahrradverpackung für den Flug nach Manila und mache das Rad flugtauglich. Das Einchecken geht problemlos und schnell.

Der angesagte Besuch von Marie in Manila fällt leider aus. Sie benötigt mehr Zeit für ihre beruflichen Belange. Die Unwägbarkeiten des Abenteuers Philippinen spielen wohl auch eine Rolle. So werde ich weiterhin als Lonely Rider unterwegs sein. Schade.

Ca. 70 Tage bin ich durch das Land gefahren und habe gut 2000 Kilometer zurückgelegt. Malaysia ist kein Radfahrerland. Es herrscht einfach zu viel Verkehr. Die Überlandstraßen sind schmal und ohne Seitenstreifen. Geeignete Nebenstrecken gibt es kaum. Das Fahren ist damit anstrengend gewesen.

Ein gewisser Wohlstand im Land hat nicht nur die Zahl des Autos erhöht, sondern auch das Volumen der Menschen. Kein Wunder, denn in den Läden wird vor allem Junkfood angeboten.

In den Städten ist es ein merkwürdiges Durcheinander von Kleidung. Die chinesischen Frauen, besonders die jungen, tragen ihre knappen Shorts. Die muslimischen Frauen und Mädchen sind von oben bis unten eingehüllt in ihren Tüchern und Hosen.

Das Besondere in diesem Land sind wieder freundlichen Menschen, ob muslimisch oder chinesisch. Es gab keine Situation, in der ich ein ungutes Gefühl hatte. Ich fühlte mich immer sicher.

Beim Abflug lese ich in der Zeitung von einer Anzeige des Flughafens Kuala Lumpur. Es werden die Eigentümer dreier Jumbo-Jets gesucht, die bereits ein Jahr lang auf dem Gelände stehen. Malaysia gibt viele Rätsel auf.

Mount Kinabalu und ernsthafter Umfall.

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Dez 062015
 

DSC02824942. Reisetag

27.762 km

70 km Minibus

 

Die Weiterfahrt erfolgt durch das bergige Hinterland. Am Morgen hängen die Wolken. Etwas später setzt sich leider die Sonne durch und es wird heiß wie an den Vortagen. Um mich herum ein sattes Grün. Diesmal nicht nur von den Ölpalmen. Reisfelder in den Flussebenen, kleine Gemüsefelder und bewaldete Berghänge machen die Landschaft abwechslungsreich. Die flachen Passagen entlang der Flüsse zu durchradeln sind eine Freude, die Bergüberquerungen dagegen bissig. Serpentinen kennt man anscheinend nicht. Die Straße führt, wenn es irgend geht, gerade über den Berg. Bei Steigungen über 13 Grad und langen Abschnitten muss ich schieben. Der Versuch mich von einem der vielen vorbeifahrenden Pickups mitnehmen zu lassen scheitert. Die sonst immer freundlichen und interessierten Malaien halten nicht an.

Mittags am zweiten Tag bin ich es leid. Ich hatte bereits 50 Kilometer und 1000 Höhenmeter hinter mich gebracht und das Tagessoll wäre erfüllt gewesen. Die Aussicht für die nächsten zwei Tage: noch mehr Steigungen und höhere Berge.
Ich suche mir eine Transportmöglichkeit. Das Rad passt so gerade bei zurückgeklappter Bank in einem Minivan, der Fahrpreis vervierfacht sich dadurch. Die nächsten 80 Kilometer sind einfach zurückgelegt.

Ich steige auf 1600 m Höhe, am Eingang des Mount Kinabalu-Nationalparks aus. Der Mount Kinabalu, ein mächtiger Granitkegel, ist mit über 4000 Metern der höchste Berg Südostasiens. Bei meiner Ankunft am Nachmittag ist der Gipfel wolkenverhangen.

Viele Besucher besteigen diesen Berg in einer zwei Tagestour. Diesen Ehrgeiz habe ich nicht. Ich begnüge mich mit einer Wanderung am nächsten Morgen durch den Urwald am Hang und habe Glück. Beim Start ragt das gewaltige Bergmassiv in einen blauen Himmel. Jedoch nur für wenige Stunden. Bald ist der Gipfel in den aufkommenden Wolken verschwunden.
Ich marschiere durch dichten Dschungel auf teils steilen und schlüpfrigen Pfaden. An Wurzeln festhaltend überwinde ich abgerutschte Passagen, bewundere die dicken und verwachsenen Baumriesen. Selten ergibt sich ein freier Blick in ein Tal. Andere Wanderer treffe ich nicht.
Mittags ist mein Rundgang beendet. Ich fahre weiter mit der Vorstellung es kann nur noch bergab gehen, denn mein Zielort liegt auf Meereshöhe. So gradlinig geht es leider nicht hinunter. Immer wieder führen steile lange Strecken in die Höhe. Sie summieren sich auf nochmals 600 Höhenmeter.

Am Straßenrand dösen oft Hunde. Sie lassen sich auch nicht von dicht vorbeifahrenden Autos stören. Einer von ihnen stand plötzlich auf und begann seinen Weg über die Straße. Ich komme mit recht hoher Geschwindigkeit den Berg hinunter. Bremse noch bevor ich ihn mitseitig treffe. Der Hund beendet meine Fahrt schlagartig. Im Bogen fliege ich über die Lenkstange. Reflexartig fängt vor allem meine linke Hand den Stoß auf den Asphalt auf. Die linke Schulter ist ein wenig lädiert. Keine offenen Wunden, wenige Hautabschürfungen. Ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist. Ich kann es kaum fassen. Nachdem ich das Rad von der Straße gezogen habe setze ich mich erst einmal zur Beruhigung an den Straßenrand. Das Rad hat keinen Schaden genommen. Der Hund überlebte wohl, denn er ist verschwunden.
Etwas zitterig fahre ich langsam weiter. Das linke Handgelenk schmerzt bei jedem Ruckel. Nach 25 Kilometer, im nächstmöglichen Ort suche ich mir eine Unterkunft.