Über die Berge.

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Apr 302015
 

DSC07097720. Reisetag

22.425 km

 

Nach den Hügeln kommen die Berge. Ich sehe sie bereits am Morgen vor mir liegen. Das Tal wird schmaler. Die Straße windet sich um die Ausläufer der Bergkette herum. Dann geht es kräftig in die Höhe. Oft sind die steilen Hänge gerodet und mit Bananenstauden oder Mais bepflanzt. Zwischen den Pflanzen liegt die Erde ungeschützt. Für die Wassermassen des tropischen Regens ein Leichtes sie mitzunehmen. Der Anblick schmerzt. Aber was können die armen Bergbauern anders machen?

Den kleinen Dörfern in der Höhe ist die Armut anzusehen. Die Wände der Häuser bestehen aus geflochtenen Bambusmatten, die Dächer sind mit Schilfgras bedeckt, seltener mit Wellblech. Steinhäuser gibt es wenige.

An offenen Wasserstellen waschen sich die Menschen. Das Wasser wird in Kanister und Eimern zu den Ein-Raum-Hütten gebracht. Gekocht und gelebt wird davor, dicht am Straßenrand.
 Bereits sehr junge Frauen tragen ihr Kind auf dem Rücken. Scharen von Kinder leben unter diesen ärmlichen Verhältnissen. Sie rufen mir lachend ein Sabaidee zu. Die Erwachsenen, Männer seltener als Frauen, grüßen nur vereinzelt zurück.

Zwischen den Häusern und über die Straße laufen schwarze Schweine und ihre Ferkel. Bis kurz vor ihrem Tode führen sie ein Leben, von dem ihre pinken Artgenossen in Europa nur „träumen“ können. Es bringt Spaß die Hennen zu beobachten, wie sie im Staub scharren um ihre zahlreiche Kinderschar auf das Hühnerleben vorzubereiten.

Am Straßenrand stehen merkwürdige Pflanzen. Sie sehen aus wie die Windungen in einem offenen Hirn. Darunter scheint die eigentliche Blüte zu sein.
Zwei Berge habe ich an diesem Tag zu überwinden. 1000 m Höhe kommen zusammen und viel innere und äußere Hitze.
Am Abend sinken die Temperaturen. Erstmals kann ich ohne Ventilator einschlafen, AC gibt es sowieso in der kleinen Herberge nicht.

Direkt am nächsten Morgen winde ich mich 1000 m in die Höhe. Oben genieße ich die Fernblicke über die Berge. Die Weitsicht bleibt, mein Gipfelglück schwindet beim ständigen steilen Auf- und Abfahren.
Beim letzten Bergwechsel rolle ich noch einmal steil hinunter in ein Tal und auf der anderen Seite strampele ich gleich wieder 600 m in die Höhe. Diese letzten 20 Tageskilometer ziehen sich zu einer Quäl-Dich-Etappe. Ich bin froh, dass eine Wolkenwand mich beim Anstieg vorübergehend vor der Sonne schützt. Auch wenn aus ihr der Donner grollt und ein Starkregen droht. Habe Glück, die Front streift mich mit einigen Tropfen nur am Rande.

An diesem Tag sammel ich 1900 Höhenmeter bei 75 km Strecke. Das ist mein Limit, viel mehr schaffe ich nicht. Abgeschlafft erreiche ich meine Herberge auf der letzten Anhöhe.

Am nächsten Morgen verlasse ich die hohen Berge. Zunächst mit einer rasanten 1000 Höhenmeter Abfahrt. Weit unter mir sehe ich die Wolkenfelder, etwas später bin ich mittendrin. Nur rollen lassen, das wäre zu schön. Im Tal angekommen geht es noch einmal kräftig in die Höhe. Das war es fast an Steigung für diesen Tag. Bereits mittags erreiche ich die am Mekong gelegene Stadt Luang Prabang, UNESCO-Weltkulturerbe und Touristenhochburg.

Vang Vieng.

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Apr 272015
 

DSC06911717. Reisetag

22.188 km

 

Bei leicht bedecktem Himmel verlasse ich in der Frühe Vientiane. Am Straßenrand knien Frauen auf Matten, vor Ihnen sind Gabentöpfen aufgestellt. Mönche im Gänsemarsch ziehen an ihnen vorbei und sammeln die tägliche Spende ein. Jeder bekommt etwas in seinen Topf. Ob es wohl später redlich geteilt wird?

