Thomas Kipp

Auf Nebenstraßen nach Bukarest.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Auf Nebenstraßen nach Bukarest.
Okt 042013
 

DSC03884151. Reisetag

6611 km

 

Ich möchte noch was zum Verständnis für die Hunden sagen. Auch wenn ich am Tage fast 1000 Hunde zum Bellen bringe. Sie sind fast alle hinter einem Zaun auf einem Grundstück und kommen nicht heraus. Die meisten Hunde auf der Straße haben Angst und laufen weg. Viele liegen zusammengerollt irgendwo herum. Es sind arme Kreaturen. Ganz wenige bellen, rennen mir nach und sind aggressiv. Es ist wie bei den Menschen, die wenigen störenden bestimmen die Sicherheitspolitik zum Nachteil aller.
Die große Menge an herumlaufenden Hunden ist ein großes Problem in Rumänien.

Die letzten Regentropfen fallen nach 4 Tagen Dauerregen. Mit 4 Grad ist es kalt am Morgen.
Verlasse Pitesti auf der Ausfallstraße zur Autobahn. Auf beiden Seiten der vierspurigen Straße stehen Plattenbauten, etwas außerhalb folgt eine Einkaufsmeile. Diese ist fest in der Hand der EU-Kettenläden.

Nach 8 km fährt alles auf die Autobahn Richtung Bukarest. Ich radle auf einer Nebenstraße weiter, die mich durch die flache Landschaft der Walachei mit kleinen Dörfern führt. Mal kreuzt eine Schafsherde meinen Weg, mal eine Rinderherde.

Vor mir fährt ein Pferdewagen der Roma. Besen und Körbe sind auf dem Planwagen festgebunden. Darin wird wohl auch geschlafen. Der Hund muss an einer Kette hinterherlaufen. Ich fahre vorbei und mir wird etwas zugerufen. Ich halte an und verstehe, sie möchten Zigaretten. Als Nichtraucher habe ich sogar welche dabei. Biete diese den Schafshirten an, wenn ich mich mit ihnen „unterhalte“. Ich gebe dem Roma-Paar Zigaretten. Danach erfolgt (leider) ein aufdringliches Betteln. Fahre sofort weiter. Ich weiß, dass sie unter sehr ärmlichen Bedingungen leben, aber durch diese Art des Bettelns erreichen sie nichts.
Eine Romagruppe hat sich auf das Sägen von Brennholz spezialisiert. Mit abenteuerlichen rußenden Traktoren sind sie unterwegs. Nach dem Wechseln des Treibriemens wird damit eine Säge angetrieben.
Die meisten Romas sind sesshaft und arm. Sie leben in einfachsten Unterkünften, meist in eigenen Siedlungen. Es gibt auch wohlhabende Romas mir schöne Häusern. Sie lieben Türme, Erker und Säulen.
Der Name Roma umfasst eine in zahlreiche Untergruppen gegliederte Minderheit. Es gibt keine in sich geschlossene Kultur der Roma, sondern eine Vielfalt von Roma-Kulturen.

Es ist wirklich eine Nebenstrecke, die ich mir ausgesucht haben. Der Asphaltbelag endet, der Weg wird sandig, steinig und matschig, ist trotz des vielen Regens aber noch befahrbar. Er mündet wieder auf einer Asphaltstraße auf der ich zu meinem Übernachtungsort Titu fahre. Dort gibt es eine Unterkunft und ich mache Zwischenstation auf meinem Weg nach Bukarest.

Der nächste Morgen ist kalt aber trocken. Meine Nebenstreckenfahrt mäandert weiter Richtung Bukarest. Fahre durch viele kleine Dörfer. Schaue in eine Mühle hinein in der die Bauern ihr Getreide und Mais zum Malen bringen. Auch an diesem Tag verschwindet der Asphalt über eine längere Strecke. Der abgeerntete Mais wird mit der Sichel geschnitten und zum Trocknen aufgestellt. Ich weiß nicht welches Tier das trockene Maisstroh noch essen mag, ist eher eine Hungernahrung.
Ich nähere mich der Hauptstadt. Der Verkehr nimmt deutlich zu. Durch endlose Plattenbausiedlungen nähere ich mich der Innenstadt. Es gibt einen Fahrradweg. Dieser ist leider hoffnungslos zugeparkt. Ich habe meine Unterkunft gebucht. Es ist ein kleines Apartment im 5. Stock eines alten Hauses. Werde einige Tage dort wohnen.

Regentage in Pitesti.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Regentage in Pitesti.
Okt 022013
 
DSC03687

Kulturpalast mit Theater und Läden.

