Wohin als nächstes?

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Jun 292017
 

260. Reisetag

6032 km 

 

 

Der Murray liegt hinter mir, der Zug ab Adelaide Richtung Norden fährt erst am 30. Juli.

Zunächst fahre ich entlang der Küste auf bestem Radweg in die Stadt Victor Harbor. Meist durch Dünenlandschaften, oft mit Blick auf das tosendes Meer. Für Surfer ist es wegen der hohen Wellen ein beliebter Küstenabschnitt. Ich sehe die in Neopren gehüllten Gestalten in der Ferne auf ihren Brettern liegen. Selten schafft einer den Ritt.

Victor Harbor ist ein in die Jahre gekommener Ausflugsort mit vorgelagerter Insel aus Granitgestein. Ein langer Damm verbindet diese mit dem Festland, auf dem Pferde einen nostalgischen Eisenbahnwagen auf Schienen mit geh faulen Touristen ziehen.

Eine Unterkunft finde ich im alten Anchorage Hotel direkt an der Küste, erstaunlich günstig und gut. Spontan buche ich weitere zwei Nächte zumal Regen angesagt ist. Am nächsten Tag erfolgt als erstes der längst fällige Friseurbesuch. Danach zieht es ein wenig um den Kopf.

Endlich habe ich wieder eine Online-Verbindung um den Blog zu plazieren und Informationen für die Weiterfahrt einzuholen. Im Zwischenmonat bis zur Zugabfahrt möchte ich ins Outback eindringen, in die Flinders Range, ein abseits gelegener Gebirgszug. Und es gibt sogar einen Trail für Mountainbiker von Adelaide aus dorthin, 900 Kilometer lang. Bin gespannt, wie ich diesen mit meinem Tourenrad und dem Gepäck meistere. Den Trail werde ich in umgekehrter Richtung fahren, da der Endabschnitt besonders interessant ist und aus Zeitgründen wohl ein wenig abkürzen.

Zunächst radele ich ins 80 Kilometer entfernte Adelaide. Bleibe einen Tag um notwenige Besorgungen für unterwegs zu machen. Am folgenden Tag in der Frühe besteige ich mit nur zwei weiteren Passagieren den einmal wöchentlich fahrenden Bus in die Flinders Range. Die Personenbeförderung ist bei dieser Fahrt eine gewünschte Nebeneinnahme. Die Auslieferung von Milch ist die Hauptaufgabe, entsprechend oft wird an den Läden auf der Strecke gehalten.
Andere öffentliche Transportmöglichkeiten in das abseits gelegene Gebiet gibt es nicht.

Küstennah geht die Busfahrt entlang riesiger Weizenfelder und Weingüter. Je weiter wir ins nördliche Binnenland vordringen desto arider wird die Landschaft. In den weiten trockenen Tälern weiden Schafe. Ab und zu überqueren Emus die Straße und Kängurus hüpfen erschreckt davon. Gesäumt sind die Täler von ockerfarbenen Gebirgszügen.
Ich erhalte einen Eindruck, was mich in den nächsten Tagen erwarten wird. Einsame Landschaften mit tollen Bergblicken. Ich freue mich darauf.

Nach 10 Stunden Fahrt und 450 Kilometer Wegstrecke ist meine Fahrt zu Ende. Ich verlasse den Bus in Parachilna, einem Ort bestehend aus einem Hotel und zwei Häusern. Es gibt einen etwas trostlosen Campingplatz mit einigen Cabins. Ich wähle die Backpacker-Variante mit Bett und E-Heizung, Dusche und WC als Gemeinschaftseinrichtung. Erstaunt bin ich über die Anzahl der Wohnwagen an diesem Platz, an dem eigentlich nichts ist. Viele australische Touristen sind unterwegs. Mir scheint, einige davon ziehen entsprechend der Jahreszeit – wie die Zugvögel – mit ihrem mobilen Heim durchs Land.

Es dunkelt bereits, kochen muss ich zum Glück nicht. Im Hotel erhalte ich am Abend ein unerwartet gutes Fischessen, dazu ein Bier. Früh ziehe mich in meine Cabin zurück.

Internet gibt es im Outback nicht, deshalb verspätete Blogs.

Ende einer Flussfahrt.

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Jun 232017
 

254. Reisetag

5906 km

 

Nahe, jedoch wenig sichtbar, begleite ich den Murray auf seinen letzten Kilometern. Überquere ihn noch einmal auf einer Brücke, die einfallsreich der Stadt dahinter „Murray Bridge“ ihren Namen gab. Im Zentrum dort stehen gesichtslose Geschäftsbauten, drumherum Wohnsiedlungen – null Atmosphäre. Das Indische Restaurant geschlossen und auch noch schlecht geschlafen, nichts wie weiter am nächsten Morgen.

