382. Reisetag
382. Reisetag
13.028 km, 200 km Bus
Hamadan verlasse ich auf der vierspurigen Hauptstraße mit viel Verkehr. Es ist ein Fahren zum Vorwärtskommen, ohne besondere Ereignisse. Der ausdauernde südliche Wind macht es mir nicht leicht. An einer Station des iranischen Roten Halbmondes werde ich herzlich begrüßt, erhalte Tee und ein Orange. Etwas später stoppt mich ein Auto zum Fototermin. Mir wird wieder Geld angeboten. So ein Radnomadenleben ist für viele Iraner etwas ärmliches, etwa wie auf der Straße leben.
Nach 90 km, im Ort Malayer, wartet ein Radfahrer auf mich. Bereits einige Zeit vorher hat er mich vom Auto aus gesehen. Er hilft mir bei der Unterkunftssuche und anschließend etwas Vernünftiges zum Essen zu finden. Habe mir bereits vorher einige Gerichte aufschreiben lassen, die für mich schmackhaft sind und nicht nur aus Fleisch bestehen.
Am nächsten Morgen stürmt es. Laut Wetterbericht Windstärke 4 aus SW mit 60 km/h Böen. Für mich wäre es wie gegen Windmühlen kämpfen. Fahre deshalb mit dem Bus zwei Fahrradreisetag (200 km) weiter Richtung Isfahan.
Etwas außerhalb des Ortes Golpayan übernachte ich in einer 400 Jahre alten, komplett aus Lehm gebauten und restaurierten Karawanserei. Hatte davon in einem Blog in Internet gelesen. Bin überrascht wie schön es dort ist. Ein großer Innenhof ist umgeben von einer hohen Mauer mit Zimmer, Restaurant und Teestube. Die Managerin freut sich über ihren ersten Individualtouristen und führt mich herum und erklärt. Am Abend gibt es in der Teestube Live-Musik. Wir sitzen zusammen und unterhalten uns. Für mich ist es ein sehr anregender Abend.
Am nächsten Morgen komme ich in den ersten Stunden gut voran. Es geht kontinuierlich in die Höhe bis auf 2400 m. Für den Iran sehr ungewöhnlich, ich fahre auf einer verkehrsarmen Straße. Gegen Mittag holt mich der Wind wieder ein. Das Fahren wird anstrengend. Ich durchfahre ein breites unfruchtbares Tal. Ab und zu kreuzt eine Schafsherde meinen Weg. In einem kleinen Ort auf der Höhe werde ich vor einer Kaserne angehalten. Ein englischsprechender Offizier (?) weist mich höflich darauf hin, keine militärischen Anlagen in den Bergen zu fotografieren. Hatte auch keine vorher gesehen. Zeige meinem Pass, irgendetwas daraus wird notiert.
Aus einer kleinen Bankfiliale kommt ein netter Herr, begrüßt mich herzlich und lädt mich zum Tee ein. Tee mag ich fast immer trinken. Unsere Unterhaltung ist wegen knapper Englischkenntnisse sehr stockend. Ich verstehe aber, dass er mich gerne zur Übernachtung zu sich nach Hause einladen möchte. Ich lehne mehrfach ab, obwohl für den Abend keine Unterkunft in Sicht ist. Eine Einladung ist für mich sehr anstrengend. Ich bin müde vom Fahren, möchte meine Ruhe genießen und mich nicht um einen Gastgeber kümmern. Deshalb habe ich in den Orten keinen Kontakt zu Warm-Shower-Gastgeber aufgenommen. Weiß auf der anderen Seite, dass mir damit etwas entgeht.
Fahre also weiter, jetzt bergab. Die Straße ändert die Richtung und ich habe Rückenwind. Unten in einer Ebene halte ich in einem Dorf mit einer hohen Lehmmauer mit Türmen, vergleichbar mit der Karawanserei. Ich schaue durch den einzigen Eingang hinein. Drinnen stehen Häuser mit weiteren Mauern und verschlossenen Türen. Viel ist nicht zu sehen.
Interessant sind die alten Türen mit zwei Klopfer, links, ein Eisenstab für die Herren, rechts ein Eisenring für die Frauen. Also nicht zu verwechseln. Vom Klang her weiß man dann, wer kommt.
Meine Fahrt geht über die Ebene. Der Rückenwind treibt mich – fast ohne zu treten – mit 30 km/h voran. Die vorherige Anstrengung ist vergessen.
Am späten Nachmittag schaue ich mich nach einem Zeltplatz um. In der Ferne erspähe ich eine grüne Oase in der sonst trockenen baumlosen Gegend. In einer Niederung mit Feldern und Bäume biege ich in einen Feldweg ab. Ungesehen kann ich mich nicht niederlassen. Kaum halte ich an einem Aprikosenhain an, kommt ein Bauer auf mich zu. Habe das Glück, er spricht ein wenig Englisch. Er erklärt mir stolz, dass er früher bei der Airforce gearbeitet hat. Er bietet mir eine offene Hütte neben seinem Feld als Nachtlager an. Dankend nehme ich an, denn der Boden ist hart, voller Dornen und klettenhaften picksenden Pflanzensamen. In der Hütte baue ich mein Innenzelt auf. Alles wunderbar.
Seit langem mal wieder koche ich mir ein Abendessen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit verkrieche ich mich in das Innenzelt. Gefühlt wie mitten in der Nacht, habe wohl auch schon geschlafen, ein Mopedlärm und viel Licht. Mir wird ein Abendessen vorbeigebracht und wieder mitgenommen, da ich auch für Außenstehende bereits am Schlafen war.
Am nächsten Morgen mit dem ersten Sonnenschein werde ich vom Bauer begrüßt, danach aber in Ruhe gelassen. Schlafe noch ein wenig, bereite mein Müsli vor und trinke dazu Nescafe. Ein friedlicher Morgen beginnt. Irgendetwas ist anders mit mir. Beim Losfahren erlebe ich Glücksmomente und sauge die Natur um mich herum auf. Es ist eine Landschaft, wie ich sie liebe. Fahre durch eine karge Ebene mit steil aufragenden Bergen, ab und zu einige Bäume und grüne Flecken in einer Niederung. Solch eine Zufriedenheit spüre ich selten. Sie ist leider auch nicht beständig.
Nach 20 km erreiche ich eine Hauptstraße. Diesmal gibt es keinen asphaltierten Seitenstreifen. Mit ständigem Blick in den Rückspiegel auf überholende Lastwagen bleibt wenig Gespür für das Umfeld. Muss ab und zu auf den sandigen Streifen ausweichen. Es wird heiß, der Verkehr dichter, je näher ich der Großstadt Isfahan komme. Denke, ich bin fast am Ziel. Muss aber noch weitere 30 km durch Vororte zurücklegen um ins Zentrum zu gelangen.