149. Reisetag

6468 km 

 

In der Nacht war das Gebell der Hunde im Hinterhof lauter als die Musik der Hochzeitsfeier im Hotel.
Es ist ein trüber Sonntagmorgen, Regen ist angesagt. Ich hatte Glück das Fagaras-Gebirge trocken passiert zu haben. Die Passstraße liegt an diesem Tag bei Schneetreiben in den Wolken (laut Webcam).

Habe meine Route geändert. Wollte die Metropole Bukarest meiden, große Städte sind nichts für Fahrradfahrer. Mehrere Reisende schwärmten von der Stadt. Ich fahre also dort hin.

Die Tagesstrecke ist nicht weit. Es sind 40 km durch das Argestal bis zur nächsten größeren Stadt Pitesti.
Starte im Trockenen. Der Gesang aus der naheliegenden Klosterkirche dringt auf der Straße. Hört sich schön an.
Kaum habe ich Curtea de Arges verlassen holt der Regen mich ein. Erst als feiner Nieselregen, dann stärker werdend. Mit Wasser gefüllte Spurrillen und Pfützen machen das Fahren schwierig. Die Straße ist gerade und die Autos fahren schnell.
Eine Horde Straßenhunde kommt auf mich zu- und nachgelaufen. Sie bellen mich an und zeigen ihre Zähne. Halte an und vertreibe sie mit dem Dazer. Erschrecke mich jedes Mal wenn sie plötzlich auftauchen. Bin froh, nach zwei Stunden Regen in Pitesti anzukommen.
Fahre durch Plattenbausiedlungen in den nicht sehr schönen Innenstadtbereich. Dort suche ich mir ein Hotel. Mir ist klar, dass ich am nächsten Tag nicht weiterfahren werde. Die Wetteraussichten sind zu schlecht, kalt und viel Regen.
Den Nachmittag verbringe ich lesend im Zimmer. Das Abendessen ist kein Genuss. Das erste Restaurant verlasse ich wegen der lauten Musik. Habe dann länger das nächste gesucht (sonntags sind viele Lokale geschlossen). In diesem ist die Musik noch lauter, mein Stolz lässt mich nicht zurückgehen. Ich esse eine geschmacklose Pizza.

Wie erwartet prasselt der Regen die nächsten Tage weiter. Verlängere entsprechend meinen Aufenthalt in der Stadt. Über Regentage konnte ich mich seit dem Bodensee nicht beklagen, eher über die Hitze. Aber das ist lange her. Die Nachmittagstemperatur beträgt am Mittwoch nur 6 Grad bei Regen.
Lese viel, mache einen Bummel über die Einkaufsstraße. Es finden gerade Markttage mit regionalen Produkten statt. Viele Buden sind zu. In den offenen frieren die Verkäufer. Kunden sehe ich wenige.

In einem orientalischen Restaurant habe ich die nächsten Abendessen eingenommen – Linsensuppe und Falafel – bei dezenter arabischer Hintergrundmusik. Beim zweiten Besuch werde ich bereits mit Handschlag empfangen, bin zwischen 19 und 20 Uhr der einzige Gast.
Bei mir im Hotel ist seit Montag die Heizung angeschaltet – zentral. Eine Regelung im Zimmer ist nur mittels Fenster möglich.

Die Transfogarascher Hochstraße II.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Die Transfogarascher Hochstraße II.
Sep 282013
 
DSC03497

Insgesamt sind es 37 Kehren.

145. Reisetag

6428 km

 

Die Wolken hängen tief, unter und über mir. Ziehe zum ersten Mal seit dem Bodensee meine Stiefel an. Das Thermometer zeigt 9 Grad. Ich fahre kontinuierlich bergauf. Die nächsten zwei langen Straßenkehren bringen mich 6 km weiter und 400 m höher. Auf der einen Seite die Felswand, auf der anderen Seite der Abgrund. Wenn die Felsen nicht zu schroff sind wachsen Fichten am Hang. Oft habe ich einen Blick weit in die Ebene. Unten im Tal scheint die Sonne. Auf dem Berg gegenüber steigen die Wolken auf und ab. Ich erreiche das obere Tal, die Baumgrenze habe ich bereits überschritten. Der Abschnitt wird „Straße in den Wolken“ genannt, meine Sicht wird hier immer wieder getrübt durch aufsteigende Wolken.

Ich kann bereits die Endstation der Seilbahn und eine Hütte sehen, 400 m höher. In vielen Serpentinen windet sich die Straße durch die Graslandschaft des Tals nach oben. Da ich die gesamte Strecke vor Augen habe, komme ich gefühlsmäßig sehr langsam voran. Es gibt keine Überraschungen von der Landschaft. Jede Kurve der Straße sehe ich weit im voraus.