Die Hügel habe ich am Vortag hinter mir gelassen. Ich durchfahre grüne Wiesenlandschaften, immer wieder unterbrochen durch große Weinplantagen. Reben scheinen hier überall günstige Bedingungen zu haben und die Mengen an produzierten Wein lassen sich wohl auch vermarkten. Gegen diese Anlage wirken die rheinischen Weinberge wie Schrebergärten.

Auf der Straße vor mir werden Schafe in einen Pferch getrieben. Ich halte und schaue in den Schuppen daneben, aus dem ein sirrendes Geräusch kommt – Schafschur. Freundlich werde ich empfangen, nach dem woher und -hin gefragt, erfahre wer und wo bereits in Deutschland war. Mich interessiert vor allem die Schur. Es sind Merino-Schafe, die ihre Wolle lassen und der Farmer erhält ca. 11 Dollar/kg. (In Neuseeland für die normale Wolle gab es nur 6 Dollar.) Die Wolle geht nach China. Anders als in Neuseeland stabilisieren die Scherer sich beim Bücken mit einem flexiblen an der Decke befestigten Bauchgurt. Die Farm bewirtschaftet neben 3000 Schafen, ein paar hundert Rindern auch diverse Weinfelder.

Der Murray als Fluss endet irgendwo im Wiesenland. Er mündet in den Lake Alexandrina. An dessen Ufer verbringe ich die nächste Nacht in einer Cabin auf dem Campingplatz. Nur 30 Kilometer weiter am nächsten Tag erreiche ich in Goolwa den Indischen Ozean.
Etwas abseits des Ortes quartiere ich mich auf einer kleinen Farm für die nächsten vier Nächte in einen ausgebauten Bus ein. Dank der App WikiCamps finde ich solche Unterkünfte.
Die Murray-Erkundung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Der Küstenort Goolwa liegt ebenfalls am Ufer des Lake Alexandrinas. Zwischen zwei langen Dünenzungen hat dieser eine schmale Verbindung zum Meer – „The Murray-Mouth“. Lange Flutwehre zwischen Land und Seeinseln verhindern das Eindringen von Salzwasser in den Lake Alexandrina. Weite Teile des vogelreichen Gebiets von See und Dünenlandschaft bilden den Coorong-Nationalpark. Mit einem Ausflugsboot erkundige ich diesen. An den Wehren – der Übergang vom Süß- zum Salzwasser (mit Schleuse für unser Boot) gibt es reichlich Nahrung für die Wasservögel, in Scharen sitzen sie auf den Stegen – vor allem Pelikane. Beim Fischen schnappen sie mit offenem Schnabel ins Wasser. Der Hautlappen unterhalb des Schnabels bläht sich auf – mit Wasser und wohl auch Fisch. Nach einiger Zeit ziehen sie den Schnabel in die Höhe, das Wasser ist raus und mit einem Kopfschütteln schlucken sie den Fang hinunter. Erfolgt das Fischen in Gruppen, dann tauchen sie die Schnäbel gleichzeitig ins Wasser. Das ist wohl effektiver.

Im Salzwasser hinter der Schleuse tummeln sich zahlreiche Seehunde. Die alten schlafen auf dem Wehrgestänge, die jungen spielen. Die Rückenlage scheint die bequemste zu sein. Flosse und Kopf strecken sie nach oben.

Wir schippern weiter entlang des Dünengürtels, sehen durch den „Murray Mouth“ das offene Meer, wandern durch die Dünenlandschaft und fahren zurück. Das ist wirklich der Abschied vom Murray.

Ziellos und zufrieden.

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Jun 172017
 

248. Reisetag

5815 km

 

 

Alles ist stimmig. Ich radele auf einem Plateau mit wenigen Hügeln. Es weht kein Wind. Die Dirt-Road ist im besten Zustand und verkehrsfrei. Ich rolle dahin, anstrengungslos. Da wandern natürlich die Gedanken. Unterwegs-sein ist etwas Besonderes – ich fühle mich frei. Ob es mich weiter in meiner „Weisheit“ bringt, glaube ich nicht. Es beschäftigt mich eher auf eine Art, die ich mag. In Bewegung bleiben, Unbekanntes sehen, ein wenig Abenteuer erleben und viel Natur um mich herum. Ziele gibt es eigentlich nicht – es sind Übernachtungsorte. Ich bleibe einen Tag, einfach so – um nichts zu machen, den Blog ins Internet zu stellen, seltener weil der Ort interessant ist. Ich mag es bequem (wenn möglich), anstatt Zelt ein Bett in einer Cabin oder Motel, aber nicht um jeden Preis. Genieße auch einen kalten Morgen nach frostiger Nacht am Fluss mit aufsteigendem Nebel.

