Thomas Kipp

Ins grüne Hügelland.

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Okt 242016
 

dsc0557610. Reisetag

202 km

 

Jetzt beginnt die Herausforderung für mich. Ein halbes Jahr von zu Hause weg sein ist eins, das „Wie“ des Unterwegs sein, ist die eigentliche Herausforderung. Aus eigener Kraft. Mich Meter für Meter vorwärtsschieben. Den gesamten Hausstand auf ein paar Taschen verteilt. Nicht Wissen, ob es am Zielort wirklich eine freie Unterkunft gibt. Viele Zeltnächte stehen mir bevor. Es gibt mehr zu überwinden als Berge.

Dann geht es los. Der Weg aus der Stadt führt uns auf gutem Radweg entlang einer Autobahn. Viele Radfahrer, die uns begegnen grüßen freundlich. Wie einfach ist es doch ein Lächeln zu verschenken und damit die Welt etwas freundlicher zu machen.

Nach einiger Zeit radeln wir auf Landstraßen, die Landschaft wird lieblich ländlich und hügeliger. Zwei Damen, die an der Straße entlang spazieren sprechen uns an, „What are you guys doing there?“ Das frage ich mich mittlerweile auch, aber darauf komme ich später zurück. Jedenfalls sind Patricia, deren Mann mit deutschen alten Auto handelt und ihre Freundin sehr gesprächig und positiv gestimmt.

Wir fahren weiter durch ein Weinanbaugebiet, welches mit hohen Hecken gesäumt ist und dann Hügel auf und ab mit teilweise so starker Steigung, dass wir schieben müssen. Mit Gepäck auch nicht viel leichter.

Ziemlich erschöpft erreichen wir Helensville und bauen unser Zelt auf einer feuchten Wiese mit hohem Gras auf. In der Campingküche kochen wir uns leckere Instantnudeln und fallen ziemlich früh in tiefen Schlaf. Tags darauf besuchen wir das Thermalbad nebenan, welches von einer heißen Quelle gespeist wird. Irritierenderweise sind wir fast die einzigen Gäste.

Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Wellford. Der Verkehr wird immer dichter. Im Motel, in dem wir für die nächste Nacht einchecken erfahren wir den Grund. „Labour Weekend“ ein verlängertes Wochenende und alle Auckländer fahren mit Kind, Kegel, Boot und was sonst noch so auf den Hänger oder ins Wohnmobil passt Richtung Nordküste.

Wellford ist ein nichtssagendes Straßenstädtchen, wo es hauptsächlich „Takeaway“ Essen gibt. Auch wir verspeisen unser leckeres, indisches Essen von einem Pappteller in einem indischen Schnellimbiss.

Wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf der Hauptstraße ändern wir unsere Route und fahren zur Ostküste nach Manghawai. Wir mieten einen Campingwagen mit Seeblick und bleiben die nächsten 2 Nächte im Ort. Unseren Tagesausflug am Sonntag ändern wir ebenfalls wegen der doch sehr strapaziösen Bergetappen. Stattdessen machen wir einen Strandspaziergang.

Was mich nervt, sind die Autofahrer. Manche fahren bis auf einige Zentimeter Abstand an uns vorbei. Das Ganze dann noch an Steigungen, wo man sowieso wackeliger fährt. Ich werde mir noch eine entspanntere Haltung zulegen müssen.

Wieder unterwegs …

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Okt 192016
 

dsc055296. Reisetag

44 km

 

… doch dieses Mal nicht alleine. Die nächsten sechs Monate begleitet mich Marie durch Neuseeland.

Die Räder sind im Karton, unser Gepäck zu zwei Bündeln komprimiert. Das Freigepäck bei Etihad beträgt zwei mal 23 kg, das passt. Zwei, um jeweils sechs Stunden verkürzte Tage sind zu bewältigen – im Flugzeug. An Schlaf ist nicht zu denken, der Rücken schmerzt vom langen beengten Sitzen.
Die Ökobilanz einer Fahrradtour ist dahin. Der CO2-Ausstoß des Fluges nach Neuseeland beträgt 7,5 Tonnen pro Person, ca. 70 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes eines Menschen in Deutschland. Wir kaufen Absolution für jeweils 185 Euro pro Flug/Person bei Atmosfair. Trotzdem, ein schlechtes Gewissen bleibt.

