Thomas Kipp

Im Vorgebirge der Karpaten.

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Sep 242013
 
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Blick aus meinem Fenster auf einen trüben Tag.

141. Reisetag

 

Die Verpflegung in unserem Gästehaus ist gut, aber wir bekommen zu viel aufgetischt. Lieber wäre mir die Schüssel einmal leer zu essen. Habe das Gefühl, dass wir das nicht eingenommene Mittagessen (ist in der Vollpension mit drin) noch zusätzlich am Abend erhalten.

Beim Gang durch den Ort bellen uns hinter jedem Eingang die Hunde an. Die Tore sind zum Glück geschlossen. Beim Weitergehen schließen sich uns drei Hunde an. Sie begleiten uns den ganzen Tag. Sie kläffen nicht, sie laufen einfach mit, sind angenehme Begleiter. Einmal kam uns eine Schafsherde mit Hirtenhunden entgegen. „Unsere“ Hunde machen im Wald einen großen Bogen um die Herde, bis sie wieder auf uns stoßen. Sie wollen keine Konfrontation mit aggressiveren Kollegen.

Der Weg führt uns auf steiniger Forststraße den Berg hinauf. Kurz vor dem Gipfel hört er jedoch auf. Eigentlich wollten wir auf der anderen Seite des Berges weiterlaufen. Haben wohl eine Abzweigung verpasst. Beim Abstieg sehen wir einen steilen matschigen Pfad, der von unserem Weg rechts in die Höhe führt. Da hätten wir wohl gehen müssen.
Das zur Verfügung stehende Kartenmaterial ist extrem schlecht.

Auch am nächsten Tag sind wir anders gegangen als wir eigentlich wollten. Der Weg endet in einem Bachbett. Wir steigen steil einen Berg hoch auf Spuren von wohl wild gewordenen Motorradfahrern. Mir ist nicht klar, wie diese hier überhaupt fahren können. Die ungefähre Richtung halten wir mit meinem Garmin-GPS. Auch beim Wandern ist es sehr hilfreich. Wir erreichen eine Höhe von1000 m und stoßen oben wieder auf einen markierten Weg. Auf der Höhe öffnet sich uns ein baumloser Grashang. Vorher sind wir durch den Wald gestapft. Wir können weit auf die gegenüberliegenden Täler und Hänge schauen. Es geht wieder hinunter. Beim Abstieg sehen wir vier Romamänner. Sie haben am Waldesrand Holz geschlagen und laden es auf ihre Pferdefuhrwerke. Sie möchten, dass wir Fotos machen und fordern Geld. Fragen nach Bonbons für ihre Kinder. Ich mache nur von weitem ein Foto. Der Weg führt uns etwas später durch ein Romadorf. Viele der Häuser sind sehr ärmlich, es gibt aber auch neue größere Häuser. Der Müll wird einfach an einer Stelle im Dorf den Hang hinuntergeworfen. Eine Müllabfuhr, wie in anderen Dörfern, gibt es wohl nicht. Wir gehen zügig weiter, da wir auch hier angebettelt werden.

Der nächste Tag beginnt mit Nieselregen. Die Wolken hängen tief. Ich mache einen Spaziergang am Fuße eines Berges. Auf einer Wiese wachsen Herbstzeitlosen. Sie passen zum trüben Wetter und der herbstlichen Stimmung, die sich immer mehr ausbreitet. Morgen fahre ich alleine weiter. Es ist wieder ein kleiner Abschied.

Ende der Siebenbürgen-Rundtour.

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Sep 212013
 

DSC03161138. Reisetag

6255 km

 

Die Nacht war regnerisch und stürmisch, der Morgen kühl aber trocken. Ziehe zum Losfahren Pullover und Anorak über, dazu noch die Handschuhe.

An der Straße liegt ein großes Feld mit Solarmodulen, daneben sichelt ein Bauer mit einer Sense Gras. Solarmodulfelder hatte ich schon häufiger gesehen. Aus der Ferne glitzern die Anlagen manchmal wie ein See. In Sighisoara im Hotel trafen wir einen Schweizer, der den Aufbau neuer Solarfelder betreut. Nach seinen Angaben sind es chinesische Investoren, die hier ihr Geld anlegen.

