22.425 km
Nach den Hügeln kommen die Berge. Ich sehe sie bereits am Morgen vor mir liegen. Das Tal wird schmaler. Die Straße windet sich um die Ausläufer der Bergkette herum. Dann geht es kräftig in die Höhe. Oft sind die steilen Hänge gerodet und mit Bananenstauden oder Mais bepflanzt. Zwischen den Pflanzen liegt die Erde ungeschützt. Für die Wassermassen des tropischen Regens ein Leichtes sie mitzunehmen. Der Anblick schmerzt. Aber was können die armen Bergbauern anders machen?
Den kleinen Dörfern in der Höhe ist die Armut anzusehen. Die Wände der Häuser bestehen aus geflochtenen Bambusmatten, die Dächer sind mit Schilfgras bedeckt, seltener mit Wellblech. Steinhäuser gibt es wenige.
An offenen Wasserstellen waschen sich die Menschen. Das Wasser wird in Kanister und Eimern zu den Ein-Raum-Hütten gebracht. Gekocht und gelebt wird davor, dicht am Straßenrand. Bereits sehr junge Frauen tragen ihr Kind auf dem Rücken. Scharen von Kinder leben unter diesen ärmlichen Verhältnissen. Sie rufen mir lachend ein Sabaidee zu. Die Erwachsenen, Männer seltener als Frauen, grüßen nur vereinzelt zurück.
Zwischen den Häusern und über die Straße laufen schwarze Schweine und ihre Ferkel. Bis kurz vor ihrem Tode führen sie ein Leben, von dem ihre pinken Artgenossen in Europa nur „träumen“ können. Es bringt Spaß die Hennen zu beobachten, wie sie im Staub scharren um ihre zahlreiche Kinderschar auf das Hühnerleben vorzubereiten.
Am Straßenrand stehen merkwürdige Pflanzen. Sie sehen aus wie die Windungen in einem offenen Hirn. Darunter scheint die eigentliche Blüte zu sein.
Zwei Berge habe ich an diesem Tag zu überwinden. 1000 m Höhe kommen zusammen und viel innere und äußere Hitze.
Am Abend sinken die Temperaturen. Erstmals kann ich ohne Ventilator einschlafen, AC gibt es sowieso in der kleinen Herberge nicht.
Direkt am nächsten Morgen winde ich mich 1000 m in die Höhe. Oben genieße ich die Fernblicke über die Berge. Die Weitsicht bleibt, mein Gipfelglück schwindet beim ständigen steilen Auf- und Abfahren.
Beim letzten Bergwechsel rolle ich noch einmal steil hinunter in ein Tal und auf der anderen Seite strampele ich gleich wieder 600 m in die Höhe. Diese letzten 20 Tageskilometer ziehen sich zu einer Quäl-Dich-Etappe. Ich bin froh, dass eine Wolkenwand mich beim Anstieg vorübergehend vor der Sonne schützt. Auch wenn aus ihr der Donner grollt und ein Starkregen droht. Habe Glück, die Front streift mich mit einigen Tropfen nur am Rande.
An diesem Tag sammel ich 1900 Höhenmeter bei 75 km Strecke. Das ist mein Limit, viel mehr schaffe ich nicht. Abgeschlafft erreiche ich meine Herberge auf der letzten Anhöhe.
Am nächsten Morgen verlasse ich die hohen Berge. Zunächst mit einer rasanten 1000 Höhenmeter Abfahrt. Weit unter mir sehe ich die Wolkenfelder, etwas später bin ich mittendrin. Nur rollen lassen, das wäre zu schön. Im Tal angekommen geht es noch einmal kräftig in die Höhe. Das war es fast an Steigung für diesen Tag. Bereits mittags erreiche ich die am Mekong gelegene Stadt Luang Prabang, UNESCO-Weltkulturerbe und Touristenhochburg.