6579 km
Blauer Himmel, Sonnenschein – ein augenscheinlich schöner Tag, nur leider nicht zum Radeln. Ein heftiger Wind fegt über die baumlose Landschaft. Ich fahre trotzdem weiter. Der Ort hat nichts, was zum Bleiben einlädt. Der Wind trifft mich seitlich, manchmal sogar etwas von hinten. Das Fahren ist nicht allzu anstrengend. Bereits am späten Vormittag erreiche ich den Kleinstort Cradock mit 8 Einwohnern und einem Hotel mit Übernachtungsmöglichkeit. Beim Kaffeestopp am warmen Ofen überdenke ich den weiteren Tag.
Durch den Richtungswechsel des Weges würde der Wind mich bei der Weiterfahrt von vorne treffen. Mit einer Abschwächung oder einer Änderung der Windrichtung ist am nächsten Tag nicht zu rechnen. Hier kann ich in einem Zimmer schlafen. Die nächste feste Unterkunft ist ungewiss. Aber es ist erst 11 Uhr vormittags und das Umfeld lädt nicht zu weiteren Erkundigungen ein.
Die momentane Gemütlichkeit siegt, ich bleibe. Der junge Wirt freut sich. Erst seit kurzem hat er das schöne Gebäude gekauft. Nur wohnen leider nicht viele Menschen im Umfeld und die „Lauf“-Kundschaft von motorisierten Touristen und kurz für ein Bier haltende Männer aus dem Umfeld ist rar. Ich wünsche ihm, dass er über die Runden kommt.
Den Nachmittag verbringe ich nahe am Ofen mit Blogschreiben.
Kein Wunder am nächsten Morgen, der Wind ist geblieben. Ich stelle mich ihm. Versuche mich nicht zu ärgern, ihn zu akzeptieren. Das ist nicht einfach. Ich vergleiche die unterschiedlichen Anstrengungen. Beim Fahren und Schieben des Rades auf den oft schwierigen Wegverhältnissen sehe ich meine Leistung, das ist ein tolles Gefühl. Beim Wind hingegen fahre ich gegen eine unsichtbare durchlässige Wand, die mich ausbremst. Die Straße ist gut, aber ich komme kaum voran. Das ist frustrierend.
Solch ein Tag gehört auch zum Unterwegssein mit dem Rad. Am späten Nachmittag nach erschöpfenden 55 Kilometern erreiche ich eine Farm mit Campingplatz und Cabins. Habe Glück, die Besitzer waren abwesend und öffneten den Platz erst an diesem Tag wieder. Mit der beheizbaren Cabin und einer Kochgelegenheit bin ich zufrieden und mit mir auch.
Am nächsten Tag wird’s einfacher. Der Wind hat nachgelassen und bis zur Stadt Quorn sind es nur 30 Kilometer.
Die trockenen „Buschweiden“ wechseln zu Weizenfelder im ersten Grün. Ich habe das Gefühl die Zivilisation zu erreichen, die große Einsamkeit hinter mir gelassen zu haben. Ich bin ein wenig traurig darüber. Diese Landschaft fand ich unbeschreiblich schön.
In Quorn bleibe ich zwei Tage auf dem Campingplatz in einer Cabin. Im Supermarkt kann ich mich wieder mit Lebensmitteln versorgen, darunter auch recht unnötige wie Schokolade und Lakritz.
Einst war der Ort Durchgangsstation von der „Great Northern Railway“, bis 1970 die Strecke umgelegt wurde. Auf dem alten Teilstück fahren jetzt restaurierte und von Freiwilligen betriebene Dampfloks, die Touristenscharen von der Küstenregion her- und wieder wegbringt.
Nach dem Pausentag geht es weiter, meist auf Feldwegen über Hügel und entlang der endlosen Weizenfelder. Die Nächte verbringe ich in kleinen Orten im Zelt, dass ist wegen der Kälte ein wenig ungemütlich. Winterferien haben angefangen, alles ist ausgebucht.
Der Winter in Südaustralien ist in der Regel regenreich, in diesem Jahr aber eindeutig zu trocken, sagen die Farmer. Zum Radeln herrschen dagegen für mich optimale Bedingungen – abgesehen manchmal vom Wind.