Der Gunbower Nationalpark.

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Mai 252017
 

225. Reisetag

4778 Kilometer

 

Ganz nah dran am Murray bin ich die nächsten 80 Kilometer – im Gunbower (aboriginal: mäandernder Fluss) Nationalpark. Ein Feuchtgebiet in dem vor allem der Red-Gumtree wächst, einer der vielen Unterarten des Eukalyptus und Lebensraum vieler Vögel. Durch dieses windet sich der Murray und ein weniger kurvenreicher River-Track.
Ein Schild zu Beginn des Tracks weist auf den Straßenzugang hin. Die Tücke nasser Wegstrecken spüre ich sehr schnell. Feuchter lehmiger Untergrund hat den Griff von Schmierseife. Nach dem ersten „fast in den Schlamm fallen“ werde ich vorsichtig und schiebe, bei größeren Schlammlöchern auch durch den Wald. Der Weg ist holprig, meist trocken und ohne große Anstrengung befahrbar, keine Autos.

Obwohl ich nur durch Wald fahre wird es nicht langweilig. Ich genieße den Blick auf knorrige alte Eukalyptusbäume, wundere mich über das frische Grün unter den Bäumen. Möglicherweise wurde das Unterholz „brandgerodet“ ohne dass die Bäume ersichtlichen Schaden nahmen. Ab und zu springt ein aufgeschrecktes Känguru über den Weg. An seinen Windungen nähert sich der träge dahinfließende Murray dem Track.

An einem Wehr mitten im Park gibt es sogar einen richtigen Campingplatz. Da es abends recht frisch wird übernachte ich in einer Cabin mit Heizung und Wasserkocher.
Diese Parkdurchquerung empfinge ich bisher als meine schönste Strecke in Australien. Sie ist leider endlich.

Am nächsten Tag durchfahre ich wieder Farmland abseits des Flusses. Neben Wiesen, Obst-/Nuss- und Wein-/Olivenplantagen sehe ich ein riesiges Baumwollfeld. Das einzige bisher. Die Pflanzen sind mit flauschigen Wolletupfer dicht bespickt wie ich es weder in Afrika noch in der Türkei gesehen habe. Große Rollen mit dicht-gepresster Baumwolle liegen am Wegesrand, Erntemaschinen sehe ich nicht.

Trotz geteerter Straße und erstaunlich wenig Verkehr ist das Fahren anstrengend. Ein beständiger Wind aus Nordwest, auf dem flachen Land durch nichts gebremst, bläst mir entgegen. Ermüdet erreiche ich die größere Murray-Stadt Swan Hill.

In einem Container auf einem Campingplatz verbringe ich zwei Nächte. Das ist gemütlicher als zelten – denke ich – ohne mein Umfeld zu kennen. Zwei junge Work-und-Traveller, die irgendwo auf den Feldern arbeiten und den Abend mit Fernsehen verbringen. Nach meinem Klopfen stellen sie es zwar leiser, bei der dünnen Zwischenwand bleibt es für mich trotz Ohrstöpsel störend.

Sehenswert in der Stadt ist das Open-Air Museum am Flussufer mit hölzerner Geschäftszeile und Wohnhäusern. In Reihe stehen alten Traktoren, ob mit Dampf betrieben oder mit Diesel.
Wo sind nur die alten Dampfmaschinen in Deutschland geblieben? Die muss es auch gegeben haben. Bis auf alte Loks sind sie nirgends zu sehen.
Etwas geschummelt wurde am Schaufelraddampfer. Der Antrieb ist auf Diesel umgestellt. Auf eine Rundfahrt mit ihm verzichte ich deshalb.

The Mighty Murray.

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Mai 212017
 

221. Reisetag

4543 km

 

Ein kalter nebeliger Morgen. Mein spartanisches Zimmer hat keine Heizung. Warm angezogen begebe ich mich in den Essraum zu dem am Vorabend hingestellten Continental-Breakfast. Zwei Weißbrotscheiben zum Toasten, Butter- und Marmeladeportionspäckchen sowie eine Minipackung Cornflakes, Milch und Instantkaffee. Am Abend sah ich wie der Gasheizstrahler angestellt wurde, entsprechend ziehe ich an den Schnüren. Es wird warm. Mit Avocado und Käse rüste ich das Frühstück auf. Es schmeckt – für mich ein fast normaler Morgen.

