241. Reisetag
8753 km
Die erste Jahreswende auf meiner Reise erlebe ich ohne große Festtagsstimmung. Kein Knallen stört die Ruhe der Nacht. Beim Einkaufen am Abend sehe ich, dass die Menschen feiern wollen. Das Alkoholregal ist belagert.
Ich sitze in meinem Hotelzimmer und denke, was ich seit dem April erlebt habe. Meine Fahrt durch Frankreich liegt gedanklich schon sehr weit zurück. Es war regnerisch und eher kalt. Die intensive Zeit meiner Visionssuche mit den vier Fastentagen alleine in der Wildnis war etwas Neues und Tiefes für mich. Die Fahrt durch die Tarn- und Ardecheschlucht bildeten die landschaftlichen Höhepunkte. Drei Wochen Heimaturlaub in Bonn konnte ich wunderbar genießen, hielten mich aber nicht ab meine Tour fortzusetzen. Der heiße Sommer in Österreich machte mich ein wenig schlapp. Besonders die steile Überquerung der Alpen über den Sölkpass bei großer Hitze ließen mich an meiner Kondition zweifeln. „Neuland“ befuhr ich dann auf dem Balkan. Überrascht war ich über das pulsierende Leben in der serbischen Stadt Novi Sad. Rumänien habe ich gut zwei Monate beradelt und bin tief in die Geschichte Siebenbürgens eingetaucht. Gefreut hatte ich mich über den Besuch von Helmut, der mich fast einen Monat mit dem Rad begleitete. Die Überquerung der Karpaten auf der Transfagaraschen Hochstraße war eine kleine aber landschaftlich schöne Herausforderung.
Die bulgarische Küste genoss ich in einigen guten Hotels mit Seeblick, das Land durchfuhr ich aber relativ schnell. Seit Mitte November durchfahre ich die Türkei. Das quirlige Leben auf den Straßen der Städte, auch den kleineren, die Männergesellschaft in den Teestuben finde ich immer noch faszinierend. Der Ruf des Muezzin weckt mich am Morgen weiterhin.
Die Stadt Istanbul und der Besuch von Marie bildeten einen Höhepunkt der Reise. Mir war nicht bewusst wie geschichtsträchtig die Ägäisküste ist. Fast keine Touristen sind unterwegs. Durch die Ruinen der alten Städte wandelte ich alleine.
Die Straßenverhältnisse sind bisher in der Türkei hervorragend bei erstaunlich wenig Verkehr.
Der Sommer war heiß, die Zeit danach, mit Ausnahme des Schneeeinbruchs in Istanbul, zum Radfahren wunderbar. Der Dezember soll eigentlich nach Klimatabelle in der Türkei einer der regenreichsten Monate sein. Davon bin ich aber bisher verschont geblieben.
Bedrohliche und schwierige Situationen, auch auf der Straße, gab es nicht. Ich begegnete nur freundlichen Menschen.
Ich genieße das Fahren ohne Zeitdruck, halte an, bleibe oder fahre weiter – wie es mir gefällt. Ich lebe im Jetzt. Gestern und Morgen sind meist den Gedanken fern.
Bis auf meinen Schnupfen in Bukarest bin ich gesund geblieben.
Besonders danke ich Marie, dass sie mich mit Verständnis und ohne Vorwürfe hat fahren lassen.
Die Fahrt am Silvestermorgen erfolgt bei Sonnenschein auf der Küstenstraße durch flaches Land und hügelige Olivenbaumfelder, ab und zu mit Blick über die Ägäis. Als ich oben auf einem Hügel anhalte und zurückblicke sehe ich in einer Bucht wieder Flamingos im flachen Meerwasser stehen. Der Anblick dieser rosafarbenen Vögel ist für mich immer etwas Besonderes. Hatte in der Türkei nicht mit ihnen gerechnet. Mein Übernachtungsort Aliaga ist etwas langweilig. Gehe früh ins Bett und schlafe in das Jahr 2014 hinein.
In der Nacht hat es geregnet, das Neue Jahr fängt trübe an. Starte gemütlich um 10 Uhr. Neben der Straße werden auf einem Feld diverse Salatsorten geerntet. Gekostet habe ich nur Rucola. Die anderen Blätter kenne ich nicht.
Bis Izmir sind es an diesem Tag 60 Kilometer, erst Hügellandschaft, dann flach. Bereits 20 Kilometer vorher habe ich das Gefühl ich fahre schon in der Stadt. Industrieanlangen, Häuser und ein ständig zunehmender Verkehr. Die letzten Kilometer zu meiner Unterkunft kann ich zum Glück auf der Küstenpromenade zurücklegen. Dort fahren keine Autos, es sind aber viele Menschen unterwegs. Neujahr ist für manche ein Feiertag, auf dem Bau und sonstwo wird gearbeitet und die Geschäfte sind offen.