Die gemütlich zu befahrende Straße wird zur staubigen Baustelle. Der Versuch mich mit einem Mundschutz zu schützen – wie die vorbeirauschenden Mopedfahrer – scheitert. Mein Atmen wird schwieriger, außerdem beschlägt die Brille. Dann lieber Staub einziehen.

Ich weiche auf Nebenstraßen aus, anfangs geteert, dann Holperpiste. Befürchtungen, dass eine Fähre (wegen des wenigen Verkehrs) ihren Dienst eingestellt hat Bewahrheiten sich nicht. Mit ihr gelange ich nach der Flussüberquerung wieder auf die jetzt baustellenlose Hauptstraße.

Als Übernachtungsort habe ich mir ein einsam gelegenes „Öko“-Resort ausgesucht. Nach 100 km Fahrt erreiche ich abgeschlafft in der Mittagshitze mein Tagesziel. Öko bedeutet hier einfach, die Preise entsprechen allerdings einem 3-Sterne-Hotel. Ich bin der einzige, den es hier hin verschlagen hat. Mit etwas Zeit und einem kaltes Bier werde ich meinen anfänglichen Groll los. Ich bin offen für das schöne Umfeld.
Rund herum alles grün. Unter mir ein Fluss, in dem Kinder baden. Im nahen Teich quaken Frösche. Wie dirigiert setzt ein Grillenkonzert ein und hört wieder auf.

Das Flachland habe ich verlassen, es fängt an zu hügeln. Das spüre ich bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen. Die trockenen Reisfelder sind durch grüne mit Bambus und Buschwerk bewachsene Hänge abgelöst. Meine Augen freuen sich, die Beine sind ein wenig gefordert.

Am frühen Nachmittag erreiche ich Vang Vieng. Einst das berühmt berüchtigte Hippie-Paradies inmitten einer Karstlandschaft mit Fluss. Mittlerweile gibt es keine 24-Stunden-Parties mehr, Nachtruhe beginnt um 22 Uhr, der Alkohol fließt noch, aber nicht mehr in Strömen, Drogenhandel wird bestraft. Nach einem „hohen Staatsbesuch“ sind die Behörden rigoros vorgegangen.

Die schöne Landschaft ist geblieben, die Touristen auch. Anstatt Besäufnis stehen Caving (Höhlenbesichtigung), Tubing (auf einem Autoschlauch sich den Fluss hinunter treiben zu lassen), Climbing und Kayaking u.a. auf dem Programm. Die ersten zwei Punkte auch auf meinem.

Die Besichtigung der Tropfsteinhöhlen ist etwas Besonderes. Haarsträubend, wenn man deutsche Sicherheitsanforderungen stellen würde. Keine Beleuchtung drinnen, keine Halteseile. Mit meiner Stirnlampe versehen klettere ich hinein, über rutschig feuchte abgewetzte Tropfsteine und Geröll, auf allen vieren. Zu Tode stürzen würde ich mich nicht, ein Abrutschen würde deutliche Blessuren hinterlassen. Unten gelange ich in eine Gewölbehalle. Es ist stockdunkel. Ich bin alleine. Der Strahl meiner Lampe lässt die Schatten der Tropfsteinsäulen in den hinteren Raum fallen. Ein merkwürdiges Gefühl hier zu stehen und ein wenig gruselig ist es auch.
Ich versuche mir den gangbaren Weg zu merken, da es genügend Hindernisse gibt. Aber alles sieht ähnlich aus und beim Zurückschauen wieder anders. Die Bange, den Rückweg nicht zu finden begrenzt mein Eindringen in die Tiefen, schade.

Das Tubing läuft organisiert ab. Die diversen Unternehmen im Ort haben sich auf eine Anlaufstelle geeinigt. Dort leiht man sich den Schlauch und wird zur Einstiegsstelle oberhalb des Flusses transportiert. Das vermeidet Konkurrenz und sichert ihnen einen guten Preis.

Dort angekommen, könnte ich gleich einkehren und laut Hinweisschild Freunde finden. Müsste dafür aber die sehr laute Partymusik in Kauf nehmen.
Setzte mich also gleich in den Schlauch. Auf der einen Seite baumeln die Beine, dazwischen der Hintern im Wasser und Arme und Oberkörper auf der anderen Seite. Die Strömung ist mäßig, die Treibgeschwindigkeit auch. So lasse ich für die nächsten 4 Stunden das Umfeld an mir vorbeiziehen. Zwischendurch lege ich einen Halt ein und trinke ein Bier in einer Hütte. Solche Stationen gibt es reichlich. Beim Weiterfahren bemerke ich ein Loch im Schlauch. Kann den Luftaustritt aber durch Fingerdrücken deutlich reduzieren. Trotzdem ein ungutes Gefühl. Hinzu kommt eine dunkle Wolkenwand und Gewitterdonner. Die Reisegeschwindigkeit ist weiterhin ausgesprochen langsam und ich kann sie nur durch Handpaddelbewegung beschleunigen. Dazu benötige ich aber beide Hände, die Luft verlässt dann schneller den Reifen. Zu Hilfe kommt mir ein kräftiger Wind, der mich schneller stromabwärts treibt. Kurz vorm Einsetzen des Gewittersturms mit Eimerregen erreiche ich mit etwas schlappem Schlauch mein Ziel.

