Weizenfelder und Schlammpartie.

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Mai 292017
 

229. Reisetag 

5093 km

 

 

Die Murray-Ebene ist für meine Weiterfahrt durch den verkehrsreichen Highway „blockiert“. Ihn vermeide ich durch die Fahrt ins leicht hügeligen „Hinterland“ und habe Glück dabei. Die Nebenstraßen sind geteert und der Verkehr könnte kaum weniger sein. Anstrengend dagegen ist der beständige teils heftige Gegenwind. Die wenigen Hecken bremsen ihn kaum in der sonst baumlosen Agrarlandschaft.

Ich durchfahre einen Weizengürtel, der mich an die Prärie in Kanada erinnert. Die Einsaat ist erfolgt, der Weizen beginnt zu keimen. Selbst auf nur grob bearbeiteten Stoppelfeldern sprießt neue Saat in den Rillen.
Die letzte Ernte ist nicht überall eingeholt. In großen Plastikschläuchen verpackt liegt sie auf dem Acker. Einmal sehe ich, wie die Körner auf einen Lkw verladen wird. Ansonsten wird nirgends gearbeitet.

Wenige Orte sind auf der Karte eingetragen. Beim Durchfahren hoffe ich auf ein kleines Café oder wenigstens einen Fish n Chips Imbiss. Nichts dergleichen. Neben der Straße steht die Public Hall, weit und breit keine Häuser. Nur die Silos neben der Bahnschiene ragen wie Kathedralen in den Himmel. Nirgends Menschen.

Durch diese Landschaft fahre ich eineinhalb Tage, einmal 35 Kilometer nur geradeaus. Das ist nicht einmal langweilig. Ich kann weit schauen, die Gedanken wandern, ich versuche zu meditieren. Eine starke Windböe holt mich dann wieder aufs Fahrrad zurück.
Im „größten“ Ort in diesem Umfeld gibt es erstaunlicher Weise einen Rastplatz mit Toilette und heißer Dusche. Auf der zugehörigen Wiese baue ich das Zelt auf. Gegenüber ist ein Restaurant fürs Abendessen und ich hinterlege eine Spende für die Übernachtung. Abends bellen die Dorfhunde, dann rattert irgendwo ein Generator und schon bald schlafe ich ein. Am nächsten Tag wechseln die Weizenfelder zu großflächigen Plantagen. Bestens durchorganisierte Anlagen mit Tröpfchenbewässerung und gut in Schuss.
In Traktorspurenbreite sind lange Reihen von Kräuter- und Gemüsebeete angelegt. Dominierend sind die großen Weinfelder. Die Keltereien daneben wirken mit ihren vielen Tanks und Leitungen eher wie chemische Fabriken.

Nach langer Fahrt durch diese Agrarlandschaft verlasse ich die Teerstraße und nähere mich wieder dem Murray in einem Nationalpark. Die Piste ist schlecht, viel Wellblech und Schlammlöcher. Mein Zelt baue ich an einer Murray-Schleife auf. Wasser habe ich genügend mitgenommen um neben dem Morgenkaffee ein Nudelgericht zu kochen. Den späten Nachmittag verbringe ich mit Flussblicken. Um 5 Uhr geht die Sonne unter und ich verkrieche mich ins Zelt. Endlich mal eine ruhige Nacht – denke ich. Prasselnder Regen weckt mich später auf. Im Zelt ist es trocken und gemütlich. Ich denke aber an den Weg am nächsten Tag. Es wird schlimmer als ich es mir vorgestellt habe. Ein lehmiger Belag blockiert bereits nach wenigen Metern die Reifen. Nichts geht mehr, nicht einmal schieben. Auf ein vorbeifahrendes Auto kann ich nicht hoffen.
Soll ich die 20 Kilometer zurück auf die Teerstraße fahren/schieben oder mich auf unbekannt langer Wegstrecke fortbewegen – das ist die Frage? Ich entscheide mich fürs Vorwärtskommen.
Nach dem Entfernen der Lehmblockaden an Schutzblech und Bremsen schiebe ich auf dem bewachsenen Wegesrand weiter – da klebt der Lehm weniger – bis sich nichts mehr dreht. So komme ich kaum voran. Damit die Räder nicht so schnell blockieren klinke ich die Bremsen aus und entferne das hintere Schutzblech. Das hilft ein wenig. Über kurze Strecken radele ich sogar, meist schiebe ich jedoch das Rad durch den Busch. Nach langen 15 Kilometern endet der Park, die Straße bessert sich.