Der Verkehr nimmt deutlich zu als wir uns über hügeliger Straße Sibiu nähern. Ein heftiger Wind bläst uns entgegen. Wir müssen aufpassen, dass die Böen uns nicht von der Straße fegen. Neben der Straße verlaufen oft Gasleitungen, an die viele Häuser angeschlossen sind. Als wir an einer Gasverteilerstation vorbei kommen, liegt ein deutlicher Gasgeruch in der Luft. Das könnte gefährlich werden, zumal in Rumänien viel geraucht wird.

In Sibiu übernachten wir wieder im Casa Luxemburg, in dem wir Teile unseres Gepäcks zurückgelassen hatten. Helmut bringt sein Leihrad zurück. Ich überhole am nächsten Tag mein Fahrrad und installiere einen neuen Fahrradständer, da das Rad auf dem alten zunehmend schräg stand. Jedoch war der Ständer gar nicht ausgeleiert, der Gummi war nur abgenutzt.

Mit einem Taxi fahren wir in ein etwas außerhalb liegendes Museumsdorf. Alte Häuser, Mühlen, Maschinen und Handwerksgegenstände zeigen das Leben in vergangenen Zeiten auf. Da die Gebäude mit wenigen Ausnahmen verschlossen sind, ist der Besuch nicht sehr beeindruckend.
Zurück in der Stadt gehen wir einkaufen. Ich stelle fest, mein Mohnstrudel kommt aus Österreich, der Fruchtjoghurt aus Deutschland, die Weintrauben aus Italien. Die EU hat handelsmäßig das Land bereits im Griff. Die Infrastrukturhilfen für den Straßenbau machen sich bezahlt. Beim nächsten Einkauf werde ich genauer hinschauen.

Am Abend findet auf einer großen Bühne nicht weit von unserem Hotel ein Musik-Awards vom rumänischen Fernsehen statt. Die am meisten abgespielten rumänischen Musikstücke werden ausgezeichnet. Es ist ein sehr lautes Spektakel, von dem wir zwangsläufig etwas mitbekommen.

In den folgenden Tagen planen wir Wanderungen in dem südlich von Sibiu gelegenen Vorgebirge der Karpaten. Helmut fährt die 15 km mit dem Taxi, ich radle. Von dort aus werde ich in der nächsten Woche meine Tour alleine fortsetzten. Wir übernachten in einem Gästehaus der evangelischen Kirche mit Vollpension. Vom Fenster aus kann ich wunderbar ins Tal schauen.
Der Ort ist benannt nach einem kreisrunden Kegelberg, dem Michelsberg/Cisnadioara, auf dem sich eine der ältesten Kirchenburgen Siebenbürgens befindet. Der Innenraum der Kirche ist schlicht und leer. Im Chorraum befinden sich 180 Gedenktafeln von Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg. Fast alle sind in der Zeit vom 12. bis 26. Sept. 1916 gefallen.
Rumänien war in diesem Krieg anfangs neutral. Als die rumänische Führung feststellte, dass die österreich-ungarische- und die deutsche Armee schwächelte, schlossen sie sich im August 1916 den Alliierten an. Die Gefallenen auf den Gedenktafeln waren Siebenbürger Sachsen und hatten (nach Wikipedia-Recherche) gegen die Rumänen gekämpft.

Das Wetter am nächsten Tag ist gemischt, Sonnenschein und Regen wechseln sich ab. Wir machen eine kleine Wanderung in die umliegenden Berge. Von oben haben wir eine weite Sicht ins Tal.Unterwegs treffen wir auf Hagebuttenpflücker, es sind arme Menschen, die uns anbetteln; fussballspielende Kinder, die gerne einen Bonbon hätten und einen Schäfer, dessen Habe ein Esel trägt. Der einsetzende Regen beschleunigt unsere Rückkehr.
Als wir uns Michelsberg nähern, sehen wir am Hang viele neue Villen. Offenbar lassen sich im Umfeld von Sibiu gerne reiche Rumänien nieder.

Hosman/Holzmengen.

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Sep 172013
 

DSC03047134. Reisetag

 

In Hosman bleiben wir einen weiteren Tag. Morgens weckt uns der Hahn im Hof. Neben seiner Gefolgschaft aus Hühnern gibt es Enten, fünf Hunde in allen Altersstufen und eine Katze. Sie leben friedlich zusammen.

