Thomas Kipp

Flussblicke.

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Mai 102015
 

DSC07468730. Reisetag

22.575 km

 

Die Wasserstraße ist blockiert. Auf dem Fluss Nam Ou, der nahe Luang Prabang den Mekong erreicht, wollte ich eine Teilstrecke mit dem Boot Richtung Norden reisen. Zwei Staudammprojekte der Chinesen verhindern mein Fortkommen. Bleibe also die nächsten 150 km, bis zur neuen Bootsabfahrstelle, der Straße treu.

Zunächst fahre ich Hügel auf und ab durchs enge Nam Ou Tal, vorbei an einer Staudammbaustelle und dann hinein ins bergige Umland. Die morgendliche Fahrt ist bei Temperaturen um 25 Grad angenehm. Je höher die Sonne steigt, desto mehr spüre ich die Steigungen und umso weniger nehme ich das schöne saftig grüne Umfeld war.

Die nächste Unterkunft liegt in 115 km Entfernung. Ich erreiche sie vor der Nachmittagshitze. Auf einer Nebenstraße geht’s am nächsten Morgen in den kleinen Ort Nong Kiaw am Nam Ou Fluss. Steile bewaldete Kalkfelsen umgeben das Flusstal. Es ist schön hier und sehr ruhig.
 So ein Platz ist natürlich im Reiseführer erwähnt – sonst wäre ich wohl auch nicht hier. Und wo Touristen weilen entwickelt sich eine entsprechende Infrastruktur.

Ich übernachte in einer Bambushütte mit Flussblick. Auf meiner kleinen Terrasse liege ich in der Hängematte und lese. Zum Frühstück gibt’s ein Früchtemüsli mit Jogurt. Das Abendessen nehme ich beim Inder ein.

Gespräche mit anderen Reisenden habe ich meist beim Essen. Häufig ergibt sich jedoch nur ein Lauschen beim Nachbartisch. Das typische Traveller-Thema ist recht einseitig: das Finden günstiger Unterkünfte und ein schnelles Weiterkommen. Die eigentlichen Reiseerlebnisse gehen dabei unter.
Einzelreisende junge Menschen treffen aufeinander und fahren streckenweise zusammen weiter. Die Jugend ist unkompliziert.

Nach so einem entspannenden Umfeld habe ich mich lange gesehnt. Selbst die Hitze des Nachmittags wird im Schatten meiner Terrasse erträglich. Am Abend kommt sogar eine angenehme Frische auf. Ich bleibe drei Tage.

Die Weiterfahrt ist einfach. Ich gehe zum Bootsanleger und fahre in einem schmalen Boot voll mit Touristen den Strom bergauf. Der Strom ist die Alternativroute zum Bus um in den Norden von Laos zu gelangen. Nach ca. 1,5 h Fahrt steige ich in Muang Neua aus, ein Ort abseits jeder Straße und nur mit dem Boot erreichbar.

Luang Prabang.

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Mai 052015
 
DSC07234

Die Goldene Stupa auf dem Stadtberg.

 725. Reisetag

 

Geschafft, nicht die Bergetappen der letzten Tage, sondern ich bin geschafft. Müde und abgeschlafft. Bedeutet das ein wenig Reiseunlust? Ich hoffe nicht und schiebe es auf die Hitze.

Laut Reiseführer ist Luang Prabang eine der sehenswertesten Städte in Laos. Viele Wats, in der Morgendämmerung der Bettelgang der Mönche, die schöne Lage am Mekongfluss und div. Ausflugsziele ins Umland. Dem Touristentrubel entziehe ich mich erst einmal. Nutze nur die guten Essensmöglichkeiten. Nach zwei Nichtstutagen beginne ich mit einem Vormittagsprogramm.

Bereits nach dem Besuch von zwei Tempeln – sie sollen zu den ältesten und schönsten in Laos gehören – stellt sich eine Watmüdigkeit ein. Auch wenn Prunk, Größe und Anzahl der Buddhas stark variieren, ähneln sie sich sehr.

