191. Reisetag
3659 km
Von der großen Insel oder richtiger Kontinent zur kleinen Insel Tasmanien. Zehn Stunden benötigt die Fähre von Melbourne nach Devonport an der Nordküste Tasmaniens. Bei der Ankunft ist es bereits dunkel, unter Laternenlicht baue ich auf einem nahegelegenen Campingplatz mein kleines Zelt auf. Die Nacht ist frisch, der Morgen taunass. Zum Glück gibt es die trockene Campingplatzküche zum Frühstücken.
Auf der Straße spüre ich deutlich die untrainierten Beinmuskeln nach fast sechswöchiger Tretpause. Der erste Tag ist ermüdend, es gibt nur Berg und Tal und die Steigungen sind bissig. Der Verkehr ist trotz Osterfeiertage mäßig und die (meisten) Aussies fahren rücksichtsvoller als die Kiwis. Der Straßenrand ist schauerlich, viele tote Tiere in sämtlichen Stadien. Lebend sehe ich an diesem Tag nur eine Schlange, die sich vor mir über die Straße windet – zum Glück bei langsamer Bergfahrt. Bei einer schnellen Abfahrt hätte ich sie eventuell zu spät sehen können. Ein haltender Autofahrer identifiziert sie als höchst giftig.
Die Tagesetappen plane ich (meist) im Voraus mit Hilfe der digitalen Karte, die Übernachtungsmöglichkeit mit der Camping-App. Die realen Bedingungen – z.B. die Steilheit einer Steigung – bleiben oft unklar.
So muss ich am ersten Tag mein Rad auf einer Schotterstraße anstrengende 200 Höhenmeter hinaufschieben, die Übernachtung erfolgt auf einem üseligen Sportplatz. Die folgende Nacht dagegen campiere ich wunderschön unter großen Eukalyptusbäumen. Toiletten sind auf den kostenfreien Plätzen vorhanden, Trinkwasser nicht immer und eine Münzdusche bedeutet ein Glückstreffer. Wenn auf der Strecke liegend bevorzuge ich die gut ausgestatteten kostenpflichtigen Plätze.
Die frühe Dunkelheit zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags/abends macht mir zu schaffen. Bis dahin muss ich das Zelt aufgebaut und mir das Essen gerichtet haben. Mangels Ort in der Nähe verkrieche ich mich für gut 12 Stunden in meine kleine Höhle. Das ist kein Problem, ich döse und schlafe gerne und kalt ist es im Schafsack nicht. Nur der taunasse frische Morgen ist ungemütlich, wenn ich keinen trockenen Platz zum Sitzen finde.
Mein Umfeld ist hügeliges Farmland und Gumtree-Wälder. Der Gumtree oder Eukalyptusbaum ist eine Gattung der Blaugummibäumen und in Australien der dominierende Baum. Seine Robustheit (kein Schädling mag ihn), schnellem Wachstum und hohem Wasserverbrauchs gibt anderen Arten kaum eine Chance.
Eine wohltuende Abwechslung zum Straßenallerlei erlebe ich auf einem Railtrail. Über 26 Kilometer schlängelt sich ein feingeschotterter Weg nur mit angenehmer Eisenbahnsteigung 300 Meter in die Höhe. Ein Fahrgenuss mich fern der Straße durch Gumtree-Bergwälder zu bewegen. Keine toten Tiere am Wegesrand. Ich sehe das erste lebende Wallaby (kleines Känguru) an einem Teich. Oben an der Passhöhe endet leider der Trail. Das übliche Bergauf und -ab hat mich wieder.
Seitenwege haben auch manchmal ihre Tücken. Ich wähle einen Pfad entlang eines Flusses anstatt die längere Hauptstraße über den Berg. Anfangs gut befahrbar, später jedoch in einen rauen Trail übergehend. Zum Umkehren bin ich schon zu weit. Ich hoffe, dass kein Hangrutsch oder Bach die Weiterfahrt bzw. mein Schieben blockiert. Etwas Abenteuergefühl kommt auf. Ich komme durch, benötige für die 10 Kilometer aber 1,5 h.
Nach 260 Kilometern und fast vier Höhenkilometern erreiche ich den kleinen Ort St. Helens an der Ostküste mit gut ausgestattetem Campingplatz, Supermarkt und Pizzeria. Der erste Abschnitt ist geschafft.
In der Nacht kratzt es im Hals, bei mir die typischen Anzeichen für einen aufziehenden Schnupfen. War es die Anstrengung, die Kühle am Morgen, ich weiß es nicht. Von der Luftmatratze wechsele ich zu einem Hotelbett mit gemütlicherer Umgebung und kuriere mich zwei Tage aus.
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