Thomas Kipp

Wasserfest und Visa wartend.

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Apr 232015
 

DSC06720713. Reisetag

21.977 km

 

 … schwapp, kalt rinnt es den Nacken hinunter. Hinter mir ein Gekicher von Mädchen, die ihre leere Schüssel bereits wieder auffüllen. Das ist nur der Anfang. Kein Stadtgang ohne Dusche. Ein Ausweichen ist nur in den Wats möglich, von denen es viele gibt. Dort wird der Buddha mit Wasser begossen und zwar ausgiebig. Die Menschen ziehen mit einem Eimerchen von Wat zu Wat und besprengen die vielen Buddhafiguren. Nachfüllstationen gibt es genügend. Das Buddha-Wasser ist mit Blüten bestückt.
 Etwas Andacht ist vorhanden. Einige Besucher lassen sich von gelangweilt wirkenden jungen Mönchen ein Bändchen um den Arm binden. Ein Obulus wird in die Spendenbox gesteckt.

Mit dem Wasserfest wird in den buddhistischen Ländern Südostasiens das vergangene Jahr beschlossen. Das Wasser spült kleine und größere Sünden weg und entlässt einen frisch ins neue Jahr. Das ist einfacher als die Beichte und macht auch noch Spaß.
Ein kleiner Umzug zieht durch die Straßen, auf einem Anhänger eine riesige Wildsau, auf der eine Frau sitzt. Ob die Wildsau im Zeichen des neuen Jahres steht konnte ich nicht ermitteln.

Das turbulentere Leben findet auf der Straße statt. Wasserbehälter und Anschlüsse sind in Aktion gebracht. Plastikschwimmbecken wurden gefüllt und dienen dem Nachschub. Mit Luftdruck bestückte Wasserpistolen sorgen für den ununterbrochenen Strahl. Von Pick-ups und Lieferwagen wird kübelweise Wasser übers Volk geschüttet. Vor vielen Häusern stehen kleine Bühnen, mit lauter Musik und natürlich Wasseranschluss. Am Mekongufer ist eine riesige Bühne aufgebaut mit dem Motto „Under Water“. Von oben sprüht es fast ununterbrochen auf die Tanzenden nieder. Tankwagen liefern das notwendige Nass.

Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Es wird viel Bier getrunken. Ich höre aber kein Gebrülle oder Geschreie.
 Drei Tage dauert das intensive Wasserfest. Der Tag davor und danach ist ein halber Feiertag.

Die meisten Lokale und Läden bleiben geschlossen. So auch die Botschaften. Und kaum ist in Laos das Wasserfest zu Ende, beginnt es in Myanmar. Erst am 22. April kann ich dort meinen Visaantrag abgeben.

Habe also viel Zeit in Vientiane. Vormittags erledige ich mein Sightseeing-Programm.
 Ich besuche das Nationalheiligtum That Luang, eine vergoldete Stupa aus der Zeit, als Laos noch ein Königreich war. Das Gold der Außenmauer sieht etwas ramponiert aus, eine Reinigung wäre angebracht. Ich besteige das auf einer Verkehrsinsel gelegene Monument Patuxai, Vientiane’s Arc de Thriompfe. Von oben habe ich eine dunstige Sicht über die Stadt. Die alte Stupa That Dam in der Nähe sieht etwas angekratzt aus. Ursprünglich war sie mit Gold bedeckt. Das haben (angeblich?) die Siamesen 1828 mitgehen lassen. Und es gibt unzählige Watanlagen, durch diese habe ich mich während des Wasserfestes treiben lassen.
 Am breiten Mekongufer entstanden im Rahmen eines Sand-Art-Festivals diverse Skulpturen. Etwas Lehm ist wohl beigemischt, damit die Figuren ihre Festigkeit behalten.

Meine kulinarischen Genüsse kann ich ausleben. Alles steht verständlich auf der Speisekarte und für Abwechslung ist gesorgt. Der Verführung zu einer Pizza hätte ich widerstehen sollen, die angeblich ein italienischer Küchenchef backt. Zu viel Ketschup, aufgeweichter Teig und nur ein Hauch von Käse. In einem Importladen besorge ich mir etwas Käse. Der unverschämte Preis von 70$ das Kilo hält mich nicht davon ab. Der Biowein aus Italien dazu ist gut, das Baguette ausgesprochen schlecht. In Vietnam und Kambodscha haben die Franzosen ihre Backkunst hinterlassen, in Laos leider nicht.

