Thomas Kipp

Gespensterstädte im Winter.

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Nov 112013
 

DSC05737189. Reisetag

7688 km

 

Am Morgen geht es hinein in die Hügellandschaft, abseits von der Küste. Die wenigen Orte dort sind durch eine Stichstraße aus dem Landesinneren zu erreichen. Der Verkehr auf der Europastraße hat zugenommen. Sie verbindet die großen Küstenstädte Varna und Burgas. Die Straße ist breit, so hält sich die Belästigung in Grenzen. Eine Ausweichmöglichkeit gibt es für mich nicht.

Wälder in bunten Herbstfarben bedecken die oberen Hanglagen. In tieferen Lagen wird Ackerbau auf großen Feldern betrieben. Manchmal sind die Hänge mit Weinreben bepflanzt. Die Hügellandschaft ist dünn besiedelt. Wenige Ortschaften liegen auf der Strecke.
Nach 65 km und 750 Höhenmetern gelange ich in meinen geplanten Übernachtungsort Obzir.
Dieser kündigt sich durch einen Sandstrand mit diversen großen und kleineren Hotelkomplexen an. Im Ort wird die Küste etwas steiler. Das Meer ist nicht zu sehen, da die Sicht durch Hotels blockiert wird. Alle ist geschlossen, der halbe Ort vernagelt.
Nur durch Fragen finde ich eine Unterkunft. Sie ist preisgünstig und gut. Vom Balkon aus sehe ich sogar das Meer. In der Nacht höre ich es rauschen. An diesem Tag bin ich früh müde und schlafe bereits um 19 Uhr fest ein.

Am nächsten Tag liegen die östlichen Ausläufer des Balkangebirges vor mir. Es geht nicht kontinuierlich in die Höhe. Immer wieder sind Täler zu durchqueren. Nach der Passhöhe von 440 m beginnt die rasante Abfahrt. Ich durchfahre Hochnebelfelder, die bis ins Tal reichen. Es wird kalt. Die Küste liegt auf der südlichen Bergseite unter einer Dunstschicht.

In der Hafenstadt Nessebar auf einer kleinen felsigen Halbinsel im Schwarzen Meer beende ich meine Tagesstrecke. Mit ihren bedeutenden antiken Bauwerken und ihrer einmaligen Lage ist die Stadt UNESCO Welt-Kulturerbe.
Ihre Gründung ging aus einer thrakischen Siedlung hervor und wurde im späten 6./frühen 5. Jahrhundert v. Chr. von Griechen besiedelt.

Bevor ich die Stadt erreiche durchfahre ich wieder ein Kontrastprogramm. Zehn Kilometer Hotelkomplexe. Sie stehen in mehreren Reihen vor dem Sandstrand und ragen zum Teil weit in die Höhe. Wer möchte da nur Urlaub machen?

Auf der Halbinsel gibt es Dank UNESCO eine Bauordnung. Keine Hochhäuser oder massigen Komplexe stören. Auf einem schönen Uferweg kann ich die Insel zu Fuß umrunden. Überall stoße ich auf die antiken Zeitzeugen in Form von restaurierten Ruinen.
Im kleinen Fischereihafen werden die Netze für den Fang geordnet. Auf einem anderen Kutter werden nach dem Fang die kleinen Fische sortiert.

Ich schlafe schnell ein. In meinem Traum muss ich meine Diplomprüfung endlich abschließen. Frage mich aber wozu? Ich benötige dieses Diplom in Geologie nicht mehr. Wache auf. Diesen Traum hatte ich schon lange nicht mehr. Was habe ich nicht verarbeitet?

Die Fahrt am nächsten Tag bringt keinen Spaß. Auf der Europastraße herrscht ein reger Verkehr. Sie ist erst zweispurig, dann vierspurig ohne Standstreifen. Die Autos rauschen an mir vorbei. Ich konzentriere mich auf den Verkehr, habe den Rückspiegel im Auge. Am Straßenrand stehen die Verbotsschilder für Pferdefuhrwerke und Fahrräder. Das ist zusätzlich unangenehm. Es gibt keine andere Straße. Bin froh endlich die Stadt Burgas zu erreichen. Dort kann ich auf einem Fahrradweg direkt an der Küste ins Zentrum fahren. Was für ein Vergnügen. Auf der Uferpromenade sind viele Menschen unterwegs. Ich finde meine Unterkunft und mache einen Bummel durch die belebte Fußgängerzonen.

