2384 km
Toulouse verlasse ich bei blauer Himmel, der Kanal du Midi weist mir den Weg. Die schöne Altstadt ist verlassen, die Umgebung verliert ihren Glanz. Wohnblocks und Industrieanlagen bilden die äußeren Kreise um das Zentrum. Bald schon lasse ich auch diese hinter mir.
Am Kanal liegen die Hausboote in Reihe, große und kleine. Platanen umsäumen ihn. Sie machen mir das Leben schwer. Tränende Augen, laufende Nase und Matschkopf, hinzu kommt ein strammer Wind von vorn. Auf dem Wasser liegt eine Staub und Samenschicht.
Pilgergruppen kommen mir entgegen. Stundenlang laufen sie auf dem geteerten Fahrweg – kein sehr abwechslungsreiches Pilgerleben.
Unterschiede zum Kanal de Garonne erkenne ich in einer Schleusenform mit gerundeten Becken und an den aus roten Ziegeln gebauten Brücken gegenüber den Stahlbetonbrücken.
Nach 50 km ist mit der Schleuse „Ocean“ bei 189 m das höchste Niveau erreicht. Ab jetzt geht es mit der Schifffahrt wieder abwärts Richtung Mittelmeer. An diesem Punkt verlasse ich den Kanal. Bleibe mit ihm über einen Wasserzulaufkanal noch in Verbindung. Dieser versorgt den Kanal an seiner höchsten Stelle mit genügend Wasser. Durch die Schleusensysteme fließt es dann in Richtung der zwei Meere.
Auf meiner Karte ist entlang dieses Zulaufes ein Wanderweg eingezeichnet. Ich versuche mal die Weiterfahrt auf diesem Wege, denn in ca. 10 Straßenkilometer wird dieser Weg zu einem Radweg. Daraus werden schwere 20 km. Der Zulauf schlängelt sich in vielen Kurven entlang der Höhenlinie durch die Lande. Steigung gibt es natürlich nicht, der Weg wird aber zu einer Matschpartie. Dieser blockiert die Reifen. Mit einem Stöckchen muss ich den Matsch wegstochern um die Fahrt fortsetzen zu können. Bin froh als endlich der befestigte Radweg beginnt um auf diesem die nächsten 15 km nach Revel zurückzulegen. Im Ort wird auf dem Weg Boule gespielt.
Das gute Wetter hat bisher durchgehalten, eine dunkle Wolkenfront rückt bedrohlich näher. Ich übernachte in einem Hotel.
Beim Aufwachen noch blauer Himmel, nach dem Frühstück Regen.
Mache erst einmal einen Rundgang durch den Ort. Mittendrin steht die bisher schönste Markthalle aus alten Holzbalken mit Ziegeldach und heute ist Markttag.
Es gibt viele Stände mit Gemüse, Brot, Fleisch und Käse. Darunter immer wieder Favoriten mit einer Warteschlange davor, während der Nachbarstand mit (für mich) der gleichen Ware keine Käufer hat.
In eine Ecke sitzen die Kleinverkäufer. Mann oder Frau mit einem Korb voll Eier oder Tauben im Käfig hofft auf ein Wochenendgeschäft.
Der Rundgang ist beendet, der Regen leider nicht. Ich fahre bei regnerischen 11 Grad trotzdem los, der Wind steht günstig. Mache auf der Landstraße einen nordwestlichen Bogen um den Gebirgszug Montagne Noir. Es wird hügelig. In Regensachen eingehüllt kommen mir auch hier Pilger entgegen.
Nach 40 km stoße ich auf einen Fahrradweg, eine alte Eisenbahntrasse. Das Umfeld wird interessanter, mit kontinuierlicher mäßiger Steigung geht es in die Höhe. Mal auf Dämmen, mal am Hang entlang oder das Eisenbahnbett wurde in den Fels geschlagen. Der Wendepunkt ist in 480 m Höhe erreicht. Ein langer Tunnel durchquert hier die Bergkuppe. Es donnert seit längerem, das Gewitter erreicht mich glücklicherweise nicht, der Regen schon. Es geht wieder abwärts durch bergige Landschaft. Eine Gruppe Höhlenforscher taucht aus dem Untergrund neben dem Fahrradweg auf. Der Eingang wird mit einer Stahlklappe verschlossen. Kein öffentlicher Zutritt.
Die Landschaft ist gegenüber dem Kanalradweg abwechslungsreich und Pollenfrei. Das Fahren macht trotz Regen Spaß.
Im Ort St.-Pons-de-Thomieres finde ich nach zwei vergeblichen Anfragen eine einfache Unterkunft.
Am Morgen warte ich bis der Regen vorbei ist. Der Wetterbericht verspricht Besserung.
Auf schönstem Radweg geht es an Hängen entlang, über Brücken und kleine Tunnel. Die Sonne scheint. Ich genieße die Weitblicke auf die Berge und ins Tal. Einmal geht es abseits des alten Schienenbettes steil nach oben mit wunderbarer Aussicht. In Mons la Trialle ist der Radweg zu Ende. Für mich geht es ab jetzt steil nach oben zum kleinen Bergort Bardou in 600 m Höhe. Häufig schaffe ich das Fahren nicht mehr und schiebe. Nach 6 km Bergfahrt komme ich an. Schon von weiten höre ich den Ruf der vielen Pfaue, die hier leben.
Das einsam gelegene Bergdorf Bardou wurde von einem deutsch/amerikanischen Ehepaar aus einer dornenüberwuchernden Ansammlung von Ruinen mit vielen Helfern wieder rekonstruiert. Sie haben ihren Traum verwirklicht, lebten ein bescheidenes Bauernleben und haben einen Treffpunkt für Künstler und Freunde erschaffen. Die 80-jährige Jean lebt noch in einem der Häuser. Ihr Mann ist vor drei Jahren gestorben. In diesem Dorf leben viele Pfauen.
In diesem Dorf werde ich die nächsten 12 Tage verbringen.
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