Thomas Kipp

Antike Orte im Tomatenland.

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Feb 192014
 

DSC01692290. Reisetag

9631 km

 

Die Mountain-Lodge verlasse ich nach einem guten Frühstück am sonnigen Morgen. Ich rolle hinunter ins breite Tal. Dort fahre ich flach talab auf kleiner Straße. Neben mir das alltägliche Leben in den Dörfern. Maiskolben werden in einer Mühle zu Futter geschrotet. Eine Ziege weigert sich an einer anderen Stelle wieder neu angebunden zu werden. Spinat wird geerntet. In einem Dorf ist gerade Markttag.

Ich erreiche den kleinen Saklikent-Nationalpark. Ein Fluss hat sich eine 18 km lange Schlucht durch das Gebirge gebahnt. Bin alleine hier. Das Eintrittshäuschen ist geschlossen, kann mich aber durch das Drehkreuz zwängen. Über einen hölzernen Bohlenweg betrete ich die Klamm über ca. 200 Meter. Danach müsste ich durchs Wasser waten. Behalte meine Schuhe an und kehre um.

Die Weiterfahrt erfolgt entlang des breiten mit Schotter gefüllten Flussbettes. Der Fluss kennt nur ein Bergab. Ich muss diverse Hügel überqueren. Ich nähere mich der antiken Stadt Xanthos, früher Hauptstadt und die größte Stadt Lykiens. Am Rande eines Ackers sehe ich den oberen Bogen eines Tores aus dem Boden herausragen. Es gibt noch viel zu graben. Ein Schäfer treibt seine Herde daran vorbei. Einige Kilometer weiter stehen wie gehabt die Ruinen von Theater, Agora und Kirche. Hinzu kommen viele Sarkophage und Felsengräber. Dazwischen farbenfrohe Blumenwiesen.
An dieser antiken Stätte haben auch Landschildkröten ihr gefallen gefunden. In Mengen sind sie zu sehen. Es scheint gerade Paarungszeit zu sein, nicht mit einem Brunftschrei wie von einem Hirsch, sondern mit einem Klack-Klack.

Bereits fünf Kilometer weiter liegen die Ruinen der Stadt Letoon, mit Xanthos als Weltkulturerbe gelistet. Der Name ist vom Heiligtum der Göttin Leto abgeleitet, die eine Geliebte von Zeus und Mutter seiner Kinder Apollo und Artemis sein soll.

Ich befinde mich im Tomatenland. Die gesamte breite Flussebene ist mit Gewächshäusern zugepflastert. Mit wenigen Ausnahmen wachsen darin Tomaten. Dazwischen weiden auf schmalen Streifen Ziegen. Es gibt nur eine Winter-/Frühlingsernte. Der Sommer ist einfach zu heiß. Die Tomaten stehen zwar in der Erde, aber ihren Wachstum verdanken sie der Chemie, die fusionsartig tröpfchenweise zugeleitet wird. Wahrscheinlich stammen bereits die Samen aus der Genfabrik – den Werbeschildern nach zu schließen.
Problemlos darf ich in die Gewächshäuser hineinschauen und bekomme viele Tomaten geschenkt. Als Nicht-Tomatenesser versuche ich die Menge jeweils auf eine Tomate zu begrenzen.

Am Rande der Tomatenebene liegt an einem kleinen Bach eine Pension. Ich treffe dort ein Ehepaar aus Berlin. Sie wandern auf dem Lykischen Weg, ein 500 km langer Wanderweg entlang der Küste. Wir erhalten ein gutes vegetarisches Abendessen. Anschießend spendiert der etwas deutsch sprechende Wirt kleine türkische Köstlichkeiten und reichlich Raki.

Ein warmer Tag kündigt sich an. Meine Stiefel und Beinlinge habe ich eingepackt, Sandalen und T-Shirt sind angesagt. Ich mache einen kleinen Morgenspaziergang zu einer alten lykischen Festung, von der nur Mauern und Wehrtürme erhalten sind. Interessant ist der Mauerbau. Die Lykier fügten die Steine polyederförmig zusammen. Die Römer bauten mit quaderförmigen Blöcken.

Meine nächste Station ist der nahe liegende Ort Patara. Nicht nur der längste unterbrochene Sandstrand der Türkei ist hier zu finden, auch spielt er in der Geschichte eine wesentliche Rolle. So unpassend es klingen mag, der Nikolaus ist hier geboren, ein byzantinischer Bischof des 4. Jh. aus Myra.
In Zeiten davor, war der Ort ein lykischer Hafen, hatte berühmte Tempel, von denen wenig zu sehen ist und weitere Ruinen. Aufwändig restauriert ist das Buleuterion (Versammlungsort), das „Parlament“ des Lykischen Bundes, oft als erste demokratische Union bezeichnet.
Ansonsten ist der Ort langweilig, am nächsten Tag geht’s weiter erst über eine Bergkette, dann an der Küste entlang nach Kas.