Auf Teerstraße fahre ich wieder durch Plantagenlandschaften. Im kleinen Ort Red Cliff verbringe ich die Nacht in einem Motel – gerade rechtzeitig vor einem Regenguss komme ich an. Am nächsten Morgen schaue ich mir die roten Kliffe am Murray-River an. Endlose Weinfelder begleiten mich danach auf dem Weg in die nahe gelegene Stadt Mildura.

Der Gunbower Nationalpark.

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Mai 252017
 

225. Reisetag

4778 Kilometer

 

Ganz nah dran am Murray bin ich die nächsten 80 Kilometer – im Gunbower (aboriginal: mäandernder Fluss) Nationalpark. Ein Feuchtgebiet in dem vor allem der Red-Gumtree wächst, einer der vielen Unterarten des Eukalyptus und Lebensraum vieler Vögel. Durch dieses windet sich der Murray und ein weniger kurvenreicher River-Track.
Ein Schild zu Beginn des Tracks weist auf den Straßenzugang hin. Die Tücke nasser Wegstrecken spüre ich sehr schnell. Feuchter lehmiger Untergrund hat den Griff von Schmierseife. Nach dem ersten „fast in den Schlamm fallen“ werde ich vorsichtig und schiebe, bei größeren Schlammlöchern auch durch den Wald. Der Weg ist holprig, meist trocken und ohne große Anstrengung befahrbar, keine Autos.

Obwohl ich nur durch Wald fahre wird es nicht langweilig. Ich genieße den Blick auf knorrige alte Eukalyptusbäume, wundere mich über das frische Grün unter den Bäumen. Möglicherweise wurde das Unterholz „brandgerodet“ ohne dass die Bäume ersichtlichen Schaden nahmen. Ab und zu springt ein aufgeschrecktes Känguru über den Weg. An seinen Windungen nähert sich der träge dahinfließende Murray dem Track.

An einem Wehr mitten im Park gibt es sogar einen richtigen Campingplatz. Da es abends recht frisch wird übernachte ich in einer Cabin mit Heizung und Wasserkocher.
Diese Parkdurchquerung empfinge ich bisher als meine schönste Strecke in Australien. Sie ist leider endlich.

Am nächsten Tag durchfahre ich wieder Farmland abseits des Flusses. Neben Wiesen, Obst-/Nuss- und Wein-/Olivenplantagen sehe ich ein riesiges Baumwollfeld. Das einzige bisher. Die Pflanzen sind mit flauschigen Wolletupfer dicht bespickt wie ich es weder in Afrika noch in der Türkei gesehen habe. Große Rollen mit dicht-gepresster Baumwolle liegen am Wegesrand, Erntemaschinen sehe ich nicht.

Trotz geteerter Straße und erstaunlich wenig Verkehr ist das Fahren anstrengend. Ein beständiger Wind aus Nordwest, auf dem flachen Land durch nichts gebremst, bläst mir entgegen. Ermüdet erreiche ich die größere Murray-Stadt Swan Hill.

In einem Container auf einem Campingplatz verbringe ich zwei Nächte. Das ist gemütlicher als zelten – denke ich – ohne mein Umfeld zu kennen. Zwei junge Work-und-Traveller, die irgendwo auf den Feldern arbeiten und den Abend mit Fernsehen verbringen. Nach meinem Klopfen stellen sie es zwar leiser, bei der dünnen Zwischenwand bleibt es für mich trotz Ohrstöpsel störend.

Sehenswert in der Stadt ist das Open-Air Museum am Flussufer mit hölzerner Geschäftszeile und Wohnhäusern. In Reihe stehen alten Traktoren, ob mit Dampf betrieben oder mit Diesel.
Wo sind nur die alten Dampfmaschinen in Deutschland geblieben? Die muss es auch gegeben haben. Bis auf alte Loks sind sie nirgends zu sehen.
Etwas geschummelt wurde am Schaufelraddampfer. Der Antrieb ist auf Diesel umgestellt. Auf eine Rundfahrt mit ihm verzichte ich deshalb.

The Mighty Murray.