Am frühen Morgen des dritten Tages erreichen wir endlich Neuseeland. Die Kontrollen sind streng. Kein Nahrungsmittel darf eingeführt werden. Spürhunde laufen herum und beschnüffeln das Gepäck. Die Einfuhr jedweder Nahrungsmittel ist verboten. Unsere Räder sind pingelig gesäubert. Kein Krümel fremder Erde darf ins Land. Zur Sicherheit wird beim Eintritt ins Land alles noch einmal durch einen Scanner geschickt.

Wir sind im Land der langen weißen Wolke – Aotearoa – wie es die Maoris nennen. Damals als die ersten Polynesier mit ihren Booten hier ankamen noch menschenleer, heute mit ca. 4,5 Millionen Einwohnern auch nicht dicht besiedelt. Davon lebt ein Drittel der Bevölkerung in Auckland, der Stadt in der wir ankommen.

Ein Regenbogen begrüßt uns, der dazu gehörige Regen holt uns nach fünf Kilometer ein, erst sanft, dann heftig. 20 Kilometer sind es bis zur Jugendherberge in der City. Wir kämpfen uns mühsam über die vielen kleinen Hügel. Ein kleiner Vorgeschmack auf das was noch kommen wird.

Beim ersten Stadtgang fühle ich mich nach Indien versetzt. Reihenweise Stände mit indischen Gerichten. Auf Bühnen und der Straße wird getanzt. Die Indische Gemeinde in Auckland feiert Diwali, das Lichterfest. Überhaupt lebt in dieser Big City eine Völkervielfalt. Hinzu kommen viele jugendliche Work- und Travel-Reisende, die in Auckland starten und sich die Stadt anschauen.

Der innere Stadtbezirk bietet kaum etwas Besonderes. Die üblichen Kettenläden, moderne Glaspaläste haben bereits viele der alten viktorianischen Gebäude verdrängt. Halt eine geschäftige Innenstadt.

Schön ist der Spaziergang entlang der Hafenpromenade. Sie wurde für die Touristen aufgepeppelt und ist entsprechend bevölkert. Angenehme Abwechslung und Ruhe finden wir in den nahen Parkanlagen mit mächtigen alten Bäumen und Dschungelpfaden.

Um uns ein wenig auf den Linksverkehr einzustimmen radeln wir an unserem letzten Tag in Auckland an der Küste entlang. Diese ist gesäumt von noblen, fast steril wirkenden Villen der Reichen. Am Strand ebenfalls eine heile Weltkulisse von Müttern, die mit ihren Kindern spielen und Sport treibende Menschen. Und damit die Welt auch so schön und heil bleibt stehen überall Schilder mit Verhaltensregeln.

 

Sommerpause.

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Okt 022016
 
p1030138

Probesitzen. Zu schwer als Reiserad.

 

 

 

Angekommen in Deutschland bin ich schnell. Bereits nach dem ersten Käsebrot fühlte ich mich heimisch. Gegen die kühlen Außentemperaturen in den ersten Aprilwochen kann ich mich wehren und empfinde diese sogar als angenehm. Die Hitze in den letzten Monaten auf den Philippinen hatte mir zugesetzt.

Anstatt Reis mit Gemüse gibt es abwechselnde vegetarische Gerichte. Ich liege wieder gemütlich auf dem Sofa, aber nicht nur. Es gibt einiges zu regeln. Haus und Garten sind durch meine Abwesenheit ein wenig vernachlässigt. Ich selber lasse mich beim Doktor checken. Das Implantat aus Thailand erhält die notwendige Krone.

Mein Reiserad hat die drei Jahre so gerade überstanden. Der angebliche „Norwid-Qualitätsrahmen“ ist kurz vor dem Kollaps. Die Halterungen sind ausgebrochen und haben am Rahmen Löcher hinterlassen. Der Lack blättert flächenhaft ab und hinterlässt Rostflecken. Norwid reparierte den Rahmen kostenlos, gibt aber keine Erklärung oder Entschuldigung dazu ab.