Lykien.

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Feb 162014
 

DSC01483287. Reisetag

9518 km

 

Ich durchfahre die Landschaft Lykiens und hier lebten seit einigen Jahrtausenden (12. Jh. v.Chr.) die Lykier. Schriftlich erwähnt wurden sie erstmals in der Ilias, in der Homer ihr Mitwirken beim Angriff auf Troja erwähnt. Im 6. Jh. v.Chr. standen sie unter Kontrolle der Perser. Diese übergaben an die Athener, an Alexander dem Großen usw. bis Lykien 168 v.Chr. von den Römern in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Die damaligen Stadtstaaten gründeten den Lykischen Bund, zu denen u.a. Tlos, Xanthos, Patara, Myra und Olympos gehörten. Alle diese alten Orte liegen auf meiner Strecke.
Es herrschte für ein Jahrhundert Friede, bis der Bund sich entschied, Brutus, dem Mörder Caesars, keinen Tribut mehr zu zahlen. Brutus Truppen besetzten Xanthos. Die zahlenmäßig unterlegene Bevölkerung des Stadtstaates wollte sich nicht ergeben, sie beging Massenselbstmord.
Die Lykier hinterließen nur wenig Kultur und schriftliche Dokumente. Der Nachwelt vermachten sie eine Vielzahl von antiken Felsengräber und Sarkophage, die überall in den Bergen und Tälern zu finden sind.

Fethiye verlasse ich bei Sonnenschein. Auf der Ausfallstraße herrscht viel Betrieb. Am Stadtrand biege ich auf eine Nebenstrecke fast ohne Autoverkehr ab. In einem Hof neben der Straße wird gefeiert, Frauen, Kinder und einige Männer sitzen auf Bänken. Mir wird zugewunken und ein Tee und Essen angeboten. Es ist der Beginn einer Hochzeitsfeier. Braut und Bräutigam sind noch nicht anwesend. Die Neuankommenden, meist Frauen werden von den Brauteltern begrüßt. Die Männer treiben sich wohl noch in den Teestuben herum.

Ich bleibe nicht sehr sehr lange. Die Weiterfahrt erfolgt durch ein breiter werdendes Tal. Vor mir sehe ich in der Ferne die Schneeberge. Habe ein Gefühl als wäre ich in den Alpen.

Mein Ziel ist eine Unterkunft in der Nähe der alten lykischen Stadt Tlos. Diese liegt auf einem Hügel am Hang der Schnee-Gebirgskette. Steil geht es die letzten Kilometer nach oben.

In einem schönen Garten mit Palmen und Orangenbäumen liegt die Mountain-Lodge (www.tlosmountainlodge.com). Begrüßt werde ich von Anja, Marco und Sönke auf Deutsch. Sie betreiben diese Lodge seit letztem Jahr. Es ist schön hier mit dem weiten Blick ins Tal.

Da es erst früher Nachmittag ist fahre ich nach einem Kaffee weiter den Berg hoch zum antiken Tlos. Der Felsen, auf dem die Ruinen einer römische Festung stehen, ist durchsetzt von alten lykischen Grabkammern. Für weitere antike Tote stehen mächtige Steinsarkophage in disponierten Stellungen. Ein etwas zerfallenes Theater, die Ruinen von Kirche und Badehauses gehören natürlich zur Ausstattung der alten Städte.
Der Ruinenberg wird für den Frühling gesäubert. Neben einer Arbeitergruppe sind zwei deutschsprechende Archäologen dabei. Von ihnen erfahre ich, dass die Grabkammern nicht nur von den Lykiern, die sie in den Fels geschlagen haben, für ihre Toten benutzt wurden. Auch die nachfolgenden Herrscher betteten ihre (höhergestellten) Toten in den vorgefertigten Kammern.

Am Abend erhalte ich ein gutes vegetarisches Menü. Genieße den geselligen Abend bei einem Glas Wein. Anja und Marco haben noch vor zwei Jahren in einer Bank gearbeitet. Sönke ist bereits lange in der Türkei. Er bietet Enduro-(Geländemotorrad)-Fahrten für Gruppen an.

Mir gefällt es an diesem Ort. Ich bleibe einen weiteren Tag. Frühstücke mit Blick ins Tal in der warmen Sonne. Danach fragen Anja und Marco mich, ob ich Lust auf einen Spaziergang habe. Wir wandern an den Hängen entlang durch Felder und kleine Wälder, meist mit Sicht auf die Schneeberge und ins Tal. Einige Forellenzuchtanlagen werden durch das herabfließende Gebirgswasser gespeist.