Am folgenden Morgen in der Dämmerung begebe ich mich zum Bettelgang der Mönche. Ein Programmpunkt, den kaum ein Tourist auslässt, auch wenn es um 5 Uhr aufstehen bedeutet. Es ist ein Schauspiel, eher eine Tragikomödie mit Beteiligung der Zuschauer. Matten und Höckerchen stehen am Straßenrand, daneben ein Körbchen mit Klebereis und eine Schale gefüllt mit div. Junkfood in Tüten. Diesen Platz können die Touristen kaufen. Nach der Bezahlung bekommen sie eine Schärpe umgelegt. Fertig ist der spendende Buddhist. Das warten auf die Mönche wird mit Selfies und Gruppenfotos überbrückt. Im Gänsemarsch rücken die Mönche an. In ihren Bettelschalen erhalten sie den Klebereis und in Tüten eingeschweißtes Junkfood. Die Prozession hält, der Klebereis wird aussortiert und in bereitstehende Abfallkörbe geworfen. Dann geht es weiter bis die Spendenschale wieder geleert werden muss. Irgendwann ist der Rundgang beendet und die Mönche verschwinden in ihrem Wat. Zur Wahrung der Ehre der Langnasen, fast alle teilnehmenden Zuschauer sind Asiaten und wahrscheinlich sogar Buddhisten.
Was mögen wohl Mönche und die einheimischen Gläubigen bei diesem Spektakel empfinden?
Von dem Mönchsmarsch gibt es keine Fotos, die Reihe der knipsenden Touristen war mir zu peinlich.

Nach diesem Morgentheater mache ich einen Bootsausflug auf dem Mekong zu zwei Höhlen mit Tausenden meist kleiner Buddhas. Die Bootsfahrt mit dem Blick auf die Weite des Flusses und Berge im Hintergrund empfinde ich entspannend und schön. Einfach dasitzen, nicht treten, fühle mich melancholisch zufrieden. Die Höhlen beeindrucken weniger.

Für die nächste Tour leihe ich mir ein Moped um einen 30 km entfernten Kaskadenwasserfall anzuschauen. Ein Zweirad mit Motor hat im bergigen Umfeld schon Vorteile, besonders wenn’s heiß wird. Ich bin früh gestartet und der erste Besucher. Das Alleinesein in einem schönen Umfeld genieße ich.

Am Nachmittag sitze ich oft in einem Restaurant am Mekong, trinke trotz Hitze ein Bier und schaue auf den schnell fließenden Strom. Wegen der vielen Untiefen wird er nur von den flachen Langbooten befahren. Am Abend genieße ich auf dem Nachtmarkt das vegetarische Büffet. Vorbei sind die fünf Tage in Luang Prabang.

Den folgenden Artikel über Nooteboom und seine Reisen habe ich von Moni aus Süddeutschland erhalten. Solche Worte für meine Gedanken finde ich leider nicht.

Nootebooms Mantra lautet Selbstbeschränkung: „Die Welt gehört den anderen, du darfst sie dir ansehen, um sie besser zu verstehen – oder um dich selbst besser zu verstehen –, aber du kannst diese Welt nicht werden.“ Er ist kein Grübler auf Reisen, kein Intellektueller, der die inneren Zusammenhänge der Welt erkennen will. Das wäre für ihn anmaßend.
Nooteboom will nicht verweilen. Er gehorcht seiner inneren Unruhe.
Seine Eindrücke von der Saigoku-Wallfahrt beschreibt er mit subtiler Komik. Einzutauchen in die Magie der Orte vermag er aber nur selten. Ein bisschen enttäuscht ist der Reisende schon. Immerhin hat Japans großer Dichter Basho hier sein berühmtestes Haiku verfasst:

Ein uralter Teich
Ein Frosch springt hinein
Dann das Geräusch von Wasser“

Doch als N. Teich und Tempel besucht, an denen das Gedicht entstand, findet er dort nichts Erhabenes. Statt Überwältigung empfindet er Ernüchterung und hadert: „Ist das wahr? Nächste Frage: Spielt es eine Rolle? Nein, es spielt keine Rolle. Natürlich ist dies der Teich.“

Über die Berge.

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Apr 302015
 

DSC07097720. Reisetag

22.425 km

 

Nach den Hügeln kommen die Berge. Ich sehe sie bereits am Morgen vor mir liegen. Das Tal wird schmaler. Die Straße windet sich um die Ausläufer der Bergkette herum. Dann geht es kräftig in die Höhe. Oft sind die steilen Hänge gerodet und mit Bananenstauden oder Mais bepflanzt. Zwischen den Pflanzen liegt die Erde ungeschützt. Für die Wassermassen des tropischen Regens ein Leichtes sie mitzunehmen. Der Anblick schmerzt. Aber was können die armen Bergbauern anders machen?

