Mai 302012
 

 43. Reisetag

1872 km

 

Gespannt bin ich, wie es weitergehen wird. Die höchste und auch längste Bergetappe steht bevor, die Rocky Mountains. Es geht nicht nur hinauf, sondern ich fahre auch der Länge nach Richtung Norden darüber.

Die Straße führte mich zunächst durch den schmalen Sinclair Canyon recht steil in die Höhe. Mit reduzierter Steigung war bald danach der erste kleine und für diesen Tag einzige Pass erreicht. Die Anstrengung hielt sich in Grenzen.

Aus dem Gebüsch kam beim Anstieg ein merkwürdiges Wesen. Halb Schaf und von der Schnauze her ein Esel – ein Bighornschaf. Es begleitete mich ein kurzes Wegstück auf der anderen Straßenseite und verschwand wieder im Wald.

Nach dem Pass ging es zügig bergab. Ein breites Tal öffnete sich. Ich war wieder am Kootenay River. Mit der türkisblauen Farbe der Bergflüsse schlängelte er sich durch das Tal. Schnellfließend, mal in verschiedene Arme verzweigend um sich bald wieder im schmalen Flussbett zu vereinigen.

Die Sonne schien, am Horizont und neben mir Schneeberge und Wald. Der Highway war wenig befahren und hatte minimale Steigung. Ein tolles Gefühl hier zu fahren.
Ich machte eine Pause. Ein VW Bus hielt an. Ich hielt einen Plausch mit einem Paar aus der USA, die auch gerne mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Auf einer Wiesenfläche neben der Straße stand ein Schwarzbär. Er hatte das Maul voller Gras. Er schaute kurz auf und graste dann weiter. Ich machte meine Bärenfotos. Hielt mich aber nicht lange auf.

Weiter oben im Tal hatten die Tannen ihr grün verloren. Über große Flächen standen nur noch ihre Gerippe. Ein Blitz hatte hier vor acht Jahren das Feuer entfacht.

Mein Tagesziel war nach 65 km erreicht. Für die Übernachtung quartierte ich mich in ein kleines Blockhaus ein. Nicht ganz günstig. Es gab aber nur diese Unterkunft auf der Strecke. Der Himmel zog sich zu. Es gab einen kräftigen Regenguss.

Am nächsten Morgen hingen die Wolken tief. Als ich losfuhr fing ein leichter Nieselregen an, der sich zu einem Dauerregen wandelte. Da es die nächsten 30 km bis zum Pass bergan ging, war mir bei 5-8 Grad nicht kalt geworden. Der Vermillion Pass mit 1680 m Höhe ist nicht nur die Grenze zwischen British Columbia und Alberta. Er ist die Wasserscheide zwischen Pazifik und Atlantik.

Am frühen Nachmittag kam ich – durch die steile Abfahrt durchfroren – in der kleinen Jugendherberge in Castle Mountains an. War noch der einzige Gast. Unterhielt mich mit dem Herbergsvater. Dann sind wir zusammen spazieren gegangen. Ein Elk (das ist ein großer Hirsch) weidete auf einer Wiese hinter der Jugendherberge.
Es kamen weitere Gäste. Der Abend wurde für mich einsamen Reisenden unterhaltsam und kommunikativ. Ich lernte interessante Menschen kennen.

Am Morgen fiel beim gemeinsamen Frühstücken spontan der Entschluss durch einen nahegelegenen Canyon und weiter das Tal hoch zu wandern. Ganz ans Ziel sind wir nicht gekommen. Eine Bärenmutter mit ihrem Jungen (von uns nicht gesehen) machte den Weg unsicher und wir kehrten um.

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