Etwas später, auf der Straße, ist es wieder fröstelig – bis die Sonne durchbricht. Ein schöner Tag beginnt. Auf mäßig ondulierender Straße mit erstaunlich wenig Verkehr radele ich am Hang entlang. Oft mit freiem Blick ins Murray-Tal mit seinen Wiesen und herbstlich gefärbten Bäumen. Nur dem immergrünen Gum-Tree scheint die Jahreszeit nichts anzuhaben.
Zwei Tage bewege ich mich nahe am Fluss. Erreiche den Hume-See an seinem anderen Arm und überquere die hohe Staumauer.

Das Flusstal wird breit, der Murray windet sich träge hindurch. Die Straßen müssen sich nicht mehr den Bergen anpassen, gerade durchziehen sie das platte Land. Wird es vorübergehend hügelig wechseln Weizen und Wiesen zu Wein und Oliven. Das Radfahren in der landwirtschaftlich genutzten Ebene ist ein wenig langweilig. Den Murray sehe ich selten. Er ist umgeben von Gum-Tree-Wäldern und kleinen Naturparks meist abseits der Straße. Nur auf Nebenwegen komme ich ihm nahe. Wellblech, Sand und manchmal auch Schlamm reduzieren dort schon mal das Fahrvergnügen. Und ich weiß nie ob ich wirklich durchkomme. So bin ich die nächsten vier Tage unterwegs.

Laut krakelend ziehen jeden Tag eine Vielzahl von Papageien/Sittiche/Kakadu-Vögel an mir vorbei. Sie sind scheu. Sitzen sie am Wegesrand fliegen sie weg bevor ich sie sehe.

Bisher kann ich sie nur farblich unterscheiden. Die richtige Namensnennung ist mir (noch?) nicht klar.
Es gibt die kleinen und die großen „Bunten“, die „Grau-Roten“, die „Weißen“ mit einer gelben Haube und mit rotem „Augenrand“ und in deutlich geringerer Zahl die „Schwarzen“ (ohne Foto).

Vor allem die „Weißen“- es sind wohl Kakadus – sind nicht zu überhören und -sehen. In großen Scharen und immer lärmend sitzen sie auf Bäumen, auf dem Acker oder drehen ihre Flugrunden. Als Körnerfresser sind sie zur Saat- und Erntezeit der Schrecken der Farmer.

In Echuca, einer Hafenstadt am Murray bleibe ich drei Tage. Ich warte den angesagten Regen ab. Seit Melbourne hat er mich verschont.
Auch diese Stadt lebt von ihrer Geschichte und damit verbunden den Touristen.
Die Flussschifffahrt und der Eisenbahnanschluss nach Melbourne machte sie im 19. Jahrhundert zum größten Binnenhafen des Landes. Die Hafenanlagen mit den Docks und historischen Gebäuden sind restauriert. 100 Jahre alte Schaufelraddampfer – die Paddelsteamer – mit holzbeheizten Kesseln fahren qualmend und pfeifend ihre Runden auf dem Fluss. Eine alter wieder aktivierter Dampfkessel am Ufer zeigt, wie das Holz mit der Winde ans Land gezogen und anschließend im Sägewerk verarbeitet wurde.
Gerne schaue ich diesen Maschinen zu, die über eineinhalb Jahrhunderte Transport und Produktion veränderten. Ich erinnere mich noch an die großen Dampfloks im Hamburger Hauptbahnhof. Staunend stand ich davor.

Auf dem Weg zum Murray-River.

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Mai 122017
 

Ausläufer des Hume-Stausees im Morgennebel.

212. Reisetag

4258 km

 

In den Höhen der Snow-Mountains entspring der Murray-River, mit 2400 Kilometer der längste Fluss Australiens. Ihn möchte ich für den nächsten Monat auf seinem Weg zum Meer begleiten. Nicht ganz von seiner Quelle, dort ist es zu kalt und unwegsam, sondern am Fuße der Snow Mountains. Von Melbourne sind es ca. 350 Kilometer bis dorthin. 

Die Großstadt wollte ich mit dem Zug verlassen. Der fährt leider nicht, es werden Busse eingesetzt. Ohne Diskussion wird mein Rad im Gepäckfach verstaut – ich bin erleichtert. 150 Kilometer später, im Ort Wangaratta steige ich aus.

