In Tulcea übernachte ich bei Lili und Livio. Trotz enger Wohnverhältnisse in ihrem Zweizimmerhaus hat Livio mich eingeladen. Ich schätze die Gastfreundschaft sehr. Am Abend treffen sich bei ihnen vor dem Haus unregelmäßig und nicht extra eingeladen die männlichen Nachbarn zu einer geselligen Runde. Sie kommen einfach vorbei, bringen Wein mit und setzten sich dazu. Es wird für mich ein interessanter Abend. Ich erfahre wieder etwas mehr über das Land.
Der Beitritt zur EU wird nicht positiv beurteilt. Die Partner sind zu unterschiedlich. Das arme Rumänien hat mit seiner Wirtschaft keine Chance. Die marktbeherrschenden Konzerne der EU haben einen neuen Absatzmarkt bekommen. Es wurden/werden zwar Produktionsstätten in Rumänien geschaffen. Das Karussell dreht sich aber schnell weiter.
Z.B. die Handy-Produktion von Nokia. Diese wechselte von Bochum nach Rumänien. Aber bereits nach drei Jahren wird auch dort das Werk geschlossen. Wieder verlieren über 2000 Arbeiter ihren Arbeitsplatz.
Natürlich möchten sie auch von mir vieles wissen. Weshalb fahre ich alleine, was sagt meine Frau dazu, wie hoch ist meine Rente, was hatte ich verdient und vieles mehr.
Nicht allzu spät löst sich die Gesellschaft auf.
Am nächsten Tag ziehe ich in ein Hotel um. Die Einschränkungen für meine Gastgeber sind sehr groß und dann fühle ich mich nicht wohl.
Als ich mein Fahrrad aus dem Hinterhof hole, falle ich durch eine Unaufmerksamkeit eine Treppe hinunter. Bekomme viele blaue Flecke und einen Schnitt in den Finger. Bin aber noch gut beweglich. Die meisten Unfälle passieren halt am Haus/im Haushalt.
Ich schaue mich in der Stadt um, streife entlang der Hafenpromenade. Dort liegen viele Schiffe zur Erkundung des Donaudeltas am Kai.
Tulcea ist eine alte Stadt. Bereits im 8. Jahrhundert wurde sie als griechische Siedlung gegründet und ist immer eine bedeutende Hafenstadt geblieben. Das Alter sieht man nicht, nur Relikte im Museum. Keine alten Gebäude, hässliche alte und neue Industrieanlagen in der Peripherie, Plattenbauten und neu angelegte Plätze im Zentrum.
Am Abend bin ich bei Livio zum Fischessen eingeladen. Die Nachbarschaftsrunde kommt wieder zusammen. Die Donaufische werden gegrillt und dann mit Gewürzen und Tomatensoße gekocht, eine rumänische Spezialität. Schmeckt zusammen mit Brot vorzüglich.
Im Hotelzimmer ist wieder die Heizung nicht auszustellen. Meine Beschwerde darüber wird mit dem Hinweis begegnet, machen sie doch die Klimaanlage an. Es wiederstrebt mir sehr, aber ich befolge den Rat. Das Fenster kann ich wegen dem Straßenlärm nachts nicht auflassen.
Tulcea ist der Ausgangspunkt für die Fahrten in das riesige Biosphärenreservat des Donau-Deltas. Bei Tulcea teilt sich die Donau in drei Arme: den Chilia-Arm, er bildet die Grenze zur Ukraine. Der Sulima-Arm, der auch für Hochseeschiffe befahrbar ist und den St.-Georgs-Arm, welcher sich in vielen Windungen zum Schwarzen Meer hin schlängelt. Dazwischen gibt es unzählige Kanäle und Seen.
Ich hole Erkundungen für meine Weiterfahrt mit dem Schiff ein. In der Stadt gibt es ein Informationszentrum, in dem ich ausgezeichnetes kostenloses Kartenmaterial erhalte. Mein Erstaunen darüber wird mit Hinweis auf die EU beantwortet. Diese zahlt dafür.
Mit dem Linienschiff werde ich am Freitag mit Rad und Gepäck nach Sulima, einem kleinen Ort am Schwarzen Meer fahren.
Sorry, the comment form is closed at this time.