717. Reisetag
22.188 km
Bei leicht bedecktem Himmel verlasse ich in der Frühe Vientiane. Am Straßenrand knien Frauen auf Matten, vor Ihnen sind Gabentöpfen aufgestellt. Mönche im Gänsemarsch ziehen an ihnen vorbei und sammeln die tägliche Spende ein. Jeder bekommt etwas in seinen Topf. Ob es wohl später redlich geteilt wird?
Die gemütlich zu befahrende Straße wird zur staubigen Baustelle. Der Versuch mich mit einem Mundschutz zu schützen – wie die vorbeirauschenden Mopedfahrer – scheitert. Mein Atmen wird schwieriger, außerdem beschlägt die Brille. Dann lieber Staub einziehen.
Ich weiche auf Nebenstraßen aus, anfangs geteert, dann Holperpiste. Befürchtungen, dass eine Fähre (wegen des wenigen Verkehrs) ihren Dienst eingestellt hat Bewahrheiten sich nicht. Mit ihr gelange ich nach der Flussüberquerung wieder auf die jetzt baustellenlose Hauptstraße.
Als Übernachtungsort habe ich mir ein einsam gelegenes „Öko“-Resort ausgesucht. Nach 100 km Fahrt erreiche ich abgeschlafft in der Mittagshitze mein Tagesziel. Öko bedeutet hier einfach, die Preise entsprechen allerdings einem 3-Sterne-Hotel. Ich bin der einzige, den es hier hin verschlagen hat. Mit etwas Zeit und einem kaltes Bier werde ich meinen anfänglichen Groll los. Ich bin offen für das schöne Umfeld.
Rund herum alles grün. Unter mir ein Fluss, in dem Kinder baden. Im nahen Teich quaken Frösche. Wie dirigiert setzt ein Grillenkonzert ein und hört wieder auf.
Das Flachland habe ich verlassen, es fängt an zu hügeln. Das spüre ich bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen. Die trockenen Reisfelder sind durch grüne mit Bambus und Buschwerk bewachsene Hänge abgelöst. Meine Augen freuen sich, die Beine sind ein wenig gefordert.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Vang Vieng. Einst das berühmt berüchtigte Hippie-Paradies inmitten einer Karstlandschaft mit Fluss. Mittlerweile gibt es keine 24-Stunden-Parties mehr, Nachtruhe beginnt um 22 Uhr, der Alkohol fließt noch, aber nicht mehr in Strömen, Drogenhandel wird bestraft. Nach einem „hohen Staatsbesuch“ sind die Behörden rigoros vorgegangen.
Die schöne Landschaft ist geblieben, die Touristen auch. Anstatt Besäufnis stehen Caving (Höhlenbesichtigung), Tubing (auf einem Autoschlauch sich den Fluss hinunter treiben zu lassen), Climbing und Kayaking u.a. auf dem Programm. Die ersten zwei Punkte auch auf meinem.
Die Besichtigung der Tropfsteinhöhlen ist etwas Besonderes. Haarsträubend, wenn man deutsche Sicherheitsanforderungen stellen würde. Keine Beleuchtung drinnen, keine Halteseile. Mit meiner Stirnlampe versehen klettere ich hinein, über rutschig feuchte abgewetzte Tropfsteine und Geröll, auf allen vieren. Zu Tode stürzen würde ich mich nicht, ein Abrutschen würde deutliche Blessuren hinterlassen. Unten gelange ich in eine Gewölbehalle. Es ist stockdunkel. Ich bin alleine. Der Strahl meiner Lampe lässt die Schatten der Tropfsteinsäulen in den hinteren Raum fallen. Ein merkwürdiges Gefühl hier zu stehen und ein wenig gruselig ist es auch.
Ich versuche mir den gangbaren Weg zu merken, da es genügend Hindernisse gibt. Aber alles sieht ähnlich aus und beim Zurückschauen wieder anders. Die Bange, den Rückweg nicht zu finden begrenzt mein Eindringen in die Tiefen, schade.
Das Tubing läuft organisiert ab. Die diversen Unternehmen im Ort haben sich auf eine Anlaufstelle geeinigt. Dort leiht man sich den Schlauch und wird zur Einstiegsstelle oberhalb des Flusses transportiert. Das vermeidet Konkurrenz und sichert ihnen einen guten Preis.
Dort angekommen, könnte ich gleich einkehren und laut Hinweisschild Freunde finden. Müsste dafür aber die sehr laute Partymusik in Kauf nehmen.
Setzte mich also gleich in den Schlauch. Auf der einen Seite baumeln die Beine, dazwischen der Hintern im Wasser und Arme und Oberkörper auf der anderen Seite. Die Strömung ist mäßig, die Treibgeschwindigkeit auch. So lasse ich für die nächsten 4 Stunden das Umfeld an mir vorbeiziehen. Zwischendurch lege ich einen Halt ein und trinke ein Bier in einer Hütte. Solche Stationen gibt es reichlich. Beim Weiterfahren bemerke ich ein Loch im Schlauch. Kann den Luftaustritt aber durch Fingerdrücken deutlich reduzieren. Trotzdem ein ungutes Gefühl. Hinzu kommt eine dunkle Wolkenwand und Gewitterdonner. Die Reisegeschwindigkeit ist weiterhin ausgesprochen langsam und ich kann sie nur durch Handpaddelbewegung beschleunigen. Dazu benötige ich aber beide Hände, die Luft verlässt dann schneller den Reifen. Zu Hilfe kommt mir ein kräftiger Wind, der mich schneller stromabwärts treibt. Kurz vorm Einsetzen des Gewittersturms mit Eimerregen erreiche ich mit etwas schlappem Schlauch mein Ziel.