Thomas Kipp

Entlang der Schwarzmeerküste.

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Nov 012013
 

DSC05310179. Reisetag

7301 km

 

Um 5.45 klingelt mein Wecker. Trotz der frühen Zeit bin ich ausgeschlafen. Die Zeitumstellung verdränge ich. Es ist für mich eine Stunde später, dann wird es auch abends später dunkel. Der Schiffstermin ist eine Ausnahme. Hell und dunkel draußen beeinflussen mich, aber keine Uhrzeit.

Wie am vorherigen Tag ist alles in Nebel getaucht. Das gegenüber liegende Ufer der Donau ist nicht zu sehen. Ich setze mich in den Innenraum des Schiffes, draußen ist es kalt und feucht. Zwei weitere Touristen sind an Bord gekommen, ein Franzose und eine Amerikanerin, die vorübergehend in Berlin lebt. Ein Hund ist ihnen gefolgt. Jetzt lebt er mit ihnen. Sie fahren trampend durch das Land und hatten in Strandnähe ihr Zelt aufgebaut. Denke an mein ungenütztes Zelt im Gepäck.

Die Fahrt ist abwechslungsarm. Der südliche Donauarm fließt durch sandige Gebiete. Schilffelder gibt es keine. Das Land beidseitig des Flusses ist mit Pappeln und Weiden bewachsen. Um 10.30 Uhr legt das Schiff in Mahmudia an. Ich steige aus und freue mich auf die Landstraße.
Im nächsten Ort trinke ich einen Kaffee, zu essen gibt es im Restaurant nichts. Es ist Nebensaison. Ich durchfahre flaches Land mit großen Feldern. In der Ferne tauchen Hügel mit Windrädern auf, davor wird eine Schafsherde über die Stoppelfelder getrieben.

Zwei Reiseradlermädels aus Berlin kommen mir entgegen. Sie haben die Schule beendet und danach sind sie auf Donautour gefahren.

Auf einem Feld sehe ich Frauen etwas aus der Erde holen. Denke an eine verspätete Kartoffelernte. Es werden Petersilienwurzeln herausgeholt und in Säcke gepackt.

Ich fahre entlang der Schwarzmeerküste Richtung Süden. Vom Meer durch schmale Landzungen abgetrennte kleine und große Seen bestimmen die Küstenlinie. Sie gehören noch zum Naturschutzgebiet Donaudelta.

Im kleinen Ort Sarichiol übernachte ich in einer Pension direkt an so einem See. Es ist der große Lacul (See) Razim. Vor meinem Fenster liegen viele kleine Fischboote. Die Netze sind bereits für die nächste Ausfahrt vorbereitet.

Am Abend bekomme ich ein üppiges Fischgericht. Mein Omega-3-Depot ist gefüllt. Die letzte Woche im Delta gab es nichts anderes als Fisch für mich zu essen.

Am nächsten Tag schafft es die Sonne wieder nicht die Hochnebelbänke zu durchdringen. Es bleibt trübe. Da denke ich schon mal an zu Hause, wie angenehm es wäre vor dem Kamin zu sitzen, zu kochen und ein gemütliches Umfeld zu haben. Möchte den Sattel trotzdem nicht gegen das Sofa tauschen.

Die Straße ist in guter Qualität mit erstaunlich wenig Verkehr. Sobald ich etwas ins Innenland fahren muss wird es hügeliger. Die Steigungen halten sich in Grenzen.
Auf einem Berg direkt an der Küste stehen die Ruinen einer die alte römische Festung, weiter unten sind die Grundmauern (von was auch immer) freigelegt. Nach dem Rundgang bin ich voll von Kletten. Beim Absammeln an der Kleidung bleiben diese mit Widerhaken an den Fingern hängen. Es pickst und am Abend finde ich meine Pinzette nicht. Habe sie irgendwo sicher verstaut.

Bei der Weiterfahrt mache ich einen kurzen Stop bei einem Schäfer, danach bei einem Kuhhirten.

Schaue mir die nächste antike Stätte an, die griechisch-römische Festung Argamum. Im 7. Jahrh. v. Chr. besiedelt, im 7. Jahrh. n. Chr. wieder verlassen. Der kleine Umweg hat sich für die Trümmerreste nicht gelohnt. Der Blick über den See ist aber schön gewesen.

Es fängt an zu nieseln. Ich übernachte in einer Straßenpension im Ort Baja.

Tief im Donaudelta.