Nach einem regnerischen Abschied in Melbourne trübt am nächsten Morgen kein Wölkchen den Himmel. Einfach schön sich aufs Rad zu setzten. Abseits der Straße auf einem Rail-Trail durchfahre ich das Land. Anfangs flach durch Farmland, dann mit Eisenbahnsteigung gemächlich in die Höhe – durch Gum-Tree-Wälder und Buschland. Im kleinen Ort Bleechworth ist Endstation der damaligen Eisenbahn und für mich (an diesem Tag).

Im Goldrauch Mitte des 19. Jahrhundert erlebte Bleechworth seinen wirtschaftlichen Höhepunkt. Heute werden die Relikte vermarktet. Aus alten Steinhäusern wurden kleine Museen, dem Gefängnis wurde ein „berühmter“ Bandit zugeordnet, dessen Lebenslauf ausführlich beschrieben wird, die Ruinen eines der ältesten Krankenhäuser des Landes wurden aufwändig restauriert u.a.. Geschichte hin oder her. Ich möchte vor allem die kleine Brauerei mit Bierprobe und Pizzaofen vor Ladenschluss (in der Winterzeit 3 Uhr nachmittags) aufsuchen. Zehn verschiedene Sorten werden gebraut und manche schmecken hervorragend. Kein Vergleich zum deutschen „Einheitsbiergeschmack“. Beim Pizzaboden hingegen wären Verbesserungen durchaus angebracht. Die Nacht verbringe ich in einem ehemaligen Kloster in einer Einzelzelle – mit weichem Bett und E-Heizung.

Das schöne Wetter hält den nächsten Tag an. Die längere Strecke bin ich auf der Straße unterwegs, bei mäßigem Verkehr. Sehr angenehm, die rückläufigen Tierleichen am Rande – das war schlimm in Tasmanien.

Unten im Tal habe ich das Glück wieder auf einem Rail-Trail zu stoßen. Die alte Eisenbahnstrecke verläuft entlang des Hume-Stausees und später in die Berge. Ich bin am Murray-River angekommen, der den zweiarmigen Stausee füllt. Mein Einstiegs- bzw. Treffpunkt mit dem Fluss ist es noch nicht. Diesen erreiche ich erst am übernächsten Tag und er liegt auf der anderen Seite eines 800 Meter hohen Gebirgszuges. Ich genieße am Nachmittag die Fahrt auf bestem Trail mit Blick auf den See und abgestorbenen Baumgerippen darin. Am nächsten Morgen wirken diese bei tief hängenden Wolken fast gespenstisch. Der Stauseearm läuft aus. Es geht in die Berge. Der anfangs gut ausgebaute Trail wird zum holprigen Feldweg und endet an einer fehlenden Brücke. Steil fahre ich auf normaler Straße nach oben. Erfreulicherweise ist auf halber Höhe der Trail wieder befahrbar, mit kleinen Umwegen an maroden Brücken.

Die Sonne hat die Wolken mittlerweile vertrieben. Ich habe eine traumhafte Sicht ins Tal, fahre durch wilden Gum-Tree-Wald und die mäßige Steigung strengt nicht an. Die Nacht verbringe ich in einem Pub-Hotel in einem Kleinstdorf auf fast 800 Meter Höhe. Zum Glück ist es geöffnet, denn mit schwindener Sonne wird es bitterkalt. Ich bin der einzige Gast, auch an der Bar.

Nach kurzer Fahrt am nächsten Morgen erreiche ich den höchsten Punkt und auch das Ende des Eisenbahntrails. Hinunter ins Murray-Rivertal geht’s auf normaler Straße, leider auf dem steilsten Abschnitt auf Schotter mit viel Staub, wenn mir ein Log-Track entgegenkommt.

Im 100-Seelen-Dorf Walwa erreiche ich den Murray. Er ist ein schnellfließender leicht trüber Fluss mit geschätzter 20 Meter Breite. Ich bin gespannt wie er und sein Umfeld sich auf dem langen Weg zum Meer entwickeln werden.

Die Dorfkneipe bietet Zimmer an, günstig und minimal. Es ist Freitag, am Abend Ausgehtag für Mann und Frau. In getrennten Grüppchen sitzen sie im vollen Schankraum. Die Männer beim Bier, die Frauen bei Wein, Cola und Wasser.

Historisches Gefängnis und schwierige Entscheidungen.

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Mai 072017
 

Gefängnisruine in Port Arthur.