Beim Dorfrundgang passieren wir zufällig das Gebäude eines Zentrums, dessen Renovierung teilweise aus EU-Mitteln finanziert wurde. Überraschend treffen wir hier auf unsere rumänischen Pensionswirte. Lisa leitet eine Bäckerei, Domi ist für die Mühle zuständig. Es ist teilweise ein Gemeinschaftsprojekt, getragen von einem Verein. Eine weltwärts-Teilnehmerin – sie leistet hier ein soziales Jahr ab – erklärt uns die verschiedenen Bereiche. Im Vorderhaus steht der mit Holz beheizte Backofen. Das Getreide liefert ein Biobauer. Das Brot wird im Ort und auf dem Markt im 25 km entfernten Sibiu verkauft. An einem Tag in der Woche können Bauern in der Mühle ihr Getreide und Mais mahlen lassen. Es gibt eine Schmiede und ein kleines Holzsägewerk, in beiden wird zur Zeit nicht gearbeitet. Hinten im Garten feiert eine Gruppe Kindergeburtstag. Eine Schweizer Familie verbringt den Sommer hier. Ein gebürtiger Mecklenburger, der seit 11 Jahren hier lebt und arbeitet, erklärt uns kurz den Weg für eine kleine Tageswanderung. Er ist in Eile, da er die Einladungen für das Mühlenfest vorbereiten will, das für die nächste Woche geplant ist. Eine Rumänin, die fünf Jahre in Berlin und Hamburg gelebt hat wohnt ebenfalls hier.

So ganz blicken wir nicht durch, was in dieser Gemeinschaft alles so gemacht wird und wer wovon lebt.

Unser Spaziergang führt uns über eine Hügelkette. Vereinzelt Bäume und viel Graslandschaft, ab und zu Zäune für das Nachtlager der Schafe und Schutzhütten für den Schäfer. Drumherum immer viele Hunde, die uns beim Näherkommen anbellen. Mein dog-dazer hält sie im sicheren Abstand.
Vom Schwiegersohn unserer Pensionsleute, einem Schäfer, erfahren wir, dass er jedes Jahr durch Wölfe und Bären einige Tiere verliert. Ich bekomme eine Erklärung, weshalb die Hirtenhunde einen Stock um den Hals tragen (siehe Bild vom 4. Sept.). Es ist eine Schnelllaufbremse. Sie verhindert dass der Hund z.B. schnell eine Wildziege verfolgen kann (und sich so seiner Hütepflicht entzieht). Ein ausgewachsenes Schaf kostet 100 Euro.

In der Ferne sehen wir das Fagarascher Gebirge, einen Gebirgskamm der Karpaten.

Wieder unten im Ort versuchen wir vergeblich den Schlüssel für die Kirchenburg zu erhalten. Immer wieder taucht das Schlüsselproblem auf. Die Kirchenburgen, ob renoviert oder nicht, sind bis auf wenige Ausnahmen für Besucher verschlossen.

Im Ort werden einige Gebäude von einer österreichischen Stiftung unterhalten. Arme Kinder und Jugendliche können hier den Tag verbringen. Die Stiftung hat auch eine neue Musikschule gebaut. Sie ist seit dem Frühjahr fertig, hat aber kaum Schüler. Laut unseren Pensionsleuten ist es eine teure Fehlinvestition.

Wir treffen beim weiteren Dorfdurchgang einen ehemaligen deutschstämmigen Dorfbewohner, der den Sommer hier verbringt, im Winter wieder in Deutschland lebt. Er schimpft über die Zustände im Ort. Der Kirchenverwalter klaue, die Zigeuner arbeiten nicht und betteln, das Projekt Mühlenzentrum sei ihm suspekt.

Zwischen Feldern, Pferdewagen und Kirchenburgen.

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Sep 162013
 

DSC02990133. Reisetag

6215 km

 

Es ist kalt geworden. Trage meine Beinlinge zum ersten Mal nach dem Sommer. Rolf hat uns heute Richtung Bukarest verlassen. Mit dem Zug war er uns nach Medias und Sighisoara gefolgt. Bei wolkigem Himmel fahren wir los. Die Landschaft ist hügelig. Maisfelder und Wiesen begleiten uns. Nur einmal eine Ausnahme: drei Hirsefelder. Am Straßenrand stehen viele Walnussbäume. Leute vom Dorf holen die Nüsse mit Stöcken herunterholen und sammeln sie ein. Bemerke, das sich die Blätter bereits herbstlich einfärben.