Über die Wetterlage bin ich ausgesprochen zufrieden. Ein besser temperiertes Radlerwetter kann ich nicht erwarten. Die Temperaturen lagen in den letzten Tagen bei Sonnenschein zwischen18 bis 20 Grad, da lief der Schweiß trotz Bergfahrt nicht.

Im Spiegel online lese ich, dass die Olympischen Winterspiele in Deutschland nicht erwünscht sind. Da bewegt sich was in Deutschland.

Die Schwarzmeerküste in Bulgarien.

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Nov 082013
 

DSC05603186. Reisetag

7537 km

 

Den ersten Abend in Bulgarien verbringe ich in einer Bucht am Schwarzen Meer im kleinen Ort Balcik. Da wo die Touristen Urlaub machen. Nur es sind keine da. Gelockt hat mich das schöne Wetter, einfach auf der Terrasse eines Hotels sitzen zu bleiben und mich von der Sonne wärmen zu lassen. Dabei schaue ich auf das ruhige Schwarze Meer. Eigentlich wollte ich noch 50 km weiterfahren. Das wird erst am nächsten Tag geschehen.

Den Vormittag verbrachte ich auf der Europastraße, die von Rumänien über Bulgarien und weiter in die Türkei geht. Nur dort heißt sie nicht mehr so. Autos fuhren nur vereinzelt an mir vorbei, die Straße war gut, die Landschaft langweilig. Auf beiden Seiten der Straße liegen die endlos großen Felder. Es gibt noch weniger kleinere Parzellen als in Rumänien.
Nach einem Bericht im Internet (Dez. 2012) vereinnahmen in Bulgarien zwei Prozent der Empfänger rund 50 Prozent der gesamten Flächenprämien der EU. Mit anderen Worten, Großbetriebe werden mit Brüsseler Subventionen weiter gemästet.
Einen Streifen Meer sah ich nur in der Ferne in der Sonne glitzern. Der Wind hat sich gegenüber gestern um ca. 45 Grad auf Nordwest gedreht. Anfangs schob er mich von schräghinten, nach einer Richtungsänderung der Straße drückte er von vorne gegen mich.

Nach ca. 50 km verlasse ich die Hauptstraße und fahre auf kleiner Straße hinunter zur Küste. Der steile Hang besteht aus weißem Kalk. Ca. 100 m geht es hinunter. Das Umfeld und meine Stimmung ändern sich. Die Sonne scheint warm, das nahe Meer ist türkisblau. Ich bekomme Urlaubsgefühle. Und wo es schön ist gibt es Touristen, nur nicht zur Zeit. Mit ihnen ist meist ein gewisser Komfort verbunden. Die Speisekarte ist auf Englisch, das Essen gut. Von meinem Hotelbalkon (erste Reihe) schaue ich aufs Meer. Ich genieße den sonnigen Nachmittag.
Mein Frühstück nehme ich am nächsten Morgen auf der Terrasse ein, es ist bereits warm. Die Weiterfahrt erfolgt direkt am Meeresufer auf einem befestigten Damm – die ersten vier Kilometer. Danach ist die Brandung stärker gewesen als die Bauplaner vermutet hatten. Die Straße ist unterspült und der Beton gebrochen. Ich muss aber nicht zurückfahren. Ein steiler Weg schlängelt sich 80 m in die Höhe und erreicht eine befestigte Straße. Bergrauf und -runter geht es im sicheren Abstand zum Meer weiter zur Europastraße. Unter mir liegen am Ufer große Hotelkomplexe. Da hatte ich Glück, im Ort der vergangenen Nacht sind die Bauten überschaubar gewesen.

Eine weitere Ferienlandschaft liegt unter mir. An einer Stelle ist der Steilhang mit Häusern und Straße ins Rutschen gekommen. Fußgänger und Fahrradfahrer können jedoch passieren.

Die Strecke an diesem Tag ist nicht weit. Am frühen Nachmittag erreiche ich die große Hafenstadt Varna. Suche mir ein Hotel und durchstreife die Stadt. Es gibt eine alte römische Therme, eine Fußgängerzone mit den Kettenländen und eine große Kirche. Und bestimmt noch viel mehr sehenswertes, aber um 5 Uhr nachmittags wird es bereits dunkel.

In Bulgarien wird kyrillisch geschrieben. Die Ortsnamen stehen in lateinischer Schrift darunter. Mit der Orientierung im Ort ist es schwieriger. Die Straßennamen sind nur kyrillisch, auf meinem Stadtplan stehen sie in lateinischer Schrift.
Auch mit dem Essengehen ist es nicht so einfach. Die Speisekarten sind für mich nicht lesbar. Zum Glück ist das Wort Pizza international.