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Okt 302013
 

DSC05118177. Reisetag

7195 km

 

Ein kleines Motorboot pendelt in Sulina von einer Seite der Donau zur anderen. Eine Fähre gibt es nicht. Ich mache an diesem Tag einen Fahrradausflug und lasse mich hinübersetzten. Eine holperige Schotterstraße ist auf einem Damm entlang eines Kanals angelegt und ich dringe in die Deltalandschaft ein. Auf beiden Seiten weite Schilflandschaft, manchmal ein kleiner Querkanal, mehr ist nicht zu sehen. Nach 10 km durchquere ich einen Ort mit wenigen Häusern. Reet ist ein vielgenutztes Baumaterial für Dächer, Ställe und Zäune. Neben den Häusern gibt es kleine Gemüsegärten. Sogar Weinreben wachsen auf einem Feld. Die Schilflandschaft ist durch eine sandige mit spärlichem Gras und Binsen bewachsene Ebene abgelöst. Sie erinnert mich ein wenig an die Steppe in Afrika. Kühe laufen herum, in der Ferne taucht ein Pferdefuhrwerk auf. Mitten in der Einsamkeit steht eine alte Frau und wartet auf eine Transportmöglichkeit.

Ich erreiche den nächsten etwas größeren Ort. Dominierend ist die orthodoxe Kirche mit vielen Türmen. Es gibt eine kleine Schule. Und wie in den anderen Orten sind die Häuser und kleinen Gehöfte von einem Zaun gegen Einblicke geschützt. Mein Ziel liegt 5 km weiter hinter dem Ort Letea. Dort gibt es einen Wald, der als geschützter Bereich im Deltagebiet ausgewiesen ist. Dieser darf unter Androhung einer hohen Strafe nur mit einem Führer betreten werden. Im Ort treffe ich kaum Menschen und keinen der mich versteht. Es gibt nur einen Anschlag der auf das Verbot zum Betreten des geschützten Waldes hinweist.

Meine Unternehmung erfolgte spontan. Hätte mich vorher Erkundigen sollen wie ich hineinkomme. Mit dem Fahrrad wäre ein Besuch auf den sandigen Wegen nicht möglich. Kehre wieder um. Habe so einen schönen Ausflug ins Deltainnere gemacht.
Beim Rückweg fahre ich wieder an der wartenden Frau vorbei. Sie ist nur 3 km weitergekommen, ein Pferdefuhrwerk hat sie wohl mitgenommen. Zwei Autos sind mir an diesem Tag begegnet.

Am nächsten Morgen packe ich meine Sachen und verlasse Sulima mit dem Fahrrad um den südlich gelegenen Donauarm zu erreichen. Von dort aus geht es mit dem Schiff am Donnerstag zurück.
Ich fahre wieder auf einem Schotterweg. Im Vergleich kommt mir der holprige Weg vom Vortag als gute Straße vor. Werde kräftig durchgeschüttelt und muss sehr auf den Weg achten. Zu schauen gibt es auch anfangs nicht viel. Auf der einer Seite ein Kanal, auf der anderen weite Schilfflächen.
In der Ferne erahne ich ein Meeresrauschen, sehen kann ich es nicht. Über die 35 km bin ich das einzige Fahrzeug auf der Straße. Im Kanal nebenan ist etwas mehr los. Ab und zu ein Motorboot. Auf halber Strecke an einem See liegt ein Ausflugsschiff, wohl als Unterkunft für die vielen Angler gedacht. Diese reisen aber vorwiegend mit den kleinen Motorbooten an.

Nach ca. 20 km wird der Schilf von mit Gras und Binsen bewachsenen Sumpfflächen abgelöst. Auf ihnen weiden Kühe und einige Pferde.
Ganz in der Ferne steht ein einzelnes Haus. Im Kanal liegt ein Schiff, das eine Plattform transportiert hat. Ich unterhalte mich mit der Drei-Mann-Besatzung. Den angebotenen Wein lehne ich mit Erfolg ab. Etwas später sehe ich auch welche Fahrzeuge auf der Plattform transportiert wurden. Traktoren mit extrem breiten Reifen kamen aus Richtung Meer durch den Sumpf gefahren.
Am Wegesrand wächst jetzt Sanddorn. Stimmt mit dem Untergrund überein. Es ist sandig. Die letzten Kilometer nach St. George muss ich das Rad schieben.
Altweibersommer gibt es auch hier. Das Fahrrad und ich sind vollkommen mit Fäden verspannt.

In dem kleinen Ort gibt es eine neu angelegte Marina, wohl von der EU bezahlt. Jachten sehe ich keine, aber viele der kleinen offenen Motorboote liegen dort angetaut.
Chris, der mich im Hafen von Sulina abgefangen hatte, organisierte mir auch hier eine private Unterkunft. Bin in einem Haus von zwei Frauen untergekommen, die mich bekochen. Eine entfernte jüngere Nachbarin spricht englisch und hilft bei der Verständigung.