Wasserfest und Visa wartend.

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Apr 232015
 

DSC06720713. Reisetag

21.977 km

 

 … schwapp, kalt rinnt es den Nacken hinunter. Hinter mir ein Gekicher von Mädchen, die ihre leere Schüssel bereits wieder auffüllen. Das ist nur der Anfang. Kein Stadtgang ohne Dusche. Ein Ausweichen ist nur in den Wats möglich, von denen es viele gibt. Dort wird der Buddha mit Wasser begossen und zwar ausgiebig. Die Menschen ziehen mit einem Eimerchen von Wat zu Wat und besprengen die vielen Buddhafiguren. Nachfüllstationen gibt es genügend. Das Buddha-Wasser ist mit Blüten bestückt.
 Etwas Andacht ist vorhanden. Einige Besucher lassen sich von gelangweilt wirkenden jungen Mönchen ein Bändchen um den Arm binden. Ein Obulus wird in die Spendenbox gesteckt.

Mit dem Wasserfest wird in den buddhistischen Ländern Südostasiens das vergangene Jahr beschlossen. Das Wasser spült kleine und größere Sünden weg und entlässt einen frisch ins neue Jahr. Das ist einfacher als die Beichte und macht auch noch Spaß.
Ein kleiner Umzug zieht durch die Straßen, auf einem Anhänger eine riesige Wildsau, auf der eine Frau sitzt. Ob die Wildsau im Zeichen des neuen Jahres steht konnte ich nicht ermitteln.

Das turbulentere Leben findet auf der Straße statt. Wasserbehälter und Anschlüsse sind in Aktion gebracht. Plastikschwimmbecken wurden gefüllt und dienen dem Nachschub. Mit Luftdruck bestückte Wasserpistolen sorgen für den ununterbrochenen Strahl. Von Pick-ups und Lieferwagen wird kübelweise Wasser übers Volk geschüttet. Vor vielen Häusern stehen kleine Bühnen, mit lauter Musik und natürlich Wasseranschluss. Am Mekongufer ist eine riesige Bühne aufgebaut mit dem Motto „Under Water“. Von oben sprüht es fast ununterbrochen auf die Tanzenden nieder. Tankwagen liefern das notwendige Nass.

Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Es wird viel Bier getrunken. Ich höre aber kein Gebrülle oder Geschreie.
 Drei Tage dauert das intensive Wasserfest. Der Tag davor und danach ist ein halber Feiertag.

Die meisten Lokale und Läden bleiben geschlossen. So auch die Botschaften. Und kaum ist in Laos das Wasserfest zu Ende, beginnt es in Myanmar. Erst am 22. April kann ich dort meinen Visaantrag abgeben.

Habe also viel Zeit in Vientiane. Vormittags erledige ich mein Sightseeing-Programm.
 Ich besuche das Nationalheiligtum That Luang, eine vergoldete Stupa aus der Zeit, als Laos noch ein Königreich war. Das Gold der Außenmauer sieht etwas ramponiert aus, eine Reinigung wäre angebracht. Ich besteige das auf einer Verkehrsinsel gelegene Monument Patuxai, Vientiane’s Arc de Thriompfe. Von oben habe ich eine dunstige Sicht über die Stadt. Die alte Stupa That Dam in der Nähe sieht etwas angekratzt aus. Ursprünglich war sie mit Gold bedeckt. Das haben (angeblich?) die Siamesen 1828 mitgehen lassen. Und es gibt unzählige Watanlagen, durch diese habe ich mich während des Wasserfestes treiben lassen.
 Am breiten Mekongufer entstanden im Rahmen eines Sand-Art-Festivals diverse Skulpturen. Etwas Lehm ist wohl beigemischt, damit die Figuren ihre Festigkeit behalten.