Die Zahl der freilaufenden Hunde hat sich schon bald nach der Grenze deutlich reduziert. Ich werde kaum noch angebellt.

Bye-bye Rumänien.

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Nov 062013
 
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Monotonie auf der Europastraße.

184. Reisetag

7432 km

 

Mein letzter Tag in Rumänien hat begonnen. Schönstes Wetter draußen. Vom Fenster aus kann ich den Wind zum Glück nicht sehen.

Auf einer vierspurigen Straße verlasse ich Constanta. Nach 10 km flaut der städtische Verkehr deutlich ab und ich muss weniger aufpassen. Wenn ich die Landschaft auf einer Hauptstraße durchfahre bekomme ich von meinem Umfeld deutlich weniger mit. In den kleinen Orten lädt auch nichts zum verweilen ein.
Ich durchfahre Orte mit Namen wie „23. August“ (Nationalfeiertag. Am 23. August 1944 hatte Rumänien im Zweiten Weltkrieg auf die Seite der Alliierten gewechselt.) und „2. Mai“ (dazu gibt es kein markantes Ereignis). Ich mache einen Schlenker auf einer Nebenstraße zur Küste hin. Die Ortsnamen sind Olymp, Neptun, Jupiter, Venus und Saturn. Alles Touristenorte mit vielen Hotelkomplexen und im November ausgestorben. Glaube es leben zur Zeit nur Sicherheitsleute zur Überwachung und Hunde hier. Kein Laden, Restaurant oder Hotel was geöffnet ist.

Direkt am Meer kommt mir der Wind in voller Wucht entgegen. Windstärke 4 mit Sturmböen war die Voraussage gewesen, aus meiner Fahrtrichtung kommend. Sand weht mir in die Augen. Meine Geschwindigkeit sinkt unter 10 h/km. Vorher kämpfte ich auch gegen ihn, aber Büsche am Straßenrand schützen mich ein wenig.

Meinen Übernachtungsplatz suche ich in Vama Veche, nur wenige Kilometer vor der bulgarischen Grenze. Im Sommer treffen sich hier die Hippies und Individualtouristen. Im November sind die Bretterbuden und Terassen am Strand und im Ort vernagelt, die Unterkünfte geschlossen. Vor einem geschlossenem Restaurant stehen Leute, ich frage. Sie bieten mir ein Zimmer oberhalb des Restaurants an. Bekomme dort sogar am Abend eine Gemüsesuppe und am nächsten Tag mein Frühstück.

Fast 10 Wochen und 2000 km war ich in Rumänien unterwegs. Die Menschen waren freundlich. Es gab keine schwierigen Situationen. Keiner versuchte erhöhte Preise zu fordern. In Deutschland sehe ich mehr Betrunkene auf der Straße als hier. Bis auf wenige Ausnahmen war der Verkehr für Radfahrer kein Problem. Es gibt halt weniger Autos in diesem Land. Ein Fortbewegen auf Nebenstrecken ist vielfach möglich. Auf diesen habe ich die meisten Kontakte mit den Menschen bekommen, auch ohne viele Worte.

Siebenbürgen/Transilvanien hat eine deutsche Vergangenheit. Viele Menschen sprechen dort deutsch. Die Geschichte ist äußerst interessant, auch wenn viele Deutschstämmige das Land verlassen haben.

Mit dem Wetter hatte ich großes Glück. Nur fünf Regentage gab es. An diesen bin ich vor Ort geblieben. So einen warmen sonnigen Herbst haben wir selten, wurde mir gesagt.

Ich kann eine Reise in dieses Land nur empfehlen. Weiß nicht weshalb, aber in Deutschland gibt es unbegründete Vorbehalte. Es ist sicher und für uns sehr günstig hier die Ferien zu verbringen.

Constanta.

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Nov 052013
 
DSC05486

Überall sehe ich in Constanta Baustellen.