Morgens um 10 Uhr ist es mit 34 Grad bereits heiß, nachmittags mit über 40 Grad nicht mehr auszuhalten. Da ziehe ich mich in mein klimatisiertes Hotelzimmer zurück, halte eine Siesta und Lese.
Ich habe Glück zwei Tage vor der Weiterfahrt erfolgt ein Temperatursturz um fast 10 Grad. Der Himmel ist bewölkt, es folgen kräftige Regenschauer. Ein wunderbares Klima um sich auf die Weiterfahrt zu freuen.

Der Müßiggang der letzten Tage raubt meine Energie. Bereits der Gang zur Botschaft bedeutet mir Anstrengung. Ich reduziere Unternehmungen.
Ich benötige die Bewegung des Unterwegssein, dazu gehört auch das Abplagen und Ertragen der Hitze. Dann spüre ich mich und bin offener für meine Umwelt.

Wieder am Mekong.

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Apr 122015
 

DSC06440702. Reisetag

22.213 km

 

Das Dämmerlicht verschwindet allmählich. Der rote Ball der Sonne erscheint am Horizont und taucht die Landschaft in einen warmen Ton. Die Temperatur ist angenehm. Nur selten fährt ein Auto an mir vorbei. Diese Morgenstunden genieße ich sehr. Der alltägliche Fahrradtrott lässt sich durch diese schönen Stunden nicht vermeiden. Meinen Alltag fühle ich wenn ich durch wenig reizvolle Landschaften fahre.

Am Fuße der auslaufenden Berge wachsen Tabakpflanzen, deren untere Blätter geerntet und in beheizten „Schuppen“ auf Gestänge getrocknet werden.

Ansonsten sehe ich in den nächsten drei Tagen abgeerntete Reisfelder, Buschland und Kautschukplantagen bis endlich nahe des Mekongs das saftige Grün bewässerter Reisfelder auftaucht. Eine Wohltat für meine Augen.
Um Abwechslung von der Monotonie der Hauptstraße zu erhalten nutze ich Nebenstrecken. Muss dafür aber viel Staub von vorbeifahrenden Fahrzeugen schlucken und die grob geschotterte Straße schüttelt mich kräftig durch.

In zwei Tagen läuft mein Visa in Laos aus. Ein neues erhalte ich, indem ich kurz das Land verlasse und wieder einreise. Auf der anderen Seite des Mekongs liegt Thailand. Die Einreise ist für einen kürzeren Aufenthalt kein Problem. An der Grenze erhalte ich ohne Antrag einen Stempel in den Pass.
Ich überquere eine der vier Freundschaftsbrücken zwischen den Ländern. Zwar steht ein Verbotsschild für Fahrrad und Motorrad davor, keiner hindert mich aber an der Überquerung. Fußgänger können die Grenze nur im Bus passieren.
Im thailändischen Grenzort Nong Khai herrscht ein ziemlicher Rummel auf dem direkt am Mekong gelegenen Markt. Alle Stände haben fast das gleiche Sortiment von diversen Süßigkeiten, Gewürzen und Klamotten. Meine Hoffnung Käse (außer Mozzarella oder Chesterscheibletten) und Haferflocken zu finden verfliegen. Selbst ein Essen in einem besseren Lokal bringt keine Abwechslung von Reis und Nudeln. Ich habe bereits in Laos festgestellt, das die Qualität der Zubereitung in teureren Lokalen keinen Deut besser ist als in den kleinen an der Straße.
Am Abend ziehen dunkle Wolken über dem Mekong auf und Blitze zucken. Seit langem erlebe ich wieder einen kräftigen Regenguss, der die Luft ein wenig abkühlt. In der letzten Zeit bin ich sehr viel gefahren und habe ein gewisses Ruhebedürfnis. Bleibe also den nächsten Tag faul im Ort bevor ich wieder ohne Schwierigkeiten die für Fahrräder verbotene Freundschaftsbrücke nach Laos passiere. Mein Ziel ist das nur 25 km entfernte Vientiane, die Hauptstadt von Laos.

Über und durch die Berge.

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Apr 072015
 

DSC06367697. Reisetag 

21.931 km

 

Der seit Tagen über der Landschaft liegende Dunst, eine Mischung aus Rauch und Nebel, verschwindet nicht. Er wird genährt durch die gewollten Brände des Buschlandes um daraus Ackerland zu machen oder Kautschukplantagen anzulegen.

