Apr 142014
 

 

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344. Reisetag
344. Reisetag

10.920 km

 

Wieder ein Abschied. Der Bus bringt Marie zum Flughafen nach Kayseri. Mein Fahrrad ist gepackt und etwas träge vom guten Frühstück mache ich mich auf den Weg. Die ersten Kilometer geht es abwärts mit kräftigem Rückenwind. Danach ändert sich meine Richtung, der Wind dreht nicht. Ich fahre 500 m in die Höhe, der Wind hält dagegen. Ich erreiche die Passhöhe und blicke hinunter auf eine weite Ebene mit einem großen Salzsee. Ab jetzt geht es nur bergab und 35 km weiter durch eine flache Landschaft. Bin bald am Ziel denke ich. Nur mit dem Wind, der sich zum Sturm gesteigert hat, habe ich nicht gerechnet. Bereits bei der Abfahrt muss ich nicht bremsen. In der Ebene macht er mich zur Schnecke. Vier Stunden benötige ich für die letzten 35 km. Die Wahrnehmung der Schönheit leidet darunter.
Störche brüten bereits in Nestern auf dem Telegrafenmästen. Daneben fließt ein Kanal, in dem die Frösche (noch) quaken. Der Kanal ist bedeckt mit einem weißen Blumenteppich. Am Rande der Ebene ist Landwirtschaft möglich. Kühe und Wasserbüffel grasen auf Wiesen und das Grün der Weizenfelder ist zu sehen.
Erschöpft erreiche ich die Stadt Develi. So ein Tag eignet sich nicht zum Radfahren.

Unterschiedliche Wetterberichte für den folgenden Tag kündigen 2 x Nordwind (gut) und 1 x Südwind (schlecht) an. Beim Start am nächsten Morgen stimmt leider der letztere. Mit gleicher Stärke wie am Vortag stemmt er sich gegen mich. Ich durchfahre ein weites Hochtal. Bereits nach kurzer Zeit ist mir klar, mein Tagesziel ist unerreichbar, zumal ein 2000 m Pass zu bewältigen wäre. Es gelingt mir, nicht ein Kampftag daraus zu machen. Mit Gelassenheit fahre ich am Vormittag gegen den Wind. Kann sogar die Weite und den Blick auf die schneebedeckten Berggipfel rundherum genießen.
Eine feste Unterkunft gibt es an diesem Tag für mich nicht. Ich werde seit langem mal wieder das Zelt aufschlagen. Ich fahre bereits auf der Passstraße. Der Wind pfeift mir entgegen und zwingt mir manchen Halt auf.
Einen geeigneten Platz für mein Nachtlager zu finden ist nicht einfach. Die Straße wurde neu gebaut und in den Felsen geschlagen. Das anfallende Geröll liegt auf der Hangseite. Große Ansprüche an einen schönen Platz kann ich also nicht stellen. Neben dem Geröll finde ich eine halbwegs ebene Fläche mit wenig Einsicht von der Straße her. Baue mein Zelt auf, lege mich in die Spätnachmittagssonne. Bald schon verziehe ich mich ins Zelt. Die Kälte auf 1600 m Höhe kommt vor dem Sonnenuntergang.

Der Schlafsack hält mich warm und ein wenig beengt. Nur das Verrutschen der Luftmatratze stört. Die Morgensonne hat bereits das Zelt erwärmt als ich aufwache.
Ab jetzt gibt es zum Frühstück nur noch Nescafé (Outdoor) sonst Tee. Die Drückkaffeekanne ist wieder in Deutschland. In der Natur zu frühstücken ist schon etwas Schönes, habe es lange nicht mehr gemacht.
Der Wind hat sich gelegt, meine Stimmung gut. Die Weiterfahrt in die Höhe ist eine Genussfahrt gegenüber der gestrigen Gegenwindfahrt. Die Straße leider ein wenig staubig, wenn ein Auto vorbeifährt. Der Teerbelag fehlt noch.
Mittags erreiche ich die kahle Passhöhe. Viele Schmetterlinge treibt der leichte Wind mir entgegen. Auch sie möchten das Tal wechseln. Blumen für sie gibt es hier oben nicht.

Die Abfahrt ist steil. Schon bald erreiche ich den Ort Catalcam. Hier wohnen türkische Bekannte von Almut, bei denen ich übernachten werde. Als Treffpunkt haben wir die Moschee des Ortes ausgewählt, nach einem Anruf werde ich dort abgeholt.
Ich bekomme ein reichhaltiges Mittagessen mit Brot, Eier, Käse Jogurt u.a. zusammen mit meinem Abholer serviert. Danach unterhalten wir uns stockend. Ich schlage einen kleinen Spaziergang vor. Wir gehen zur örtlichen Teestube. Ich setze mich in die Reihe der alten Männer. Schaue dem Treiben davor zu. Mein Begleiter spielt eine Art Domino-Romee.
Ein Hühnerhändler ist vorgefahren und verkauft Hühner. Sie sehen zerzaust aus. Der Stückpreis beträgt 1,70 €. Der Absatz ist gut.
Bald spaziere ich zurück zu meiner Unterkunft und unterhalte mich dort mit den Frauen mittels Deutsch-Türkisches Lexikon recht mühsam. Die Familienverhältnisse in meiner Unterkunft bleiben mir unklar. Neue Gesichter tauchen auf, andere verschwinden.
Ab spätem Nachmittag bis zum abendlichen Abschluss sitze ich in der beheizten Wohnstube bei laufendem Fernseher mit tragischen Filmen und Werbung. Nach dem Abendessen verziehe ich mich in mein Zimmer und schlafe gut. Teile der Familie wurden wahrscheinlich für diese Nacht ausquartiert.

Am nächsten Morgen erhalte ich ein gutes Frühstück. Leider etwas zu früh werde ich unterwegs dann zu einem zweiten Frühstück mit Tee, Oliven, Brot und Honig eingeladen. Der Hunger ist noch nicht da. Trinke nur den Tee.
Über Berge und durch Täler geht es weiter, immer die Schneekuppen am Horizont vor Augen.
Es waren nicht die Berge mit den fast 3000 Höhenmeter, die die letzten vier Tage so anstrengend machten. Die vielen vom Wind gebremsten Stunden im Schneckentempo auf fast ebener Straße ermatteten die Radlerbeine.

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