Den kleinen Dörfern in der Höhe ist die Armut anzusehen. Die Wände der Häuser bestehen aus geflochtenen Bambusmatten, die Dächer sind mit Schilfgras bedeckt, seltener mit Wellblech. Steinhäuser gibt es wenige.

An offenen Wasserstellen waschen sich die Menschen. Das Wasser wird in Kanister und Eimern zu den Ein-Raum-Hütten gebracht. Gekocht und gelebt wird davor, dicht am Straßenrand.
 Bereits sehr junge Frauen tragen ihr Kind auf dem Rücken. Scharen von Kinder leben unter diesen ärmlichen Verhältnissen. Sie rufen mir lachend ein Sabaidee zu. Die Erwachsenen, Männer seltener als Frauen, grüßen nur vereinzelt zurück.

Zwischen den Häusern und über die Straße laufen schwarze Schweine und ihre Ferkel. Bis kurz vor ihrem Tode führen sie ein Leben, von dem ihre pinken Artgenossen in Europa nur „träumen“ können. Es bringt Spaß die Hennen zu beobachten, wie sie im Staub scharren um ihre zahlreiche Kinderschar auf das Hühnerleben vorzubereiten.

Am Straßenrand stehen merkwürdige Pflanzen. Sie sehen aus wie die Windungen in einem offenen Hirn. Darunter scheint die eigentliche Blüte zu sein.
Zwei Berge habe ich an diesem Tag zu überwinden. 1000 m Höhe kommen zusammen und viel innere und äußere Hitze.
Am Abend sinken die Temperaturen. Erstmals kann ich ohne Ventilator einschlafen, AC gibt es sowieso in der kleinen Herberge nicht.

Direkt am nächsten Morgen winde ich mich 1000 m in die Höhe. Oben genieße ich die Fernblicke über die Berge. Die Weitsicht bleibt, mein Gipfelglück schwindet beim ständigen steilen Auf- und Abfahren.
Beim letzten Bergwechsel rolle ich noch einmal steil hinunter in ein Tal und auf der anderen Seite strampele ich gleich wieder 600 m in die Höhe. Diese letzten 20 Tageskilometer ziehen sich zu einer Quäl-Dich-Etappe. Ich bin froh, dass eine Wolkenwand mich beim Anstieg vorübergehend vor der Sonne schützt. Auch wenn aus ihr der Donner grollt und ein Starkregen droht. Habe Glück, die Front streift mich mit einigen Tropfen nur am Rande.

An diesem Tag sammel ich 1900 Höhenmeter bei 75 km Strecke. Das ist mein Limit, viel mehr schaffe ich nicht. Abgeschlafft erreiche ich meine Herberge auf der letzten Anhöhe.

Am nächsten Morgen verlasse ich die hohen Berge. Zunächst mit einer rasanten 1000 Höhenmeter Abfahrt. Weit unter mir sehe ich die Wolkenfelder, etwas später bin ich mittendrin. Nur rollen lassen, das wäre zu schön. Im Tal angekommen geht es noch einmal kräftig in die Höhe. Das war es fast an Steigung für diesen Tag. Bereits mittags erreiche ich die am Mekong gelegene Stadt Luang Prabang, UNESCO-Weltkulturerbe und Touristenhochburg.

Vang Vieng.

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Apr 272015
 

DSC06911717. Reisetag

22.188 km

 

Bei leicht bedecktem Himmel verlasse ich in der Frühe Vientiane. Am Straßenrand knien Frauen auf Matten, vor Ihnen sind Gabentöpfen aufgestellt. Mönche im Gänsemarsch ziehen an ihnen vorbei und sammeln die tägliche Spende ein. Jeder bekommt etwas in seinen Topf. Ob es wohl später redlich geteilt wird?

Die gemütlich zu befahrende Straße wird zur staubigen Baustelle. Der Versuch mich mit einem Mundschutz zu schützen – wie die vorbeirauschenden Mopedfahrer – scheitert. Mein Atmen wird schwieriger, außerdem beschlägt die Brille. Dann lieber Staub einziehen.

Ich weiche auf Nebenstraßen aus, anfangs geteert, dann Holperpiste. Befürchtungen, dass eine Fähre (wegen des wenigen Verkehrs) ihren Dienst eingestellt hat Bewahrheiten sich nicht. Mit ihr gelange ich nach der Flussüberquerung wieder auf die jetzt baustellenlose Hauptstraße.