207. Reisetag

4056 km

 

Drei Grad am Morgen im Wohnwagen. Ich stelle die Elektro-Heizung an und frühstücke im Warmen. Mein kleiner Luxus. Draußen Sonnenschein und frisch, ideale Voraussetzungen für einen bergigen Tag. Ich starte (erstmals) mit Handschuhen. Eine kurze Strecke Küstenstraße, dann folgt der bergige Teil auf Schotterstraße. Oft so steil, dass ich schieben muss. Mit zwei entgegen kommenden Motorradfahrern halte ich einen Plausch. Sie berichten von Schnee und Regen auf der Westseite der Insel – „schöne“ Aussichten.

Es hügelt weiter, ringsherum meist langweilige Gumtree-Plantagen. Selbst eine Wiese mit Überblick bietet mir mehr Abwechslung. Je dichter bewachsen mein Umfeld ist, desto mehr tote Tiere, meist Wallabies, liegen am Wegesrand.

Am Nachmittag möchte ich mein Zelt auf einem Platz direkt an der Küste aufbauen. Darf es aber nicht. Der Eigentümer sagt Sturm sei angesagt und seine Versicherung haftet dann nicht. Was versichert ist, ich oder mein Zelt, kann er mir nicht sagen. In „meinen“ Wetternachrichten war von starken Winden keine Rede und sie kommen auch nicht. Was soll’s, so muss ich 20 Kilometer weiter über den nächsten Berg. Dahinter steht ein Hotel. 

Ich bin bereits auf der Tasman Peninsula, zwei hinter einander liegende Halbinseln, die durch sehr schmale Landengen miteinander verbunden sind. Durch diese besondere Lage waren sie im 19. Jahrhundert der ideale Standort für den riesigen Gefängniskomplex Port Arthur.
Aufwändig wurden die Ruinen der Häftlingsgebäude restauriert. Die gesamte Anlage, nebst einer Kirchenruine liegt heute in einem wunderschönen Park an einem malerischen Naturhafen. Der Gräuel dieses Straf- und Arbeitslagers ist zwar in Bildern und Texten dargestellt, das Umfeld passt aber eher zu einer Kureinrichtung. Wegen ihres historischen Wertes erhielt das Gefängnis das Siegel Weltkulturerbe und scheint den vielen Besuchern nach Tasmaniens wichtigste Touristenattraktion zu sein. Ich bin auch dabei. Ein Nachmittag der Besichtigung genügt, dann geht’s 40 Kilometer zurück und entlang der Küste nach Hobart, der zweitältesten Stadt Australiens und Hauptstadt Tasmaniens.

Jetzt muss ich die Entscheidung fällen, meine Inselrundtour durch den wilden Westen fortzusetzen oder mich mit dem Bus zurück zur Fährstation bringen lassen. Ich schwanke sehr, bei Sonnenschein (am ersten Tag) denke ich ans Weiterfahren, Nieselwetter und Winde am nächsten drängen zum Abbruch. Die Unannehmlichkeiten von Kälte, Wind und bergigen Anstrengungen setzten sich durch. Ich kaufe ein Busticket, buche die Fähre und bin ein bisschen unzufrieden mit mir.

Die weitere Entscheidung über meine Australientour ist weit schwieriger. Beim Blick ins Internet sehe ich mit Schrecken nur noch einen möglichen Termin für die Durchquerung des Landes mit dem Zug – Ende Juli. Mir eigentlich zu spät. Alles ausgebucht bis November. Es ist auch keine einfache Zugfahrt sondern eher ein Event. Buchen kann ich keinen Sitzplatz, sondern als Einzelreisender nur ein eigenes Abteil mit Vollpension inkl. Alkoholika u.a. Alles zu einem Preis der einen Flug nach Europa und zurück günstig erscheinen lässt. 
Mit dem Rad wären es 3000 Kilometer fast ohne Orte, eine für mich nicht einzuschätzende Anstrengung.
Alternativ käme eine westliche Weiterfahrt in Frage (die ich gedanklich bereits gestrichen hatte). 2500 Kilometer mit wenigen Orten, Tendenz Gegenwind zu dieser Jahreszeit und kalte Nächte.
Ich buche die Zugfahrt. Merkwürdig, ich freue mich nicht über den Komfort der Zugfahrt, sondern denke an ein versäumtes Abenteuer.

Zwei Tage später erreiche ich in der Frühe mit der Fähre Melbourne, bummele nochmals für zwei Tage durch die Stadt und organisiere meine Weiterfahrt.