Je höher ich steige, desto kälter wird es. Oben auf 2042 m Höhe sind es 3 Grad. Drei  Stunden bin ich unterwegs gewesen bis zum Tunneleingang. Die Steigung hielt sich in Grenzen zwischen 6 und 9 Prozent. Nicht zu vergleichen mit dem Anstieg auf den Sölkpass in Österreich mit bis zu 14 Prozent Steigung und bei 30 Grad Hitze. Da hatte ich meine Grenzen gespürt.

Auf der Plattform gibt es jede Menge Stände. Wurstwaren und Schafspelzmützen neben diversen anderen Touristenartikel sind die Renner.
Es ist ungemütlich, trübe und kalt. Keine besondere Höhenstimmung kommt bei mir auf. Fahre nach kurzem Aufenthalt weiter. Habe mich warm angezogen, doppelter Pullover, Anorak und Handschuhe. Die innere Hitze des Anstieges gibt es bei der Abfahrt nicht.
Die Tunneldurchfahrt ist einfach dunkel trotz Fahrradlicht. Von der Decke tropft es, ein Auto kommt mir mit einem Höllenlärm entgegen.

Auf der anderen Bergseite scheint die Sonne. Trotz der warmen Strahlen bibbere ich. Der Wind bei der Abfahrt trägt dazu bei, dass die Kälte lange in mir bleibt. Steil geht es hinunter.
Es ist ein Phänomen, fahre ich hinunter sieht die Steigung immer viel steiler aus als wenn ich die gleiche Strecke hinauffahre. Ist natürlich für die Motivation der Bergfahrt gut.
Ins tiefe Tal kann ich nicht schauen. Es gibt immer wieder Bergrücken, die umfahren werden müssen. Ich erreiche weit unten den Vidraru-Stausee, an dem sich die Straße in einem ständigen auf und ab über 20 km entlang schlängelt. Von der Staumauer aus kann ich noch einmal auf die Berge zurück schauen. Eine Meute von Straßenhunden kommt bellend auf mich zu. Kann sie mit meinem dog-dazer in Abstand halten. Sie verziehen sich mit eingezogenem Schwanz.
Mit den Hunden ist es so eine Sache in Rumänien. Viele Leute haben Hunde und nicht nur einen. Es gibt aber noch viel mehr herren-/frauenlose auf der Straße, es sind oft arme abgemagerte Kreaturen. In der Meute können sie stark werden. Nachdem ein Kind von Hunden getötet wurde gibt es ein neues Gesetz. Freilaufende Hunde sollen eingefangen und eingeschläfert werden, wenn in einer Frist von 14 Tagen keiner den Hund abholt. Die Tierschützer laufen Sturm dagegen.

Nach der Staumauer geht es nochmals steil bergab in ein enges Tal.
Bin müde vom Tage und übernachte in einem kleinen Ort im Hotel.

Am nächsten Tag fahre ich 25 km weiter in die Stadt Curtea de Arges. Besuche ein altes orthodoxes Kloster. Rund um die Kathedrale sind angezogene Schaufensterpuppen gruppiert. Drinnen wird gerade eine Hochzeit gefeiert. (Bei mir heute Abend im Hotel auch.) Auf dem Klostergelände werden von einem anderen Paar bereits die Hochzeitsfotos geschossen. Es ist ein lukrativer Bereich für Fotografen.

Eine alte Basilika aus dem 14. Jahrhundert mit alten Fresken ist die zweite Sehenswürdigkeit in der Stadt. Auch diese schaue ich mir an.

Die Transfogarascher Hochstraße I.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Die Transfogarascher Hochstraße I.
Sep 262013
 

DSC03381

 

143. Reisetag

6327 km

 

Der Morgenhimmel ist trübe. Nehme von Helmut Abschied. Unsere gemeinsame Tour war sehr schön. Ich weiß gar nicht, ob ich ohne ihn so tief in Siebenbürgen eingedrungen wäre.

Mein Weg führt mich weiter Richtung Süden. Als Barriere liegen die Karpaten vor mir. Es gibt eine stark befahrene Europastraße, die entlang des Olt-Flusses mit nur 500 m Höhe die Gebirgskette passiert. Diese Straße möchte ich meiden. Ich wähle die Herausforderung, die Transfogarascher Hochstraße. Sie überquert das Făgăraș-Gebirge der Karpaten und ist nur in den Monate Juli bis Oktober befahrbar.