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Mai 212017
 

221. Reisetag

4543 km

 

Ein kalter nebeliger Morgen. Mein spartanisches Zimmer hat keine Heizung. Warm angezogen begebe ich mich in den Essraum zu dem am Vorabend hingestellten Continental-Breakfast. Zwei Weißbrotscheiben zum Toasten, Butter- und Marmeladeportionspäckchen sowie eine Minipackung Cornflakes, Milch und Instantkaffee. Am Abend sah ich wie der Gasheizstrahler angestellt wurde, entsprechend ziehe ich an den Schnüren. Es wird warm. Mit Avocado und Käse rüste ich das Frühstück auf. Es schmeckt – für mich ein fast normaler Morgen.

Etwas später, auf der Straße, ist es wieder fröstelig – bis die Sonne durchbricht. Ein schöner Tag beginnt. Auf mäßig ondulierender Straße mit erstaunlich wenig Verkehr radele ich am Hang entlang. Oft mit freiem Blick ins Murray-Tal mit seinen Wiesen und herbstlich gefärbten Bäumen. Nur dem immergrünen Gum-Tree scheint die Jahreszeit nichts anzuhaben.
Zwei Tage bewege ich mich nahe am Fluss. Erreiche den Hume-See an seinem anderen Arm und überquere die hohe Staumauer.

Das Flusstal wird breit, der Murray windet sich träge hindurch. Die Straßen müssen sich nicht mehr den Bergen anpassen, gerade durchziehen sie das platte Land. Wird es vorübergehend hügelig wechseln Weizen und Wiesen zu Wein und Oliven. Das Radfahren in der landwirtschaftlich genutzten Ebene ist ein wenig langweilig. Den Murray sehe ich selten. Er ist umgeben von Gum-Tree-Wäldern und kleinen Naturparks meist abseits der Straße. Nur auf Nebenwegen komme ich ihm nahe. Wellblech, Sand und manchmal auch Schlamm reduzieren dort schon mal das Fahrvergnügen. Und ich weiß nie ob ich wirklich durchkomme. So bin ich die nächsten vier Tage unterwegs.

Laut krakelend ziehen jeden Tag eine Vielzahl von Papageien/Sittiche/Kakadu-Vögel an mir vorbei. Sie sind scheu. Sitzen sie am Wegesrand fliegen sie weg bevor ich sie sehe.

Bisher kann ich sie nur farblich unterscheiden. Die richtige Namensnennung ist mir (noch?) nicht klar.
Es gibt die kleinen und die großen „Bunten“, die „Grau-Roten“, die „Weißen“ mit einer gelben Haube und mit rotem „Augenrand“ und in deutlich geringerer Zahl die „Schwarzen“ (ohne Foto).

Vor allem die „Weißen“- es sind wohl Kakadus – sind nicht zu überhören und -sehen. In großen Scharen und immer lärmend sitzen sie auf Bäumen, auf dem Acker oder drehen ihre Flugrunden. Als Körnerfresser sind sie zur Saat- und Erntezeit der Schrecken der Farmer.

In Echuca, einer Hafenstadt am Murray bleibe ich drei Tage. Ich warte den angesagten Regen ab. Seit Melbourne hat er mich verschont.
Auch diese Stadt lebt von ihrer Geschichte und damit verbunden den Touristen.
Die Flussschifffahrt und der Eisenbahnanschluss nach Melbourne machte sie im 19. Jahrhundert zum größten Binnenhafen des Landes. Die Hafenanlagen mit den Docks und historischen Gebäuden sind restauriert. 100 Jahre alte Schaufelraddampfer – die Paddelsteamer – mit holzbeheizten Kesseln fahren qualmend und pfeifend ihre Runden auf dem Fluss. Eine alter wieder aktivierter Dampfkessel am Ufer zeigt, wie das Holz mit der Winde ans Land gezogen und anschließend im Sägewerk verarbeitet wurde.
Gerne schaue ich diesen Maschinen zu, die über eineinhalb Jahrhunderte Transport und Produktion veränderten. Ich erinnere mich noch an die großen Dampfloks im Hamburger Hauptbahnhof. Staunend stand ich davor.

Auf dem Weg zum Murray-River.

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Mai 122017
 

Ausläufer des Hume-Stausees im Morgennebel.

212. Reisetag

4258 km

 

In den Höhen der Snow-Mountains entspring der Murray-River, mit 2400 Kilometer der längste Fluss Australiens. Ihn möchte ich für den nächsten Monat auf seinem Weg zum Meer begleiten. Nicht ganz von seiner Quelle, dort ist es zu kalt und unwegsam, sondern am Fuße der Snow Mountains. Von Melbourne sind es ca. 350 Kilometer bis dorthin. 