Schilder an der Straße weisen auf von Blindgängern gesäuberte Gebiete hin. Um ihre Dominanz in Südostasien nicht zu verlieren bombardierten die Amerikaner Laos ohne Kriegserklärung in Zeiten des Vietnamkrieges mit dem dichtesten Bombenteppich der Weltgeschichte. Auf das kleine Land Laos fielen mehr Bomben, als die Alliierten im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan zusammen warfen. Millionen Blindgänger, darunter vor allem die nichtexplodierten Teile der Streubomben verstümmeln und töten noch 40 Jahre später.
Das Ansehen des Zerstörers von damals hat sich in Laos, aber auch in Vietnam und Kambodscha stark gewandelt. American Standard ist zum Vorbild geworden.

Beim Blick hinunter von einer Brücke sehe ich auffallend geformte Fischerboote am Ufer liegen. Diese sind aus den abgeworfenen raketenförmigen Tanks (zum Luftauftanken der Bomber) gefertigt worden. Ein nutzvolles Recycling.

In den Dörfern dominieren die hölzernen Stelzenhäuser. Es ist warm hier, das Dorfleben findet im Freien statt, im Schatten unter oder neben den Häusern. Dort wird gekocht, in Hängematten geschlafen und manchmal auch an Webstühlen gearbeitet. Auffallend sind die vielen (Haus-)Baustellen. Oft ragen erst die Betonsäulen in die Höhe, auf denen das neue Haus platziert werden soll.

Ein unerwartet steiler Berg zwingt mich am späten Vormittag noch einmal in die Höhe. Nach der Abfahrt biege ich in ein Seitental ab, an dessen Ende ein Fluss sich sein Bett durch das Kalkgebirge geschaffen hat. Eine 7 km lange Höhle ist entstanden und wird touristisch vermarktet. Eine entsprechende Infrastruktur ist entstanden.
Mit einem Motorboot fahre ich am nächsten Tag hinein in die Dunkelheit. Der Bootsführer liebt die Geschwindigkeit und findet seinen nicht immer gradlinigen Weg mit Hilfe einer Stirnlampe. Etwas unheimlich. Zwischendurch steige ich aus, damit das Boot über Stromschnellen oder zu flachem Untergrund geschoben werden kann. Einen Landgang mit künstlicher Beleuchtung mache ich durch eine riesige Halle mit Tropfsteinen. Ein Lichtschein zeigt das Ende der Tunnelstrecke an. Das Boot legt kurz danach an und es gibt Imbiss- und Souvenirsbuden. Die Rückfahrt scheint mir mit der Strömung noch schneller zu gehen. Auch wenn ich nur schemenhaft im Kegel der Stirnlampe die Unterwelt wahrnehmen konnte empfand ich die Fahrt als ein besonderes Erlebnis.

Nach der angenehmen Temperatur im Berg schlägt mir die Hitze am Ausgang entgegen. Habe das Gefühl in diesem Tal staut sie sich besonders. In der Nacht kann ich nur mit einem nassen Handtuch auf dem Bauch einschlafen. Kaum sitze ich in der Frühe wieder auf dem Rad tropft der Schweiß. Nach den ersten flachen 40 km bis zum Ausgang des Tales folgt die Herausforderung. Es geht verdammt steil in die Höhe. Zwar nur über 4 km, aber ich muss häufig kurz anhalten um Luft zu schnappen. Zum Glück hält die Schwäche nicht an. Nach dem Erreichen des Gipfels und einer rasanten Abfahrt radele ich mit gewohnter Stärke weiter. Mittags gelange ich wieder in die Mekongebene und finde in einem kleinen Dorf eine angenehme Unterkunft.

Durch das Nebelgebirge.

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Apr 042015
 

DSC06230694. Reisetag

21.752 km

 

Die Nachtruhe ist gestört. Bis zu meinen Aufbruch in der Frühe dröhnt vom anderen Mekong-Ufer (aus Thailand) lautstark Musik herüber.

Ich verlasse das Mekong-Tal und fahre einen östlichen Schlenker. Schroffe Kalkfelsen ragen aus den abgeernteten Reisfeldern in die Höhe. Sie liegen im morgendlichen Dunst. Die Straße schlängelt sich ohne nennenswerte Steigungen hindurch. Ich mache einen Abstecher zu einer nahegelegenen Höhle. Stufen führen zum Eingang hinauf. Vor ihr sitzt ein kleiner grüner Buddha. Weit hinein gehen kann ich nicht. Ich bin alleine. Es gibt keine Beleuchtung und das Licht meiner Stirnlampe ist zu schwach dafür. Außerdem geht es steil hinunter. Im tiefen Inneren sehe ich den Spiegel einer Wasserfläche. Stalaktiten hängen von der Decke.