An diesem Tag zieht eine monotone aber nicht langweilige Landschaft an mir vorbei – trockenes Grasland mit niedrigen Sträuchern. Früher standen hier Gumtree-Wälder, wie die kundige Dame im Morgan-Museum mir erklärte. Deren Holz hat die Dampf-Eisenbahn und -Schifffahrt vor mehr als 100 Jahren am Laufen gehalten. Jetzt weiden hier Schafe auf kargen Weiden. Unterbrochen wird die trockene Ebene durch Weinplantagen – der nahe Murray (und wohl auch die Chemie) machen es möglich. Ich wunderte mich bereits, wie der Fluss es schafft beidseits seiner Ufer einen mehr als 1000 Kilometer langen Landstrich mit intensiver Agrarwirtschaft mit Wasser zu versorgen. Schon vor 100 Jahren begann man ihn mit diversen Wehren und Stauseen zu nutzen. Nur 15 Prozent seiner Wassermenge erreichen das Meer.

Um im Fluss zu bleiben, wenn auch langsam, grub der Murray sich ein Bett ins erhöhte Umfeld. Ockerfarbene Kalkriffe entstanden an seinen Ufern. In weiten Tälern breitete er sich aus, es bildeten sich Lagunen.

Nach 40 Kilometern Fahrt, im Minidorf Blanchetown, halte ich im kleinen Versorgungsladen – Post, Zeitung, Minimarkt – um einen Kaffee zu trinken. Dabei komme ich mit den anwesenden Frauen des Dorfes ins Gespräch. Eine bietet mir an, in einem Wohnwagen neben ihrem Haus zu übernachten. Ich habe es nicht eilig und freue mich über ihr Angebot. Wie sich herausstellt, hat sie den Wohnwagen erst kürzlich gebraucht gekauft. Zusammen reinigen wir diesen erst einmal gründlich. Strom erhalte ich aus der Garage, Trinkwasser in einer Kanne, gegen den kalten Abend hilft ein Heizlüfter, die Toilette nutze ich im Haus. Ein freundliches selbstloses Angebot.
Das Abendessen nehme ich im kleinen Ortshotel ein. Hotel bedeutet in Australien nicht unbedingt Übernachtung, sondern Bar nebst Bottleshop, Spiel-/Wettstätte und Essen ab 6 pm. Vegetarisch gibt es nur eine Pizza Margarita, viel Teig, wenig Käse und geschmacklos – einfach schlecht. Mit einem Bier spüle ich sie hinunter.

Entgegen dem Wetterbericht fängt es nachts an zu regnen und er hält den nächsten Tag an. Die Dirt-Road bleibt trotz Nässe gut befahrbar, die wärmenden Sonnenstrahlen fehlen aber. Meine Goretex-Schuhe sind leicht und wasserdicht, das Klima darin aber wie in einem Gummischuh. Ich bekomme feuchte kalte Füße und die Kälte kriecht so langsam nach oben. Hinzu kommt die Feuchtigkeit von außen. Zum Glück ist der nächste Ort nur 25 Kilometer entfernt und es gibt ein Hotel mit Übernachtungsmöglichkeit.

Der frühe Stopp lohnte sich. Am folgenden Tag scheint die Sonne und es ist warm. Am frühen Nachmittag erreiche ich Mannum, eine größere Stadt mit Supermarkt und Unterkunftsmöglichkeiten. Bei letzteren bin ich ein wenig zu sparsam. Das Zimmer sieh gut aus, das desolate Gemeinschaftsbad entdecke ich erst später.

Ein langer ruhiger Fluss.

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Jun 142017
 

245. Reisetag

5548 km

 

Weniger als 20 Höhenmeter Gefälle trennen ihn vom Meeresspiegel und gut 500 Kilometer liegen noch vor ihm. Träge geworden ist der Murray. Er wirkt wie ein langer ruhiger See.