Die hochalpine Straße wurde im Auftrag von Ceaușescu gebaut und hatte neben einem touristischen auch einen militärischen Zweck.
Sie windet sich in zahlreichen Serpentinen auf eine Höhe von 2042 m und unterquert den Gebirgskamm der Karpaten in einem 887 Meter langen Tunnel. Es ist die zweithöchste Straße Rumäniens und hat eine Länge von 91 km.

Am ersten Tag fahre ich zum Ausgangspunkt der Hochstraße. Entlang an Flüssen und durch weite landwirtschaftlich genutzte Täler. Viele Pferdefuhrwerke sind unterwegs. Auf einem Kartoffelacker hält der Bauer den Pflug, seine Frau führt das Pferd. So müssen die Kartoffeln nicht mühsam mit der Hacke aus der Erde geholt werden. Auf einem anderen Feld hackt ein Mann die geernteten Maisstauden heraus. Ein Hirte bewacht die Rinderherde auf der anderen Flussseite. Ich unterhalte mich auf Englisch mit der Frau eines Schäfers. Sie steht mit ihrem Kind (und Auto) am Straßenrand. Ihr Mann führt gerade seine Schafsherde vorbei.
Sie hat Englisch, Spanisch und Französisch studiert, macht gerade drei Jahre Babypause. Vorher und danach wird sie wieder in Sibiu arbeiten. Sie findet es gut, dass sie in einem anderen Bereich als die Schafszucht arbeitet. Ihr Mann kommt aus einer Schafszüchterfamilie. Er und seine zwei Brüder haben an die 600 Schafe in verschiedenen Herden. Erfahre einiges über die Schafszucht. Lämmer sind im Frühjahr teurer, da die Schafe den Winter über gefüttert werden müssen. Wenn Schafsherden über die Wiesen und Felder ziehen müssen die Schäfer an die Grundeigner zahlen. Jedes Jahr gibt es Verluste durch Bären und Wölfe.

Nach nur 50 km erreiche ich mein Ziel und übernachte in einem Motel. Oberflächlich betrachtet ist das Haus in einem passablen Zustand. Aber: bei mir im Zimmer tropft Wasser aus der Heizung auf den Holzboden, Türgriffe halten so gerade noch, die Dusche im Bad hat keinen Vorhang usw. Leider ist es typisch für viele rumänische Unterkünfte. Würde alles in Ordnung gehalten, wären die Folgekosten gering und der Wert bliebe erhalten.

Beim Abendspaziergang sehe ich den Gebirgszug der Karpaten bei blauem Himmel. Auf den Gipfeln liegt Schnee. Am nächsten Tag fahre ich auf die Transfogarascher Hochstraße. Mein GPS-Gerät zeigt mir eine Starthöhe von 400 m an.

Am Abend war noch das schönste Wetter, am Morgen ziehen dunkle Wolken auf und es beginnt zu regnen. Hülle mich regendicht ein. Anfangs werden auf den Feldern an der Straße noch Kartoffeln herausgeholt, es wird gepflügt, Pferdewagen und Traktoren sind unterwegs. Bald schon windet sich die Straße den bewaldeten Berghang hoch. Der Regen hört zum Glück auf. Die Temperaturen zwischen 12 und 17 Grad sind sehr angenehm, die Steigung mit 4 bis 8 Prozent ist nicht zu anstrengend. Am Straßenrand steht ein Auto. Ich grüße und fahre weiter. Der Fahrer läuft hinter mir her und überreicht mir eine Tafel Schokolade als Energiespender. Freue mich über solche Erlebnisse.
An einem Steilhang habe ich eine großartige Sicht auf die Gipfel der Berge. Eine schöne Belohnung für die Anstrengung. Sehe aber auch, was mir noch bevorsteht.

Der Verkehr ist sehr gering. Treffe nur auf eine Motorradgruppe. Es sind Dänen, die sich in Bukarest ein Motorrad geliehen haben. Zwei rumänische Mountain-Biker (ohne Gepäck) überholen mich.

Damit die Bergetappe nicht zu anstrengend wird, lege ich bereits nach 25 km und 800 Höhenmeter eine Übernachtungspause ein. Das Hotel Balea Cascada liegt in der Nähe eines Wasserfalls. Von hier aus kann der höchste Punkt der Passstraße mit einer Seilbahn erfahren werden. Dort liegt der Balea See in 2040 m Höhe.

Am Nachmittag mache ich einen längeren Spaziergang und versuche den Wasserfall zu erreichen. Die Berge sind steil, ich finde nur einen Wanderweg. Dieser führt in einiger Entfernung am Wasserfall vorbei und geht weiter den Berg hoch. Eine Klettergruppe seilt sich neben dem Wasserfall ab. Da ich den Berg ich nicht ersteigen möchte drehe ich um.