Ich verstehe einfach nicht, weshalb es im Winter so wenige Touristen in die Türkei verschlägt. Es ist nicht so heiß wie im Sommer. Die Temperatur ist ideal für Wanderungen und kulturelle Ausflüge.

Verlassene Stadt und steinernes Grab.

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Feb 142014
 

DSC01347285. Reisetag

 

Neun Kilometer von Fethiye entfernt liegt die ehemals griechische Stadt Karymlasso – eine Geisterstadt mit hunderten verlassenen Steinhäusern. 1923, nach dem türkisch-griechischen Krieg, mussten im Rahmen des Bevölkerungsaustausches alle osmanischen Christen das Land verlassen. Im Gegenzug kamen griechische Muslime. Davon gab es deutlich weniger. Zurück blieben leere Städte wie diese hier. Der Ort steht unter „Denkmalschutz“. Er ist ein Mahnmal für den Frieden und die Partnerschaft zwischen der Türkei und Griechenland.
Mit einem Dolmus fahre ich am Vormittag dort hin. Die steilen Berge rundherum verleiten nicht zum Fahrradfahren.

Vor mir am Hang liegt eine Ruinenstadt. Die Dächer sind eingestürzt, zerfallende Mauern ragen nach oben. Das starke Erdbeben von 1958 hatte den Zerstörungsprozess noch beschleunigt.
Auf einem Trampelpfad wandere ich am Hang entlang. Es ist ein bedrückendes Gefühl sich vorzustellen wie viele Menschen hier fast alles verloren haben.
Wie mag es vor 90 Jahren ausgesehen haben? Die Häuser standen dicht an dicht, oft mit einer Umrandungsmauer eines kleinen Innenhofes. In den Hausruinen ist manchmal der Schornstein mit Feuerstätte teilweise erhalten. Das war wohl die Küche. Die blaue typisch griechische Farbe an den Fensterumrandungen kann ich ausmachen. Zwei orthodoxe Kirchen sind als solche zu erkennen. Reste der christlichen Wandmalereien lassen sich erahnen. Feuchtigkeit und Flechten zusammen mit den verwitterten Malereien haben im Innenraum neue Farbvarianten geschaffen.

Unterhalb des Hanges in einer Ebene liegt ein weitläufiger türkischer Ort mit vielen grünen Feldern. Da in der Saison viele Touristen den Ort besuchen gibt es Einkehrmöglichkeiten. Ich esse einen Gözleme (türkischen Pfannkuchen) mit Kartoffelfüllung. Schmeckt ausgezeichnet.
Halte den stündlich fahrenden Dolmus an, der mich über die Berge zurück in die Stadt bringt.

Das Erdbeben von 1958 hatte auch die Stadt Fethiye schwer geschädigt. Sie ist danach neu aufgebaut worden und ist heute ein geschäftiger touristischer Küstenort. Der natürliche Hafen liegt am Rande einer breiten Bucht mit vielen kleinen Inselchen. Von hier aus unternehmen die Urlauber in der Saison ihre Segeltörns. Entsprechend viele und große Segelschiffe liegen am Pier. Zur Zeit herrscht noch Kundenflaute.

Beim Gang durch die Stadt höre ich Blasmusik und Trommelwirbel. Vor dem Büro der Demokratischen Partei stehen viele Menschen. Schilder mit Blumen und Sprüchen weisen auf einen Auftritt hin. Verteilt werden Getränke und Süßigkeiten.
Nebenan im Restaurant esse ich meine mittägliche Linsensuppe.

Immer wieder bin ich von der Freundlichkeit der Menschen berührt. Wenn ich mal stehen bleibe werde ich zum Tee eingeladen. Beim zweiten Besuch in einem Restaurant werde ich mit Handschlag empfangen. Gut, das mag auch geschäftliche Gründe haben.
Viele hatten in Deutschland gearbeitet. Nicht nur in den Touristenorten, auch auf dem Land wird oft Deutsch gesprochen.

Überall in der Stadt stoße ich auf merkwürdige lykische Steinsarkophage, die aus der Zeit 450 v. Chr. stammen. In den Felswänden nahe des Zentrums befinden sich viele Felsengräber. Das Schönste ist das Grab des Amyntas aus dem Jahre 350 v. Chr. Die Fassade eines Tempels wurde in die Felswand geschlagen. Dahinter verbirgt sich nur eine kleine Kammer. Die Felskammern und Sarkophage sind alle im Laufe der Jahrhunderte aufgebrochen worden. Lange suchen mussten die Grabräuber nicht. Die Gräber sind nicht zu übersehen.
Schon merkwürdig, dass ausgerechnet Gräber Jahrtausende überstanden haben.