Auch ich bewege mich nur langsam voran, lasse das kommende lange Juniwochenende an mir vorüber ziehen.
Am Montag wird der Geburtstag der Queen gefeiert. Nicht dass sie an diesem Tag Geburtstag hätte, der ist am 12. April. Aprilwetter ist in England nicht das Beste, ein volksfreundlicher Feiertag sollte es aber sein. Deshalb kreierte man den „Offiziellen“ Geburtstag der Queen an einem Montag im Juni und dieser wird im ehemaligen Commonwealth gefeiert.
Kurz davor und danach (dem langen Wochenende) ist der Aussie mit seinem Wohnwagen unterwegs, Campingplätze überfüllt und der Verkehr entsprechend. Diesen Umtrieb vermeide ich auf einem erstaunlich ruhigen Platz am Murray-Ufer in einer kleinen Cabin. Im nahen Ort gibt es Einkaufsmöglichkeiten und mein Abendessen nehme ich im Country-Club, eine Art Allroundvergnügungsstätte, ein. In diesem wird gegessen, getrunken, an Automaten gespielt und auf Pferde-/Hunderennen oder sonstiges gewettet. Und da in letzteren Gefahren lauern liegen vorsorglich Flugblätter gegen Spielsucht aus.

Nach drei Tagen entspanntem Nichtstun werde ich unruhig und breche trotz Feiertag auf. Ich denke, irgendwo am Fluss suche ich mir einen ruhigen Übernachtungsplatz. Finde ich aber nichts Passendes und lande im nächsten Ort wiederum auf einem Campingplatz. Diesmal schlafe ich im Zelt, die Cabins sind ausgebucht.

Auf diesem Platz und anderen Orten im Umfeld findet an dem langen Wochenende das jährliche Country-Musik-Festival statt. Kleinstgruppen und Einzelpersonen treten auf und spielen ihre besten drei Stücke. Dann ist der nächste dran. Es ist ein Festival der Älteren, junge Musiker sehe ich kaum, auch nicht unter den Zuschauern.

Im benachbarten Open-Air-Museum findet eine schwerwiegendere Show statt. Tonnenschwere alte Traktoren sind unter Dampf aktive und demonstrieren ihren damaligen Einsatz mit Winde und Kran.
Eine kleine Dampflok fährt Zuschauer übers Gelände – auch mich. Hinterher sehe ich etwas gesprenkelt aus. Aus dem Schornstein kam mit dem Wasserdampf ein feines Öl-/Rußgemisch. Mich kann ich abwaschen, ob die Jacke zu säubern ist werde ich sehen.
Auf dem Museumsgelände steht eine alte Pumpstation, die zwischen 1920 und 1960 Murray-Wasser in einen Kanal pumpte, nicht mittels Kolben, sondern mit Gasdruck wurde das Wasser gehoben – eine „Humphrey-Pump“. Sehr interessant und zu kompliziert zu erklären.
Gegen diese mächtigen Maschinen wirkt die gezeigte Schafsschur mit alten motorgetriebenen Schermessern wie ein technisches Kinderspiel. Ein interessanter Tag.

Der Abend klingt für mich nochmals mit Country-Musik in einem Festzelt aus. Damit verzögere ich das frühe ins Zelt verkriechen. Trotz frostiger Nacht schlafe ich gut bis zum morgendlichen Vogelkonzert. Manche klingen sehr melodisch, nur die Papageien sind einfach nur laut.

Am nächsten Morgen bin ich wieder in der typischen zweigeteilten Landschaft unterwegs. Plantagen und Felder auf der einen Seite, in Flussnähe oder geschützten Gebieten karges Buschland mit verholzten niedrigen Eukalyptusbäumen, dem Mallee, wie es hier genannt wird.

An einem See in Straßennähe sitzen auf einem abgestorbenen Baumstamm Pelikane. Fotogen spiegeln sie sich im Wasser.

Der erste Plattfuß auf dieser Reise stoppt mich am Nachmittag. Mit einmal Nachpumpen schaffe ich es so gerade zu einem schönen Platz am See. Baue dort das Zelt auf und flicke den Reifen.

In der Nacht höre ich oft plätschernde Geräusche und bin froh, dass es im Süden Australiens keine Krokodile gibt. Wahrscheinlich ist es ihnen im Winter einfach zu kalt.

Mal auf geteerten Straße, mal auf Dirt-Road, aber nie auf dem verkehrsreichen Highway, geht es am nächsten Tag weiter. Die Nacht verbringe ich nochmals im Zelt. Erst im nächsten Ort Morgan genieße ich wieder den Komfort einer Cabin und bleibe auch gleich einen weiteren Tag.