Als Übernachtungsort habe ich mir ein einsam gelegenes „Öko“-Resort ausgesucht. Nach 100 km Fahrt erreiche ich abgeschlafft in der Mittagshitze mein Tagesziel. Öko bedeutet hier einfach, die Preise entsprechen allerdings einem 3-Sterne-Hotel. Ich bin der einzige, den es hier hin verschlagen hat. Mit etwas Zeit und einem kaltes Bier werde ich meinen anfänglichen Groll los. Ich bin offen für das schöne Umfeld.
Rund herum alles grün. Unter mir ein Fluss, in dem Kinder baden. Im nahen Teich quaken Frösche. Wie dirigiert setzt ein Grillenkonzert ein und hört wieder auf.

Das Flachland habe ich verlassen, es fängt an zu hügeln. Das spüre ich bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen. Die trockenen Reisfelder sind durch grüne mit Bambus und Buschwerk bewachsene Hänge abgelöst. Meine Augen freuen sich, die Beine sind ein wenig gefordert.

Am frühen Nachmittag erreiche ich Vang Vieng. Einst das berühmt berüchtigte Hippie-Paradies inmitten einer Karstlandschaft mit Fluss. Mittlerweile gibt es keine 24-Stunden-Parties mehr, Nachtruhe beginnt um 22 Uhr, der Alkohol fließt noch, aber nicht mehr in Strömen, Drogenhandel wird bestraft. Nach einem „hohen Staatsbesuch“ sind die Behörden rigoros vorgegangen.

Die schöne Landschaft ist geblieben, die Touristen auch. Anstatt Besäufnis stehen Caving (Höhlenbesichtigung), Tubing (auf einem Autoschlauch sich den Fluss hinunter treiben zu lassen), Climbing und Kayaking u.a. auf dem Programm. Die ersten zwei Punkte auch auf meinem.

Die Besichtigung der Tropfsteinhöhlen ist etwas Besonderes. Haarsträubend, wenn man deutsche Sicherheitsanforderungen stellen würde. Keine Beleuchtung drinnen, keine Halteseile. Mit meiner Stirnlampe versehen klettere ich hinein, über rutschig feuchte abgewetzte Tropfsteine und Geröll, auf allen vieren. Zu Tode stürzen würde ich mich nicht, ein Abrutschen würde deutliche Blessuren hinterlassen. Unten gelange ich in eine Gewölbehalle. Es ist stockdunkel. Ich bin alleine. Der Strahl meiner Lampe lässt die Schatten der Tropfsteinsäulen in den hinteren Raum fallen. Ein merkwürdiges Gefühl hier zu stehen und ein wenig gruselig ist es auch.
Ich versuche mir den gangbaren Weg zu merken, da es genügend Hindernisse gibt. Aber alles sieht ähnlich aus und beim Zurückschauen wieder anders. Die Bange, den Rückweg nicht zu finden begrenzt mein Eindringen in die Tiefen, schade.

Das Tubing läuft organisiert ab. Die diversen Unternehmen im Ort haben sich auf eine Anlaufstelle geeinigt. Dort leiht man sich den Schlauch und wird zur Einstiegsstelle oberhalb des Flusses transportiert. Das vermeidet Konkurrenz und sichert ihnen einen guten Preis.

Dort angekommen, könnte ich gleich einkehren und laut Hinweisschild Freunde finden. Müsste dafür aber die sehr laute Partymusik in Kauf nehmen.
Setzte mich also gleich in den Schlauch. Auf der einen Seite baumeln die Beine, dazwischen der Hintern im Wasser und Arme und Oberkörper auf der anderen Seite. Die Strömung ist mäßig, die Treibgeschwindigkeit auch. So lasse ich für die nächsten 4 Stunden das Umfeld an mir vorbeiziehen. Zwischendurch lege ich einen Halt ein und trinke ein Bier in einer Hütte. Solche Stationen gibt es reichlich. Beim Weiterfahren bemerke ich ein Loch im Schlauch. Kann den Luftaustritt aber durch Fingerdrücken deutlich reduzieren. Trotzdem ein ungutes Gefühl. Hinzu kommt eine dunkle Wolkenwand und Gewitterdonner. Die Reisegeschwindigkeit ist weiterhin ausgesprochen langsam und ich kann sie nur durch Handpaddelbewegung beschleunigen. Dazu benötige ich aber beide Hände, die Luft verlässt dann schneller den Reifen. Zu Hilfe kommt mir ein kräftiger Wind, der mich schneller stromabwärts treibt. Kurz vorm Einsetzen des Gewittersturms mit Eimerregen erreiche ich mit etwas schlappem Schlauch mein Ziel.