396. Reisetag
396. Reisetag
13.148 km, 200 km Bus
Das Datum meines Abfahrttages: 1393/3/14. Der 14. Tag des 3. Monats des Jahres 1393. So wird auch z.B. die Haltbarkeit auf dem Jogurt angegeben.
Unterwegs habe ich viele Fototermine. Ein Auto hält an. Ich werde zusammen mit einem jungen Mann von zwei schönen jungen Frauen fotografiert. Danach möchte ich ein Foto von den beiden machen. Es geht nicht, weil der Mann es nicht will. Er ist mit einer verlobt/verheiratet. Vieles wird in diesem Lande unverständlich für mich bleiben.
Zwei Wochen habe ich nicht mehr auf dem Fahrrad gesessen. Freue mich auf die Weiterfahrt. Die ersten 200 km durch die Halbwüste lege ich mit dem Bus zurück. Bei der Fahrt zum 10 km außerhalb des Zentrums liegendem Busterminal bin ich erstaunt über den geringen Verkehr. Etwas später höre ich, dass an diesem Tag Khomenis Todestag ist, ein Feiertag. Am übernächsten Tag wäre Freitag, damit ist der Brückentag Donnerstag auch frei. Fast alle Läden sind geschlossen, auf dem Bau und in kleinen Handwerksbetrieben am Straßenrand wird gearbeitet.
Im Bus gibt es mehr Passagiere als Sitzplätze. Ich erhalte den Platz vorne, direkt neben dem Fahrer. Kann wunderbar hinausschauen, bekomme aber auch die Schrecken des Verkehrs mit. Das meternahe Auffahren ist das Unangenehmste.
In vielen Orten stehen auf dem Mittelstreifen Bildtafeln von den Gefallenen des grausamen Krieges Irak-Iran.
Der Bus fährt auf der Hauptstraße nach Shiraz. Ich steige mittags aus und nehme eine Nebenstraße dorthin. Es sind ca. 360 km. Es fühlt sich gut an wieder auf dem Fahrrad zu sitzen, anfangs. Mein ständiger Widersacher ist bereits da und er bläst zusehends kräftiger. Meine Geschwindigkeit reduziert sich teilweise auf Fußgängertempo. Im Ort Eqlid, nach nur 20 km, gebe ich das Weiterfahren auf und hoffe auf bessere Wetterbedingungen am nächsten Morgen. Habe Glück, im Ort gibt es ein einfaches Hotel. Draußen höre ich den Wind heulen.
Die Verständigung wird schwieriger. Englisch spricht kaum einer. Ich habe nicht herausbekommen ob und wann es am nächsten Tag Frühstück gibt. Die Bestellung des Abendessens mit meinem Gerichtezettel ist nicht einfach, da die Gerichte in lateinischer Schrift und nicht auf persisch angegeben sind. Beim Vorlesen wird meine Betonung kaum verstanden. Klappt aber trotzdem. Ich erhalte Reis mit Spinat-Bohnenmischung und ein paar Brocken Fleisch darin. Frühstück erhalte ich am nächsten Morgen nicht. Der Rezeptionist, der hinter dem Desk auch schläft, gibt mir von seinem dünnen Fladenbrot zusammen mit dem üblichen weißen Cremkäse etwas ab.
Es ist fast Windstill, und das ist gut. Fahre kontinuierlich in die Höhe. Auf meiner Karte ist ein Pass von 2750 m Höhe eingetragen. Habe das Glück 200 m tiefer durch einen neuen Tunnel fahren zu können und spare damit eine steile Auffahrt. Durchfahre nach der Abfahrt ein weizengrünes Tal. Überall höre ich das tuckern der Motorpumpen zur Bewässerung. Es gibt sehr viele davon. Wie lange das Grundwasser da wohl mithält. Dazwischen und in der Höhe liegen weite trockene Flächen, auf denen die Schafe und Ziegen weiden. Am späten Nachmittag, nach dem Überqueren einer weiteren trockenen Hügelkette, schaue ich mich nach einem etwas geschützten Schlafplatz um. Es ist nicht einfach in dieser Felderlandschaft. Überall wo Bäume oder Büsche stehen ist eine laute Pumpstation. An einem Pumphäuschen mit leisem elektrischen Antrieb unter zwei Bäumen schlage ich mein Zelt auf. Anfangs bin ich alleine, dann kommt ein Arbeiter von irgendwo her. Er wohnt im Pumphäuschen. Anschließend fährt ein Traktor vor, ein Auto und ein Moped. Alle fahren hinein in den kleinen Feldweg. Obwohl ich ohne zu fragen hier mein Lager aufgeschlagen habe, werde ich mit Freuden begrüßt. Sie verlassen nach einer Besprechung wieder das Pumphäuschen. Ich bin alleine und bereite mir mein Abendessen, Bulgur mit Zwiebeln, vor. Schaue in die Abenddämmerung. Es ist eine friedliche beruhigende Stimmung. Die spätere Einladung zu Wurst und Zwiebeln vom Arbeiter, er ist Afghane, lehne ich dankend ab. Habe das Gefühl, er ist ein wenig sauer darüber.
Verziehe mich mit der Dunkelheit ins Zelt. Ein stürmischer Wind kommt auf.