Die Zeitumstellung gab es auch in Rumänien. Um 17 Uhr wird es bereits dunkel. Die Abende werden lang, besonders wenn ich off-line bin.

Am nächsten Morgen trieft alles vom Tau. Meine Wäsche vom Vortag ist nasser als beim Aufhängen. Mache eine kleine Rundtour. Komme nicht weit, das Wasser steht auf den Wegen. Weiß nicht wo es herkommt. Es hat in der letzten Zeit nicht geregnet. Pkws habe ich nicht gesehen, nur einige Traktoren fahren auf den sandigen Straßen.

Die Meile Null.

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Okt 272013
 

DSC05020174. Reisetag

 

Am Morgen habe ich viel Zeit. Die Abfahrt des Schiffes ist um 1:30 Uhr. Kaufe etwas zu essen ein und gehe um 11 Uhr in den Hafen und suche die Anlegestelle. Auf zwei Schiffen herrscht bereits reger Betrieb. Eins davon ist meins. Setze mich aufs Deck und schaue dem Beladen zu. Von Baumaterial bis zu Eiern wird alles befördert. Zwei Stunden lang werden die Güter auf das Schiff geschleppt um ins Innere des Deltas zu gelangen. Wir verlassen den Hafen pünktlich.

Die Fahrt auf dem Donauarm ist wenig abwechslungsreich. Habe das Gefühl wir fahren durch einen breiten Kanal. Die Ufer sind durch Steinwälle geschützt, dahinter befinden sich Felder, manchmal Seen und weite Schilflandschaften. Am Ufer und von kleinen Booten aus sind viele Angler aktiv. Die Häuser in den kleinen Orten haben oft Reetdächer, sehr vernünftig, denn es wächst in Mengen hier. Wir halten einige Male in kleinen Ortschaften. Dort wird ausgeladen, was in Tulcea eingekauft wurde.

Pünktlich nach 4 h Fahrt und 75 km Strecke erreichen wir Sulina an der Donaumündung. Beim Aussteigen werde ich von einem Mann bezüglich einer Unterkunft angesprochen. Ich  lasse mich zu einer privaten Unterkunft „abschleppen“. Der Preis stimmt, bekomme ein Frühstück und habe eine WiFi-Verbindung.

Christian (der Abschlepper) spricht gut Englisch. Wir trinken in einer Bar ein Bier zusammen. Er erzählt von seinem Boot, mit dem er Touristenausflüge macht. Wir einigen uns, denn das Delta möchte ich auch mit einem Boot erfahren.

Am nächsten Tag schaue ich mir ein wenig die Stadt an. An der Hafenpromenade liegen einige große Schiffe und viele kleine Motorboote. Zwei alte Kirchen werden zur Zeit renoviert. Die Fischfabrik steht leer und ist bald eine Bauruine.

Ich besuche den alten Leuchtturm, der jetzt ein kleines Museum ist. Laufe über den alten Friedhof, auf dem Menschen vieler Nationen begraben liegen und erreiche das Schwarze Meer. Die See ist ruhig. Ein weißer Sandstrand liegt vor mir.

Am Sonntag starte ich meine Bootsfahrt. Wir fahren die Donau hinunter zur Meile Null. Im Gegensatz zu anderen Flüssen zählt man die Flussmeilen hier von der Mündung an aufwärts.

Auf beiden Seiten des Flusses ist ein Steinwall, der weit ins Schwarze Meer hinein reicht. Jedes Jahr wird dieser etwas länger bedingt durch die Ablagerungen der mitgeführten Sedimente.

Wir fahren ca. 15 km seewärts (in der Donaurinne) um von hier aus einen Schlenker in eine nördlich gelegene Bucht zu machen. In der Bucht schwimmen vor allem Schwäne, Kormorane und weitere Wasservögel. Die Wildgänse werden erst im November hier eintreffen. Die vielen Pelikane (die es hier geben soll) haben sich bereits nach Süden verzogen. Fünf Exemplare, wahrscheinlich die Alten, bekomme ich zu sehen.
Vor uns im Wasser steht ein Grenzpfosten Ukraine/Rumänien. Entlang am schilfbewachsenen Rand der Bucht fahren wir Richtung Ufer und gelangen durch Kanäle ins Binnenland. Links und rechts hohes Schilfgras, ab und zu ein Boot mit Anglern. Vom Wasser aus ist nicht allzu viel zu sehen. Die kleineren Kanäle sind etwas abwechslungsreicher. Die Bäume spiegeln sich im Wasseer. Ab und zu fliegt ein Fischreiher auf und ich sehe sogar einen Eisvogel.
Habe höhere Erwartungen an die Bootsfahrt gehabt. Liegt wohl auch an der fortgeschrittenen Jahreszeit das Pflanzen und Vögel sich bereits zurückgezogen haben. Vom Fahrrad aus sehe ich deutlich mehr vom Land.

