537. Reisetag
16.556 km
Es ist ein trüber Tag an dem ich Madurai verlasse. Fürs Fahren sehr angenehm, wenn die Sonne nicht so auf den Kopf brennt. Den städtischen Verkehr habe ich schnell hinter mir gelassen. Erstaunlich, ich kann meinen Weg immer wieder auf Nebenstrecken fortsetzten. Fahre durch kleine Orte. Muss aufpassen, dass ich die vielen Ziegen, die sich bevorzugt auf der Straße niederlassen, nicht überfahre. Ab und zu bellt ein Hund mir nach. Es ist merkwürdig, wie die vielen Straßenköter, die ich bisher gesehen habe sich ähneln. Als gäbe es eine fertige Mischung dafür.
Hügel liegen nicht im Wege. Die Dornenlandschaft verschwindet nicht so ganz. Massige Granitblöcke, die in großen Gruben abgebaut werden, stehen am Straßenrand. Leider streikt die Kamera an diesem Tag fast völlig. Bilder gibt es nicht.
Am Nachmittag erreiche ich den geplanten Übernachtungsort. Es gibt wenige Orte mit Schlafmöglichkeiten auf der Strecke. Ich erhalte ein überteuertes Zimmer. Nur ein Eimer und Wasserhahn zum Waschen, kein Becken. Die Verständigung ist schwierig. Es dauert lange, bis ich klar machen kann, dass bei dem für indische Verhältnisse hohen Preis wenigstens ein Handtuch zur Zimmerausstattung gehört. Jemand wird losgeschickt, der erst mit einem Stück rauen Stoff, im zweiten Anlauf aber mit einem neuen Handtuch zurückkommt.
Zum Frühstück gibt es seit langem immer das gleiche: ein Dosa – ein dünner sehr fettiger Pfannkuchen, dazu eine Gemüsesoße und eine Art Kokoschutney. Ich mag den Pfannkuchen kross – so ist er im Urzustand. Der Inder zermanscht alles mit diversen Soßen zu einem Brei. Dazu gibt es (für mich) einen Kaffee, serviert in einer Blechtasse, die ich wegen der Hitze kaum anfassen kann.
Nach dem Frühstück setzt Regen ein. Ich warte fast zwei Stunden und trinke weiteren Kaffee, bis ich im nachlassenden Nieselregen losfahre. Die Landschaft ist trist. Zwischen den Dornenbüschen steht das Wasser. Ich erreiche merkwürdige Orte. In kleinen Dörfern stehen bunte Herrschaftsvillen. Manche am Zerfallen, andere in sehr gepflegten Zustand. Im 19. Jahrhundert haben in der ländlichen Gegend um Chettinadu reiche Unternehmer und Finanziers gelebt. Sie gaben ihr Vermögen für den Bau der palastartigen Häuser aus. Nach dem 2. Weltkrieg brach ihr Handelsnetz zusammen, die verlassenen Villen zerfielen. Erst im 21. Jahrhundert wurden einige der Villen wieder hergerichtet und dienen Touristen als hochpreisige Unterkünfte.
Auch ich finde in einem der kleinen Orte eine für meine Verhältnisse teure Unterkunft, aber nicht in eine der Villen. Das spart mir einen 25 km Umweg in die nächste Stadt.
An diesem und nächsten Tag ist das Lichtfest Diwali, zwei wichtige hinduistische Feiertage. Statt Lichter anzuzünden werden vor allem Knaller in die Luft gejagt.
Bei Sonnenschein starte ich in den nächsten Morgen. Schon bald ziehen dunkle Wolken auf. Habe Glück, finde jedes Mal einen Unterstand bei den einsetzenden kurzen aber kräftigen Regengüssen.
Die Dornenbüsche sind verschwunden. Weite Landstriche sind mit Eukalyptusbäumen aufgeforstet, ab und zu gibt es Cashewnussplantagen. Wenn genügend Wasser vorhanden ist wird Reis angebaut. Vor einem erneut einsetzenden heftigen Regenschauer erreiche ich die Stadt Tanjore. Andrea wird kurze Zeit später dort auftauchen. Die Zimmerauswahl ist nicht ganz einfach. Mal lässt sich die Klimaanlage nicht regulieren, mal zeigt das Fenster direkt auf eine Wand. Das dritte ohne Klimaanlage ist ok. Erst in der Nacht stellen wir fest, wie das permanente Hupen auf der Straße einen den Schlaf rauben kann.
Schnappschüsse lässt meine Kamera zur Zeit nicht zu. Sie startet nur sporadisch.
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