Meine Weiterfahrt ist am Freitag geplant. Am Morgen regnet es sich ein. Die Tage danach bringen wieder Sonnenschein (laut Vorhersage). Was mache ich wohl?

Abgehoben.

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Feb 112014
 

DCIM100GOPRO282. Reisetag

9475 km

 

Der Himmel ist blau. Habe mich kurzfristig am Morgen entschieden in die Luft zu gehen – mit einem Tandem-Paragliding-Flug. Die nächsten Tage sind laut Wetterbericht nicht so geeignet dafür. Der geplante Besuch des großen Dienstagsmarktes in der Stadt fällt für mich aus. Märkte habe ich bereits viele gesehen.
Ganz in der Nähe von Fethiye ist ein geeigneter Berg fürs Paragliding, fast 2000 Meter hoch, im Winter startet der Abflug in gut 1000 Meter Höhe.
Die kleine Gruppe, drei junge Koreaner und ich, werden vom Veranstalter in ein Taxi gesetzt um zum Basisort zu gelangen. Die Fahrt mit dem wilden Taxifahrer ist angsteinflößend. Immer telefonierend fährt er wie ein Verrückter. Diese Tour nimmt mir die Angst vom späteren Flug. Der kann nur sicherer sein.

Am Basisort hinter einem Berg in Meereshöhe warten noch zwei weitere Mitflieger. In einem kleinen Bus werden wir und unsere Piloten nebst Flugwerkzeuge in die Höhe gefahren. Wir verschwinden in den Wolken.

An einem steilen Hügel ist es soweit. Helm auf, festgeschnallt auf einem Sitzrucksack und an meinem Piloten rennen wir einen steilen Hang hinunter. Der Schirm bauscht auf und bevor ich es richtig bemerke bin ich in der Luft. Erst noch stark schwankend, dann sehr ruhig gleiten wir dahin. Die Wolkenschicht ist bald durchbrochen. Das Meer mit seinen Küstenbergen und Inseln liegt unter mir. Ich schwebe und fühle mich gut. Habe mir noch mehr ein Gefühl von Leichtigkeit beim in der Luft sein vorgestellt. Das erlangt man dann wohl nur in der Schwerelosigkeit. Masse ist Masse, und diese wird von der Erde angezogen. Sitze aber bequem in meinem Gestell und schaue nach unten. Wir gleiten im großen Bogen kreisend nach unten. Fliegen noch einmal über den Ort und nähern uns dem Strand. Je näher wir kommen, desto mehr habe ich das Gefühl von Geschwindigkeit. Kurz vorm Bodenkontakt sausen wir dahin bis wir wieder ansatzweise laufend den Boden berühren und sofort stoppen. Es gibt einen Stoß, der von unserm Schirm gedämpft wird und kein Fallen.
Das wars, 20 Minuten nur mit einem Gleitschirm in der Luft zu sein – eine neue Erfahrung. Gut, dass ich es gewagt habe. Die Fahrt zurück in die Stadt ist weniger anstrengend, der Fahrer vernünftig.

Zum Abendessen suche ich mir auf dem Markt an einem Verkaufsstand einen Fisch aus. Mit diesem gehe ich in eines der Restaurants in der Nähe und lasse diesen zubereiten. Das ist eine tolle Sache und es bringt Spaß hier zu essen. Wenn mal Lust hat kann man eine kleine Musikgruppe buchen und sich für ein paar Lieder beim Essen bespielen lassen.

Die zwei Tage vorher waren nicht so ereignisreich. In Dalyan bin ich wegen Regen noch einen weiteren Tag geblieben. Nach sechs Frühlingstagen einen Regentag, da kann ich mich wirklich nicht beklagen.
Die Weiterfahrt nach Fethiye hatte ich mir einfacher vorgestellt. Nach dem Verlassen der Ebene ging es wieder kräftig in die Berge. Einen Tunnel mit Mautstation durfte ich mit dem Fahrrad nicht durchqueren. Musste so die Kuppe der Bergkette auf kleiner Straße überfahren. Weitere Bergfahrten folgten.

Zum ersten Mal spürte ich so etwas wie ein Ziehen oder wie Muskelkater in meinem linken Bein und hatte ein einbeiniges Gefühl von Müdigkeit. Und das nach fast sechs Tagen Pause in Dalyan. 700 Höhenmeter machten mir vorher keine Schwierigkeiten. Hoffe das verschwindet bei der nächsten Fahrt wieder.