28.171 km
… so werde ich häufig vom Straßenrand aus gegrüßt. Jeder westlich aussehende Ausländer heißt nun mal Joe, auch wenn er kein Amerikaner oder ehemaliger GI ist.
Die „Weihnachtsinsel“ habe ich am Morgen mit dem Boot verlassen und bin wieder auf der Straße in vertrauter Umgebung.
Ein etwas ungewöhnlicher Abstecher führt mich zu einer Gefängnisfarm. Am Schlagbaum werde ich herzlich begrüßt und erhalte eine Banane. Auf guter Straße fahre ich durch Felder, die von „minimum“ und „medium“ Gefangenen bearbeitet werden. Zu erkennen sind sie an ihrem T-Shirt mit Aufdruck „Inmate“. Über Tag führen sie ein „relativ freies Arbeitsleben“, abends müssen sie in ihre Zellen zurück. Die schwereren Fälle sind in eingezäunten Bereichen untergebracht, die ich nicht betreten darf.
Die anfangs gute Hauptstraße wird auf langen Abschnitten zur Baustelle. Der Belag ist weg und durch Schotter ersetzt. Es wird holperig und staubig. Mein verschwitztes feuchtes Shirt nimmt langsam Straßenfarbe an.
Trotz schlechter Straße ist es ein erlebnisreiches Unterwegssein. Um mich herum scheint die Zeit stehen geblieben zu sein und könnte aus einem Gemälde von Breugel stammen. Nur anstatt Getreide wird Reis angebaut.
Auf den Feldern arbeiten viele Menschen. Die Holzpflüge werden von Büffel gezogen. Das ist keine Romantik sondern harte Arbeit.
Die Philippinen sind ein armes Land, heruntergewirtschaftet von vielen korrupten Politikern. Bereits in den Städten ist es mir aufgefallen. Es gibt kaum neue Häuser, nur alte in die Jahre gekommene und viele Hütten mit Blechdach. Die einzige Ausnahme ist das Makati-Geschäftsviertel in Manila.
Von den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die das Leben hätte einfacher machen können, ist auf den Philippinen wenig zu sehen.
Etwa 8 Millionen der 90 Mill. Filippinos arbeiten ständig im Ausland, darunter gut ausgebildete Fachkräfte, die der einheimischen Wirtschaft dann fehlen. Ihr Transfer von Geldern zurück ins Land beträgt fast 10 Prozent vom BIP.
Auf halber Strecke zur nächsten größeren Stadt nächtige ich in einem Resort mit dem schönen Namen Apo Reef Club, geleitet von Schweizern. Die Bungalows sind ausgebucht, es gibt noch Backpackerräume. Ich nehme ein Zimmer, ohne es mir genau anzuschauen. Es ist die bisher schlechteste Unterkunft in Südostasien, die ich hatte und dafür viel zu teuer. Schmutzig und mit verstopften Toiletten. Wo bleibt die Schweizer Pingeligkeit?
Am nächsten Tag erreiche ich die Hafenstadt San Jose. Von hier aus möchte ich mit einem Boot zur Inselgruppe Palawan fahren. Ein Montagsboot gibt es nicht. Ich bleibe also einen Tag länger als vorgesehen in dieser geschäftigen Stadt. Im Zentrum liegt die große Markthalle. Rundherum verstopft von den vielen Tricycle (Motorrad mit Beiwagen), die das Haupttransportmittel für Personen und Waren sind.
Am Dienstag um 7 Uhr, zwei Stunden vor der Abfahrt des Bootes bin ich am Hafen. Die Plätze auf dem Passagierboot sind bereits ausverkauft. Etwas später soll ein Frachtschiff fahren. Das Schiff liegt in einem anderen Hafenteil. Bei meiner Ankunft wird gerade der Motor zusammengebaut. An der Pier liegen Berge von Waren, darunter ein wachsender Stapel von Reissäcken, die von Arbeitern per Kopf von einem Lkw entladen werden. Wie soll das nur alles auf das mittelgroße Boot passen?
Alles kommt hinein. Die Waren werden von Hafenarbeitern wieder auf dem Kopf aufs Deck gebracht und von den Schiffsleuten in der gleichen Art zum richtigen Platz transportiert.
Fünf Stunden später werden die Leinen gelöst und der Anker eingeholt. Wir sind nur 8 Passagiere. Ich habe genügend Platz um eine Matte auszubreiten und darauf ein Mittagsschläfchen zu halten. Eine sehr angenehme sechsstündige Fahrt bei nur leichtem Schaukeln. Die Stadt Coron erreichen wir in der Dunkelheit. Ich hole meine Head-Taschenlampe heraus um auf der Fahrt vom Hafen in die nahegelegene Stadt den Schlaglöchern ausweichen zu können. Das normale Fahrradlicht hat sich schon lange verabschiedet.