5906 km
Nahe, jedoch wenig sichtbar, begleite ich den Murray auf seinen letzten Kilometern. Überquere ihn noch einmal auf einer Brücke, die einfallsreich der Stadt dahinter „Murray Bridge“ ihren Namen gab. Im Zentrum dort stehen gesichtslose Geschäftsbauten, drumherum Wohnsiedlungen – null Atmosphäre. Das Indische Restaurant geschlossen und auch noch schlecht geschlafen, nichts wie weiter am nächsten Morgen.
Die Hügel habe ich am Vortag hinter mir gelassen. Ich durchfahre grüne Wiesenlandschaften, immer wieder unterbrochen durch große Weinplantagen. Reben scheinen hier überall günstige Bedingungen zu haben und die Mengen an produzierten Wein lassen sich wohl auch vermarkten. Gegen diese Anlage wirken die rheinischen Weinberge wie Schrebergärten.
Auf der Straße vor mir werden Schafe in einen Pferch getrieben. Ich halte und schaue in den Schuppen daneben, aus dem ein sirrendes Geräusch kommt – Schafschur. Freundlich werde ich empfangen, nach dem woher und -hin gefragt, erfahre wer und wo bereits in Deutschland war. Mich interessiert vor allem die Schur. Es sind Merino-Schafe, die ihre Wolle lassen und der Farmer erhält ca. 11 Dollar/kg. (In Neuseeland für die normale Wolle gab es nur 6 Dollar.) Die Wolle geht nach China. Anders als in Neuseeland stabilisieren die Scherer sich beim Bücken mit einem flexiblen an der Decke befestigten Bauchgurt. Die Farm bewirtschaftet neben 3000 Schafen, ein paar hundert Rindern auch diverse Weinfelder.
Der Murray als Fluss endet irgendwo im Wiesenland. Er mündet in den Lake Alexandrina. An dessen Ufer verbringe ich die nächste Nacht in einer Cabin auf dem Campingplatz. Nur 30 Kilometer weiter am nächsten Tag erreiche ich in Goolwa den Indischen Ozean.
Etwas abseits des Ortes quartiere ich mich auf einer kleinen Farm für die nächsten vier Nächte in einen ausgebauten Bus ein. Dank der App WikiCamps finde ich solche Unterkünfte.
Die Murray-Erkundung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Der Küstenort Goolwa liegt ebenfalls am Ufer des Lake Alexandrinas. Zwischen zwei langen Dünenzungen hat dieser eine schmale Verbindung zum Meer – „The Murray-Mouth“. Lange Flutwehre zwischen Land und Seeinseln verhindern das Eindringen von Salzwasser in den Lake Alexandrina. Weite Teile des vogelreichen Gebiets von See und Dünenlandschaft bilden den Coorong-Nationalpark. Mit einem Ausflugsboot erkundige ich diesen. An den Wehren – der Übergang vom Süß- zum Salzwasser (mit Schleuse für unser Boot) gibt es reichlich Nahrung für die Wasservögel, in Scharen sitzen sie auf den Stegen – vor allem Pelikane. Beim Fischen schnappen sie mit offenem Schnabel ins Wasser. Der Hautlappen unterhalb des Schnabels bläht sich auf – mit Wasser und wohl auch Fisch. Nach einiger Zeit ziehen sie den Schnabel in die Höhe, das Wasser ist raus und mit einem Kopfschütteln schlucken sie den Fang hinunter. Erfolgt das Fischen in Gruppen, dann tauchen sie die Schnäbel gleichzeitig ins Wasser. Das ist wohl effektiver.
Im Salzwasser hinter der Schleuse tummeln sich zahlreiche Seehunde. Die alten schlafen auf dem Wehrgestänge, die jungen spielen. Die Rückenlage scheint die bequemste zu sein. Flosse und Kopf strecken sie nach oben.
Wir schippern weiter entlang des Dünengürtels, sehen durch den „Murray Mouth“ das offene Meer, wandern durch die Dünenlandschaft und fahren zurück. Das ist wirklich der Abschied vom Murray.