Kaum bin ich einige Wochen zu Hause, schmerzt mein rechter Fuß beim Auftreten. Untersuchungen zeigen einen Fersensporn an. Eine langwierige Geschichte, die noch nicht überstanden ist.

Nach fünf Monaten in Deutschland bin ich erstaunt, wie die Erinnerungen an meine lange Reise verblassen. Sie liegt gedanklich bereits weit zurück. Ich merke, dass mein Drang zum Unterwegssein geschwächt, aber immer noch da ist. Ich „muss“ nicht mehr weg, freue mich aber auf meine Weiterfahrt. Sie steht demnächst an.

Ein wenig schreibfaul bin ich geworden. Der Lagebericht Deutschland kommt eindeutig zu spät.

Letzte Tage in Manila.

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Mrz 302016
 
IMG_1853

Blick aus meinem Hotelfenster.

1058. Reisetag

30.690 km

450 km Bus

 

Die Busverladung bereitet mir Unruhe. Normalerweise passt das Rad problemlos in das untere Gepäckfach, diesmal jedoch nicht. Ich demontiere das Vorderrad und eine Pedale. Etwas Stress, wenig Arbeit und viel Schweiß. Im Bus das Gegenteil. Es ist viel zu kalt. Darauf bin ich vorbereitet und ziehe einen Pullover an. Gegen den Videolärm stöpsele ich die Ohren. Auf die Dauer der Busfahrt laufen Gewaltvideos. Es ist Karfreitag. In anderen Teilen des Landes lassen sich 15 Männer ans Kreuz schlagen.

Die achtstündige Busfahrt verkürze ich mit dem e-book „Nachtzug nach Lissabon“. Vor Jahren hatte ich das Buch schon einmal gelesen. Es passt zu meiner Stimmung, eine Reise ins Ungewisse.

In der Dämmerung fährt der Bus in Manila ein. Ich baue mein Rad zusammen und radele Richtung Unterkunft. Angenehm bemerke ich, dass sich Ostern beruhigend auf den Straßenverkehr auswirkt. Erst am Montag setzt dieser wieder in chaotischer Stärke ein. Die Gegensätze der Megastadt lassen sich auch an Ostern nicht verbergen. Die Armen leben auf den Bürgersteigen und einfachsten Unterkünften, während in den Shopping-Malls und Bankenvierteln die Wohlhabenderen flanieren.

Ich besorge mir einen Fahrradkarton und eine große Tasche. Zwei Gepäckstücke bis 23 kg sind mein Freigepäck bei Etihad Airways. Am späten Nachmittag des 30. März reihe ich mich in die Schlange der Wartenden ein. Bereits beim Betreten des Flughafens wird jedes Gepäckstück durchleuchtet.
Es wird eine lange Nacht bis ich nach 17 Stunden um 7 Uhr morgens in Frankfurt ankomme. Vier Stunden später erreiche ich mit dem Zug den Bonner Hauptbahnhof.

Vier Monate bin ich auf den Philippinen unterwegs gewesen und habe auf den vielen Inseln mit dem Rad 3000 km zurückgelegt. Ich begegnete ausnahmslos freundlichen und hilfsbereiten Menschen.

Die lange Kolonialzeit hat auf den Philippinen deutliche Spuren hinterlassen. Die Namen fast aller Städte und Orte stammen von den Spaniern, die christlichen Einflüsse ebenfalls. Letzteres hat das Land noch heute zu einem beliebten Tummelplatz diverser christlicher Missionare gemacht. Eigenständige philippinische Musik habe ich nicht ein einziges Mal gehört. Aus sämtlichen Lautsprechern schallt englisches Gedudel.

Auch nach der Unabhängigkeit und der Marcos-Diktatur verhindern Wahlfälschungen und Korruption eine stabile Demokratie. Die philippinische Politik ist stark personenbezogen. Viele der Politiker gehören einer politischen Dynastie an. Bei den im Mai stattfindenden Wahlen steht selbst der Sohn vom Diktator Marcos auf der Liste.