231. Reisetag
8479 km
Nach einem Sandwichfrühstück mit viel Tee kann ich mich fast hinunter zur Ägäis rollen lassen. Entlang der Straße sind wieder viele Olivenbaumplantagen. Die Erntezeit für die Oliven ist eigentlich von November bis Januar. Trotz der unzähligen Bäume an denen ich vorbeigefahren bin sehe ich zum ersten Mal Frauen bei der Olivenernte.
An der ruhigen Ägäis liegen einige Fischerboote am Kai. Mir wird von der Mannschaft Tee angeboten und etwas zu Essen. Sie sind morgens vom Fang in der Nacht zurückgekommen.
Ich fahre weiter entlang der hügeligen Küste.
Ich komme an den Ruinen der Stadt Alexandria Troas vorbei. Nach dem Tode Alexander des Großen hat sein General 310 v. Chr. die Stadt mit dem Namen Antigoneia gegründet. Sein Nachfolger hat sie zu Ehren Alexanders des Großen in Alexandreia Troas neu benannt.
Alles ist eingezäunt und verschlossen. Ich klettere über den Zaun. Wenig ist bisher ausgegraben. Eine alte Straße ist zu sehen, einige Säulen liegen herum, Steinblöcke weisen ein schönes Relief auf und ich erkenne Grundmauern und einen Gang. 100 Meter weiter auf meinem Weg ragen Bögen einer großen Therme aus der Buschlandschaft heraus. Ab und zu steht in einem Feld eine weitere Ruine.
Die Landschaft ist sehr schön, der Himmel blau. Hügel, Olivenplantagen und Felder wechseln sich ab. Immer wieder sehe ich das Meer. Schäfer treiben ihre Herden durch die Lande. In den kleinen Orten trinke ich einen Tee.
Ich widerrufe was ich im letzten Blog über die nicht grüßenden Frauen geschrieben habe. An diesem Tag erlebe ich es anders.
Im Ort Kösedere ist Markttag. Aus dem Lautsprecher der Moschee ertönt ein Gebet. Sehr viele Frauen hören sitzend mit offenen Händen (so als hielten sie einen großen Ball in der Hand) zu. Nach dem das Gebet wird Essen an alle verteilt. Ich erhalte ebenfalls ein Plastikteller voll Reis mit Spuren eines Huhnes und einer weißen Joghurtcreme. Den Grund dafür erfahre ich vom englischsprechenden Spender dieses Mahles. Es ist der einjährige Todestag seines Vaters.
Mittlerweile ist es bereits nachmittags, habe viel gehalten und geschaut. Muss mich ein wenig sputen damit ich noch bei Helligkeit im Ort Behramkale/Assos ankomme. Vorher gibt es keine Unterkünfte und der anstrengende bergige Teil liegt noch vor mir.
Mir ist heiß geworden, äußerlich durch die Sonne, innerlich durch die Berge. Seit langem fahre ich wieder im T-Shirt.
Nachdem ich die nächste Hügelkette hinter mir gelassen habe und fast wieder auf Meereshöhe bin dampft es aus der Erde. Einer braune Wasserlache hat sich gebildet.
In einem weiteren Ort ist wieder Markttag. Ich halte mich diesmal nicht lange auf. In der Ortschaft Gülpinar geht es dann in die Höhe. Erst einmal 100 Meter sehr steil auf einer grob gepflasterten Straße, dann zwar auf Teerstraße aber nicht kontinuierlich auf fast 400 m Höhe. Olivenbäume sind verschwunden. Gras und Dornenbüsche bedecken die Hügellandschaft. Schaf- und Ziegenherden ziehen umher. In den Senken und an den Hängen gibt es immer wieder kleine Orte. Wovon die Menschen hier wohl leben?
Die Steine im Gelände werfen durch die tiefstehende Sonne bereits lange Schatten. Kurz vor Sonnenuntergang bin ich am Ziel. Muss mein Fahrrad noch auf einer Holperstraße den Berg hochschieben. Behramkale/Assos erstreckt sich um die Ruinen des antiken Athena-Tempels. Nach 1000 meist steilen Höhenmetern bin ich ein wenig abgeschlafft. Nehme die erstbeste Unterkunft. Das Zimmer ist kalt, erhalte aber ein elektrisches Heizöfchen und verbringe die Nacht ohne zu frieren.
Meinen Morgentee nehme ich nicht weit von meiner Pension ein. Danach geht es den Berg hoch. Gesäumt ist der Weg von Andenkenbuden. Die meisten sind geschlossen.
Oben auf dem Berg stehe ich erst einmal und staune, um mich eine beeindruckende Ruinenlandschaft. Blicke durch eine Dunstschicht auf Lesbos, sehe weit in die Landschaft und aufs Meer. Es ist Sonntagmorgen. Ich bin ganz alleine, da nehme ich gerne die Kühle in Kauf. Ein wunderschönes Gefühl. Ich fühle mich frei und zufrieden.
Der Athena-Tempel bzw. das was noch zu sehen ist, beeindruckt mich. Die Säulen ragen in den blauen Himmel. Ich versuche mir vorzustellen wie es von 2600 Jahren hier ausgesehen hatte.
Aristoteles soll einige Zeit in dieser Stadt gewohnt und eine Schule für Philosophie geführt haben.
In einer Ruinenecke entdecke ich eine Ziege mit Zieglein. Sie liegen friedlich in der sonnigen Ecke.
Unten am Berghang setzt sich die Ruinenlandschaft fort. Eine alte Steinplattenstraße führt durch eine Necropololis vor der mächtigen Stadtmauer. Viele Steinsärge, die wie Kästen mit einem Deckel aussehen stehen am Rande. Die schön verzierten Sarkophage sind wohl für die „besseren“ Toten gedacht. Ein altes großes Amphitheater öffnet sich zum Wasser hin.
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