Durch den frühen Start erreiche ich mein Ziel am späten Vormittag. Eine Guesthouse etwas abseits von einem kleinen Dorf. In der Nähe ist ein kleines Restaurant. Die Nudelsuppe ist so schlecht, dass ich am Abend dort nicht noch einmal einkehren werde. Das weitere Sortiment besteht nur aus Fleischspießchen. Meine Erdnüsse sind voller Ameisen, eine weitere Vorratshaltung habe ich mir nicht angelegt. Es gibt nichts Vernünftiges dafür zu kaufen. Die Hungergefühle halten sich in Grenzen. Den Nachmittag verbringe ich schlafend und lesend mit einem Bier im Schatten.

Der nächste Tag beginnt mit einem bissigen Anstieg. Fahre in der Früh zum Glück auf der Schattenseite. Der Schweiß tropft trotzdem. Oben in der Höhe sehe ich Menschen in ein kleines Wat gehen. Sie tragen silberne und goldene Schalen, gefüllt mit div. Essenssachen, aber auch Geldbündel schauen heraus.
Ich erinnere mich. Am Vortag war der Mond rund und schön am Himmel zu sehen. Es ist Vollmond, ein buddhistischer Feiertag. Beim Betreten legen sich die „Watgänger“ eine Schärpe um und setzten sich hinein oder davor. Es sind vor allem Frauen, junge und alte, wenige Männer sitzen getrennt von ihnen in einer Ecke. Die musikalische Begleitung läuft bis auf ein paar Trommelschläge elektronisch ab. Die Ansprache ist kurz. Oft werden die Gabenschalen gehoben, sie werden wohl gesegnet. Was den Menschen für ihre Spenden versprochen wird hat wohl erst im nächsten Leben eine Relevanz. Anschließend verteilt jeder seine Spende in unterschiedliche Spendentöpfe. Spirituelle Abzocke – so sieht es für mich aus.

Männern bestimmen hier wie fast überall die Glaubensfragen und vor allem Frauen praktizieren ihn. Das kennen wir auch von daheim.

In der Höhe durchfahre ich eine bizarre Landschaft. Auf der einen Straßenseite Urwald, auf der anderen eine ökologische Katastrophe. Baumgerippe ragen aus dem trocken gefallenen Uferbereich und Fluten eines riesigen Stausees. Gebaut wurde dieser (wohl?) von den Chinesen. Für sie zählt das Projekt. Landschaft und Menschen spielen keine Rolle. Vor der Flutung hätte das Gebiet abgeholzt werden müssen!
Laos ist ein Stromexporteur in seine Nachbarländer. Diese Position baut das Land mit diversen geplanten und bereits im Bau befindlichen Staudämmen am Mekong ohne Rücksicht auf Menschen und Ökologie weiter aus.

Den Abend verbringe ich in einer Unterkunft mit weiteren allerdings motorisierten Zweiradfahrern. Ich fahre auf einer von Lonely Planet empfohlenen Route, die den Individualtouristen ihren Weg und sogar das Nachtlager vorschlägt.

Im Morgengrauen fahre ich hügelab und -auf durch eine gespenstische Landschaft von undurchdringlichem Urwald und abgestorbenen aus den Fluten ragenden Bäumen.
Die Sonne erreicht nur den Horizont. Ihr Spiegelbild bleibt etwas länger in den Fluten erhalten, am Himmel ist sie nicht mehr zu sehen. Ein fahles Licht taucht die Landschaft in eine bedrückende Stille. Kein Gezirpe von Grillen ist zu hören, sonst mein ständiger Begleiter. Kein Vogel zwitschert. Dämme und Brücken führen meinen Weg über die verzweigten Arme des riesigen Stausees mit seinen im Nebel verschwindenden Baumgerippen. Die Fluten versuchen das noch verbleibende Grün weiter aufsaugen. Dazwischen brennt das Land.

Träume ich oder durchfahre ich das Reich Modor. Ich weiß nicht wie lange ich unterwegs bin. Nach einer unbestimmbaren Zeit stoße ich endlich auf menschliche Ansiedlungen. Sie liegen am Rande des Nebelgebirges in einer fast undurchdringlichen Staub- und Nebelschicht.