4543 km
Ein kalter nebeliger Morgen. Mein spartanisches Zimmer hat keine Heizung. Warm angezogen begebe ich mich in den Essraum zu dem am Vorabend hingestellten Continental-Breakfast. Zwei Weißbrotscheiben zum Toasten, Butter- und Marmeladeportionspäckchen sowie eine Minipackung Cornflakes, Milch und Instantkaffee. Am Abend sah ich wie der Gasheizstrahler angestellt wurde, entsprechend ziehe ich an den Schnüren. Es wird warm. Mit Avocado und Käse rüste ich das Frühstück auf. Es schmeckt – für mich ein fast normaler Morgen.
Etwas später, auf der Straße, ist es wieder fröstelig – bis die Sonne durchbricht. Ein schöner Tag beginnt. Auf mäßig ondulierender Straße mit erstaunlich wenig Verkehr radele ich am Hang entlang. Oft mit freiem Blick ins Murray-Tal mit seinen Wiesen und herbstlich gefärbten Bäumen. Nur dem immergrünen Gum-Tree scheint die Jahreszeit nichts anzuhaben.
Zwei Tage bewege ich mich nahe am Fluss. Erreiche den Hume-See an seinem anderen Arm und überquere die hohe Staumauer.
Das Flusstal wird breit, der Murray windet sich träge hindurch. Die Straßen müssen sich nicht mehr den Bergen anpassen, gerade durchziehen sie das platte Land. Wird es vorübergehend hügelig wechseln Weizen und Wiesen zu Wein und Oliven. Das Radfahren in der landwirtschaftlich genutzten Ebene ist ein wenig langweilig. Den Murray sehe ich selten. Er ist umgeben von Gum-Tree-Wäldern und kleinen Naturparks meist abseits der Straße. Nur auf Nebenwegen komme ich ihm nahe. Wellblech, Sand und manchmal auch Schlamm reduzieren dort schon mal das Fahrvergnügen. Und ich weiß nie ob ich wirklich durchkomme. So bin ich die nächsten vier Tage unterwegs.
Laut krakelend ziehen jeden Tag eine Vielzahl von Papageien/Sittiche/Kakadu-Vögel an mir vorbei. Sie sind scheu. Sitzen sie am Wegesrand fliegen sie weg bevor ich sie sehe.
Bisher kann ich sie nur farblich unterscheiden. Die richtige Namensnennung ist mir (noch?) nicht klar.
Es gibt die kleinen und die großen „Bunten“, die „Grau-Roten“, die „Weißen“ mit einer gelben Haube und mit rotem „Augenrand“ und in deutlich geringerer Zahl die „Schwarzen“ (ohne Foto).
Vor allem die „Weißen“- es sind wohl Kakadus – sind nicht zu überhören und -sehen. In großen Scharen und immer lärmend sitzen sie auf Bäumen, auf dem Acker oder drehen ihre Flugrunden. Als Körnerfresser sind sie zur Saat- und Erntezeit der Schrecken der Farmer.
In Echuca, einer Hafenstadt am Murray bleibe ich drei Tage. Ich warte den angesagten Regen ab. Seit Melbourne hat er mich verschont.
Auch diese Stadt lebt von ihrer Geschichte und damit verbunden den Touristen.
Die Flussschifffahrt und der Eisenbahnanschluss nach Melbourne machte sie im 19. Jahrhundert zum größten Binnenhafen des Landes. Die Hafenanlagen mit den Docks und historischen Gebäuden sind restauriert. 100 Jahre alte Schaufelraddampfer – die Paddelsteamer – mit holzbeheizten Kesseln fahren qualmend und pfeifend ihre Runden auf dem Fluss. Eine alter wieder aktivierter Dampfkessel am Ufer zeigt, wie das Holz mit der Winde ans Land gezogen und anschließend im Sägewerk verarbeitet wurde.
Gerne schaue ich diesen Maschinen zu, die über eineinhalb Jahrhunderte Transport und Produktion veränderten. Ich erinnere mich noch an die großen Dampfloks im Hamburger Hauptbahnhof. Staunend stand ich davor.