Meine kulinarischen Genüsse kann ich ausleben. Alles steht verständlich auf der Speisekarte und für Abwechslung ist gesorgt. Der Verführung zu einer Pizza hätte ich widerstehen sollen, die angeblich ein italienischer Küchenchef backt. Zu viel Ketschup, aufgeweichter Teig und nur ein Hauch von Käse. In einem Importladen besorge ich mir etwas Käse. Der unverschämte Preis von 70$ das Kilo hält mich nicht davon ab. Der Biowein aus Italien dazu ist gut, das Baguette ausgesprochen schlecht. In Vietnam und Kambodscha haben die Franzosen ihre Backkunst hinterlassen, in Laos leider nicht.

Morgens um 10 Uhr ist es mit 34 Grad bereits heiß, nachmittags mit über 40 Grad nicht mehr auszuhalten. Da ziehe ich mich in mein klimatisiertes Hotelzimmer zurück, halte eine Siesta und Lese.
Ich habe Glück zwei Tage vor der Weiterfahrt erfolgt ein Temperatursturz um fast 10 Grad. Der Himmel ist bewölkt, es folgen kräftige Regenschauer. Ein wunderbares Klima um sich auf die Weiterfahrt zu freuen.

Der Müßiggang der letzten Tage raubt meine Energie. Bereits der Gang zur Botschaft bedeutet mir Anstrengung. Ich reduziere Unternehmungen.
Ich benötige die Bewegung des Unterwegssein, dazu gehört auch das Abplagen und Ertragen der Hitze. Dann spüre ich mich und bin offener für meine Umwelt.

Wieder am Mekong.

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Apr 122015
 

DSC06440702. Reisetag

22.213 km

 

Das Dämmerlicht verschwindet allmählich. Der rote Ball der Sonne erscheint am Horizont und taucht die Landschaft in einen warmen Ton. Die Temperatur ist angenehm. Nur selten fährt ein Auto an mir vorbei. Diese Morgenstunden genieße ich sehr. Der alltägliche Fahrradtrott lässt sich durch diese schönen Stunden nicht vermeiden. Meinen Alltag fühle ich wenn ich durch wenig reizvolle Landschaften fahre.

Am Fuße der auslaufenden Berge wachsen Tabakpflanzen, deren untere Blätter geerntet und in beheizten „Schuppen“ auf Gestänge getrocknet werden.

Ansonsten sehe ich in den nächsten drei Tagen abgeerntete Reisfelder, Buschland und Kautschukplantagen bis endlich nahe des Mekongs das saftige Grün bewässerter Reisfelder auftaucht. Eine Wohltat für meine Augen.
Um Abwechslung von der Monotonie der Hauptstraße zu erhalten nutze ich Nebenstrecken. Muss dafür aber viel Staub von vorbeifahrenden Fahrzeugen schlucken und die grob geschotterte Straße schüttelt mich kräftig durch.

In zwei Tagen läuft mein Visa in Laos aus. Ein neues erhalte ich, indem ich kurz das Land verlasse und wieder einreise. Auf der anderen Seite des Mekongs liegt Thailand. Die Einreise ist für einen kürzeren Aufenthalt kein Problem. An der Grenze erhalte ich ohne Antrag einen Stempel in den Pass.
Ich überquere eine der vier Freundschaftsbrücken zwischen den Ländern. Zwar steht ein Verbotsschild für Fahrrad und Motorrad davor, keiner hindert mich aber an der Überquerung. Fußgänger können die Grenze nur im Bus passieren.
Im thailändischen Grenzort Nong Khai herrscht ein ziemlicher Rummel auf dem direkt am Mekong gelegenen Markt. Alle Stände haben fast das gleiche Sortiment von diversen Süßigkeiten, Gewürzen und Klamotten. Meine Hoffnung Käse (außer Mozzarella oder Chesterscheibletten) und Haferflocken zu finden verfliegen. Selbst ein Essen in einem besseren Lokal bringt keine Abwechslung von Reis und Nudeln. Ich habe bereits in Laos festgestellt, das die Qualität der Zubereitung in teureren Lokalen keinen Deut besser ist als in den kleinen an der Straße.
Am Abend ziehen dunkle Wolken über dem Mekong auf und Blitze zucken. Seit langem erlebe ich wieder einen kräftigen Regenguss, der die Luft ein wenig abkühlt. In der letzten Zeit bin ich sehr viel gefahren und habe ein gewisses Ruhebedürfnis. Bleibe also den nächsten Tag faul im Ort bevor ich wieder ohne Schwierigkeiten die für Fahrräder verbotene Freundschaftsbrücke nach Laos passiere. Mein Ziel ist das nur 25 km entfernte Vientiane, die Hauptstadt von Laos.