In den kleinen Ortschaften gibt es wieder die Kirchenburgen. Manche im bröckelnden Zustand, andere renoviert. Sie sind verschlossen, eine Besichtigung nicht möglich.
Was soll mit diesen alten, nicht mehr genutzten Bauten geschehen. Die Rumänien haben ihre orthodoxen Kirchen, die Siebenbürger Sachsen sind verschwunden. Renovierung und Erhaltung ist aufwendig und teuer. Es wurde und wird viel gemacht. Aber für wen? Touristen sind auf dem Land nicht so oft anzutreffen. Wenn welche – wie wir – vorbeikommen, ist alles verschlossen.

An diesem Tag sind viele Pferdefuhrwerke unterwegs. Für ein Foto halten sie für mich auch schon einmal an. Einfach so, wenn ich die Kamera heraushole. Freue mich darüber. Wir wechseln ein paar Worte. Sie verstehen, dass wir aus Deutschland kommen.

Muss demnächst mal Zigaretten kaufen. Häufig wird per Handbewegung danach gefragt, habe natürlich keine dabei.

Einen kleinen Abstecher machen wir zu einer katholischen Kirche in einem kleinen abseits gelegenen Straßendorf. Unser Übernachtungsort ist nicht mehr weit und es ist erst nachmittags. Diese alte jetzt katholische Kirchenburg wird gerade renoviert. Ein Mann mit dem Kirchenschlüssel bemerkt uns und schließt auf. Ich besteige den Turm, was angesichts der steilen Treppe nicht ganz einfach ist. Oben hängen zwei große Glocken. Ich passe auf, der Boden ist voller Löcher. Von der Brüstung aus habe ich eine weite Sicht über Dorf und Landschaft.

Zum Besuch der vielen Kirchen möchte ich sagen, dass wir nicht auf einer religiös motivierten Pilgerreise sind. Es ist ein Interesse jenseits der Amtskirchen. Wir tauchen in eine interessante Vergangenheit ein und lernen viel von Alltag der Menschen damals und heute. Wir treffen Menschen, die deutsch sprechen und uns viel von sich erzählen.
Durch die Kirchenburgen besuchen wir kleine Ortschaften, können dort oft sogar übernachten. Ohne diese wären wir vorbeigefahren. Wir lernen das Leben hier ein wenig kennen.

Im Ort Agnita finden wir eine Übernachtungsmöglichkeit. Unser Abendessen können wir sogar aus einer dreisprachigen (rumänisch/englisch/deutsch) Speisekarte auswählen.
Das kleine Hotel ist neu, davor steht ein Porsche Cayenne. Kann mir nicht vorstellen dass so ein Auto und Haus durch die Einnahmen erwirtschaftet werden. Gibt wohl noch andere Wege der Geldbeschaffung.

Am nächsten Morgen ist es bewölkt und kühl, doch bald kommt die Sonne durch. Meine Beinlinge bleiben wieder in der Fahrradtasche.

Unsere Überlandfahrt geht weiter Richtung Sibiu. Wir sehen in der Ferne erstmals den schneebedeckten Gebirgskamm der Karpaten. Ich versuche nicht daran zu denken, dass ich diesen in der nächsten Zeit überqueren werde.
Wir fahren weiter durch das weite Harbach-Tal. Früher fuhr hier die Wusch, eine Schmalspurbahn. Doch von ihr geblieben sind nur überwachsene Gleise.
Es ist eine schöne Landschaft. Das Fahren bringt Spaß. Eine Fahrradgruppe von Wickinger-Reisen kommt uns entgegen. Im Ort Altina wird am Bürgermeisteramt ein LKW mit Mehl abgeladen. Es ist eine Hilfslieferung der EU und soll an die armen von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen verteilt werden.

In der kleinen Ortschaft Hosman/Holzmengen finden wir eine private Unterkunft mit Vollpension. Ein Restaurant gibt es nicht im Ort.