6255 km
Die Nacht war regnerisch und stürmisch, der Morgen kühl aber trocken. Ziehe zum Losfahren Pullover und Anorak über, dazu noch die Handschuhe.
An der Straße liegt ein großes Feld mit Solarmodulen, daneben sichelt ein Bauer mit einer Sense Gras. Solarmodulfelder hatte ich schon häufiger gesehen. Aus der Ferne glitzern die Anlagen manchmal wie ein See. In Sighisoara im Hotel trafen wir einen Schweizer, der den Aufbau neuer Solarfelder betreut. Nach seinen Angaben sind es chinesische Investoren, die hier ihr Geld anlegen.
Der Verkehr nimmt deutlich zu als wir uns über hügeliger Straße Sibiu nähern. Ein heftiger Wind bläst uns entgegen. Wir müssen aufpassen, dass die Böen uns nicht von der Straße fegen. Neben der Straße verlaufen oft Gasleitungen, an die viele Häuser angeschlossen sind. Als wir an einer Gasverteilerstation vorbei kommen, liegt ein deutlicher Gasgeruch in der Luft. Das könnte gefährlich werden, zumal in Rumänien viel geraucht wird.
In Sibiu übernachten wir wieder im Casa Luxemburg, in dem wir Teile unseres Gepäcks zurückgelassen hatten. Helmut bringt sein Leihrad zurück. Ich überhole am nächsten Tag mein Fahrrad und installiere einen neuen Fahrradständer, da das Rad auf dem alten zunehmend schräg stand. Jedoch war der Ständer gar nicht ausgeleiert, der Gummi war nur abgenutzt.
Mit einem Taxi fahren wir in ein etwas außerhalb liegendes Museumsdorf. Alte Häuser, Mühlen, Maschinen und Handwerksgegenstände zeigen das Leben in vergangenen Zeiten auf. Da die Gebäude mit wenigen Ausnahmen verschlossen sind, ist der Besuch nicht sehr beeindruckend.
Zurück in der Stadt gehen wir einkaufen. Ich stelle fest, mein Mohnstrudel kommt aus Österreich, der Fruchtjoghurt aus Deutschland, die Weintrauben aus Italien. Die EU hat handelsmäßig das Land bereits im Griff. Die Infrastrukturhilfen für den Straßenbau machen sich bezahlt. Beim nächsten Einkauf werde ich genauer hinschauen.
Am Abend findet auf einer großen Bühne nicht weit von unserem Hotel ein Musik-Awards vom rumänischen Fernsehen statt. Die am meisten abgespielten rumänischen Musikstücke werden ausgezeichnet. Es ist ein sehr lautes Spektakel, von dem wir zwangsläufig etwas mitbekommen.
In den folgenden Tagen planen wir Wanderungen in dem südlich von Sibiu gelegenen Vorgebirge der Karpaten. Helmut fährt die 15 km mit dem Taxi, ich radle. Von dort aus werde ich in der nächsten Woche meine Tour alleine fortsetzten. Wir übernachten in einem Gästehaus der evangelischen Kirche mit Vollpension. Vom Fenster aus kann ich wunderbar ins Tal schauen.
Der Ort ist benannt nach einem kreisrunden Kegelberg, dem Michelsberg/Cisnadioara, auf dem sich eine der ältesten Kirchenburgen Siebenbürgens befindet. Der Innenraum der Kirche ist schlicht und leer. Im Chorraum befinden sich 180 Gedenktafeln von Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg. Fast alle sind in der Zeit vom 12. bis 26. Sept. 1916 gefallen.
Rumänien war in diesem Krieg anfangs neutral. Als die rumänische Führung feststellte, dass die österreich-ungarische- und die deutsche Armee schwächelte, schlossen sie sich im August 1916 den Alliierten an. Die Gefallenen auf den Gedenktafeln waren Siebenbürger Sachsen und hatten (nach Wikipedia-Recherche) gegen die Rumänen gekämpft.
Das Wetter am nächsten Tag ist gemischt, Sonnenschein und Regen wechseln sich ab. Wir machen eine kleine Wanderung in die umliegenden Berge. Von oben haben wir eine weite Sicht ins Tal.Unterwegs treffen wir auf Hagebuttenpflücker, es sind arme Menschen, die uns anbetteln; fussballspielende Kinder, die gerne einen Bonbon hätten und einen Schäfer, dessen Habe ein Esel trägt. Der einsetzende Regen beschleunigt unsere Rückkehr.
Als wir uns Michelsberg nähern, sehen wir am Hang viele neue Villen. Offenbar lassen sich im Umfeld von Sibiu gerne reiche Rumänien nieder.
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