183. Reisetag

7374 km

 

Die Hügel bei der Weiterfahrt am nächsten Tag sind bespickt mit Windrädern. Don Quijote hätte resigniert bei dieser Übermacht sein Schwert sinken lassen. Für mich bedeutet es Arbeit. Nicht die Windräder sondern der Wind. Sie haben ihre Rotoren gegen Süden gerichtet und ich fahre in diese Richtung. In der Landschaft keine Bäume, keine Hecke, rundherum riesige Felder. Nichts was den Wind bremsen könnte. Es ist der bisher windreichste Tag. Ich komme mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12 km/h voran.
Der Nebel der letzten drei Tag ist durch die Sonne verdrängt. Die Radfahrtemperatur ist optimal. Die anfangs verkehrsreiche Straße verlasse ich nach wenigen Kilometern. Ich durchfahre kleine Dörfer. Herbstlaub wird verbrannt. Ich mag diesen leichten Brandgeruch in der Luft. Er erinnert mich an meine Zeit in Afrika.

Über den Feldern sehe ich in der Ferne schnell bewegende Wolken. Beim genauen Hinschauen sind es Vogelschwärme, die ihre Formationen fliegen. Die Stare sammeln sich vor ihrem Abflug.

In Rumänien werden die meisten Getränke in Plastikflaschen angeboten. Leider ohne Pfand. Überall liegen diese herum, entlang den Straßen, auf den Plätzen. In den Dörfern und Städten stehen Abfallcontainer, frei zugänglich, manchmal sogar für eine Mülltrennung. Trotzdem wird säckeweise Abfall an den Straßenrand gekippt. Schade. An diesem Tag fahre ich an Säcken mit alten Schneckengehäusen vorbei. Merkwürdig.

Am Nachmittag tauchen am Horizont die Vororte der Hafenstadt Constanta auf. Der Verkehr nimmt zu. Die Luft riecht nach Raffinerie. Nach dem Durchfahren der Industrieanlagen gelange ich auf die Landzunge Mamaia. Hier könnte das Schwarzen Meer mit einem breiten weißen Sandstrand zum Baden einladen, wenn nicht bereits November wäre. Ein Hotel reiht sich ans andere, fast alle sind geschlossen. Die Buden am Strand sind mit Spanplatten vernagelt. Ein trostloser Anblick.

Eine Unterkunft in Constanta hatte ich mir bereits (im Internet) ausgesucht, aber nicht gebucht. Diese liegt im Zentrum. Ich erhalte dort ein Zimmer. Es ist ruhig rundherum, nur das Bellen der Hunde nervt. Höre in der Ferne die Möwen schreien.

Am Sonntag bin ich einfach faul, schlafe länger und mache erste Erkundigungen.
Im 4. Jahrh. wird die (damals schon bestehende) Stadt vom Römischen Kaiser Konstantin erobert und nach dessen Schwester Constantiana benannt. Den Namen aus dieser Zeit hat sie behalten. Einige Trümmer von damals liegen noch herum. Viel mehr altes ist nicht zu sehen, ausgenommen das Anfang 1900 erbaute Kasino am Hafen. Dieser interessante Bau ist arg am Zerfallen und darf nicht betreten werden. Die EU wird wohl Geld locker machen für die Renovierung.

Vom Minarett der Moschee Carol I aus habe ich einen Überblick über Hafen und Stadt. Im Hintergrund Plattenbauten, sonst ein Gemisch aus älteren und Häusern der 50er Jahre, wenige moderne Bauten und einige Hausruinen. An der Infrastruktur wird viel gearbeitet. Neue Pflaster werden gelegt. Es gibt kaum einen Bürgersteig, der nicht aufgebrochen wurde/wird. Überall sind Fallgruben für unaufmerksame Fußgänger.

Einen Romulus und Remus habe ich in fast jeder größeren rumänischen Stadt gesehen. Meist ist die Skulptur ein Geschenk aus Italien.

Am nächsten Tag gehe ich zum türkischen Konsulat. Da ich länger als 90 Tage in der Türkei weilen möchte benötige ich ein Visa. Laut Informationen des Auswärtigen Amtes soll ein Visa möglichst vor der Einreise eingeholt werden. Im Konsulat erzählt man mir, dass ich die Verlängerung in der Türkei nach meiner Einreise beantragen soll. Nicht schlimm, so muss ich nicht einige Tage auf die Ausstellung warten. Obwohl die Stadt mich nicht besonders beeindruckt bleibe ich einen weiteren Tag. Habe eine gewisse Trägheit und Müdigkeit in mir und genieße die Vorzüge einer größeren Stadt. Es gibt sogar ein vegetarisches Restaurant, aber mit strengen Regeln. Kaffee gibt es nicht. Es wird ein Ersatzgetränk aus geröstetem Soja angeboten. Da wechsele ich lieber ins benachbarte Café.