Tulcea.

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Okt 242013
 

DSC04869171. Reisetag

 

In Tulcea übernachte ich bei Lili und Livio. Trotz enger Wohnverhältnisse in ihrem Zweizimmerhaus hat Livio mich eingeladen. Ich schätze die Gastfreundschaft sehr. Am Abend treffen sich bei ihnen vor dem Haus unregelmäßig und nicht extra eingeladen die männlichen Nachbarn zu einer geselligen Runde. Sie kommen einfach vorbei, bringen Wein mit und setzten sich dazu. Es wird für mich ein interessanter Abend. Ich erfahre wieder etwas mehr über das Land.
Der Beitritt zur EU wird nicht positiv beurteilt. Die Partner sind zu unterschiedlich. Das arme Rumänien hat mit seiner Wirtschaft keine Chance. Die marktbeherrschenden Konzerne der EU haben einen neuen Absatzmarkt bekommen. Es wurden/werden zwar Produktionsstätten in Rumänien geschaffen. Das Karussell dreht sich aber schnell weiter.
Z.B. die Handy-Produktion von Nokia. Diese wechselte von Bochum nach Rumänien. Aber bereits nach drei Jahren wird auch dort das Werk geschlossen. Wieder verlieren über 2000 Arbeiter ihren Arbeitsplatz.
Natürlich möchten sie auch von mir vieles wissen. Weshalb fahre ich alleine, was sagt meine Frau dazu, wie hoch ist meine Rente, was hatte ich verdient und vieles mehr.
Nicht allzu spät löst sich die Gesellschaft auf.

Am nächsten Tag ziehe ich in ein Hotel um. Die Einschränkungen für meine Gastgeber sind sehr groß und dann fühle ich mich nicht wohl.
Als ich mein Fahrrad aus dem Hinterhof hole, falle ich durch eine Unaufmerksamkeit eine Treppe hinunter. Bekomme viele blaue Flecke und einen Schnitt in den Finger. Bin aber noch gut beweglich. Die meisten Unfälle passieren halt am Haus/im Haushalt.

Ich schaue mich in der Stadt um, streife entlang der Hafenpromenade. Dort liegen viele Schiffe zur Erkundung des Donaudeltas am Kai.
Tulcea ist eine alte Stadt. Bereits im 8. Jahrhundert wurde sie als griechische Siedlung gegründet und ist immer eine bedeutende Hafenstadt geblieben. Das Alter sieht man nicht, nur Relikte im Museum. Keine alten Gebäude, hässliche alte und neue Industrieanlagen in der Peripherie, Plattenbauten und neu angelegte Plätze im Zentrum.

Am Abend bin ich bei Livio zum Fischessen eingeladen. Die Nachbarschaftsrunde kommt wieder zusammen. Die Donaufische werden gegrillt und dann mit Gewürzen und Tomatensoße gekocht, eine rumänische Spezialität. Schmeckt zusammen mit Brot vorzüglich.

Im Hotelzimmer ist wieder die Heizung nicht auszustellen. Meine Beschwerde darüber wird mit dem Hinweis begegnet, machen sie doch die Klimaanlage an. Es wiederstrebt mir sehr, aber ich befolge den Rat. Das Fenster kann ich wegen dem Straßenlärm nachts nicht auflassen.

Tulcea ist der Ausgangspunkt für die Fahrten in das riesige Biosphärenreservat des Donau-Deltas. Bei Tulcea teilt sich die Donau in drei Arme: den Chilia-Arm, er bildet die Grenze zur Ukraine. Der Sulima-Arm, der auch für Hochseeschiffe befahrbar ist und den St.-Georgs-Arm, welcher sich in vielen Windungen zum Schwarzen Meer hin schlängelt. Dazwischen gibt es unzählige Kanäle und Seen.

Ich hole Erkundungen für meine Weiterfahrt mit dem Schiff ein. In der Stadt gibt es ein Informationszentrum, in dem ich ausgezeichnetes kostenloses Kartenmaterial erhalte. Mein Erstaunen darüber wird mit Hinweis auf die EU beantwortet. Diese zahlt dafür.
Mit dem Linienschiff werde ich am Freitag mit Rad und Gepäck nach Sulima, einem kleinen Ort am Schwarzen Meer fahren.