Die Großstadt wollte ich mit dem Zug verlassen. Der fährt leider nicht, es werden Busse eingesetzt. Ohne Diskussion wird mein Rad im Gepäckfach verstaut – ich bin erleichtert. 150 Kilometer später, im Ort Wangaratta steige ich aus.

Nach einem regnerischen Abschied in Melbourne trübt am nächsten Morgen kein Wölkchen den Himmel. Einfach schön sich aufs Rad zu setzten. Abseits der Straße auf einem Rail-Trail durchfahre ich das Land. Anfangs flach durch Farmland, dann mit Eisenbahnsteigung gemächlich in die Höhe – durch Gum-Tree-Wälder und Buschland. Im kleinen Ort Bleechworth ist Endstation der damaligen Eisenbahn und für mich (an diesem Tag).

Im Goldrauch Mitte des 19. Jahrhundert erlebte Bleechworth seinen wirtschaftlichen Höhepunkt. Heute werden die Relikte vermarktet. Aus alten Steinhäusern wurden kleine Museen, dem Gefängnis wurde ein „berühmter“ Bandit zugeordnet, dessen Lebenslauf ausführlich beschrieben wird, die Ruinen eines der ältesten Krankenhäuser des Landes wurden aufwändig restauriert u.a.. Geschichte hin oder her. Ich möchte vor allem die kleine Brauerei mit Bierprobe und Pizzaofen vor Ladenschluss (in der Winterzeit 3 Uhr nachmittags) aufsuchen. Zehn verschiedene Sorten werden gebraut und manche schmecken hervorragend. Kein Vergleich zum deutschen „Einheitsbiergeschmack“. Beim Pizzaboden hingegen wären Verbesserungen durchaus angebracht. Die Nacht verbringe ich in einem ehemaligen Kloster in einer Einzelzelle – mit weichem Bett und E-Heizung.

Das schöne Wetter hält den nächsten Tag an. Die längere Strecke bin ich auf der Straße unterwegs, bei mäßigem Verkehr. Sehr angenehm, die rückläufigen Tierleichen am Rande – das war schlimm in Tasmanien.

Unten im Tal habe ich das Glück wieder auf einem Rail-Trail zu stoßen. Die alte Eisenbahnstrecke verläuft entlang des Hume-Stausees und später in die Berge. Ich bin am Murray-River angekommen, der den zweiarmigen Stausee füllt. Mein Einstiegs- bzw. Treffpunkt mit dem Fluss ist es noch nicht. Diesen erreiche ich erst am übernächsten Tag und er liegt auf der anderen Seite eines 800 Meter hohen Gebirgszuges. Ich genieße am Nachmittag die Fahrt auf bestem Trail mit Blick auf den See und abgestorbenen Baumgerippen darin. Am nächsten Morgen wirken diese bei tief hängenden Wolken fast gespenstisch. Der Stauseearm läuft aus. Es geht in die Berge. Der anfangs gut ausgebaute Trail wird zum holprigen Feldweg und endet an einer fehlenden Brücke. Steil fahre ich auf normaler Straße nach oben. Erfreulicherweise ist auf halber Höhe der Trail wieder befahrbar, mit kleinen Umwegen an maroden Brücken.

Die Sonne hat die Wolken mittlerweile vertrieben. Ich habe eine traumhafte Sicht ins Tal, fahre durch wilden Gum-Tree-Wald und die mäßige Steigung strengt nicht an. Die Nacht verbringe ich in einem Pub-Hotel in einem Kleinstdorf auf fast 800 Meter Höhe. Zum Glück ist es geöffnet, denn mit schwindener Sonne wird es bitterkalt. Ich bin der einzige Gast, auch an der Bar.

Nach kurzer Fahrt am nächsten Morgen erreiche ich den höchsten Punkt und auch das Ende des Eisenbahntrails. Hinunter ins Murray-Rivertal geht’s auf normaler Straße, leider auf dem steilsten Abschnitt auf Schotter mit viel Staub, wenn mir ein Log-Track entgegenkommt.

Im 100-Seelen-Dorf Walwa erreiche ich den Murray. Er ist ein schnellfließender leicht trüber Fluss mit geschätzter 20 Meter Breite. Ich bin gespannt wie er und sein Umfeld sich auf dem langen Weg zum Meer entwickeln werden.

Die Dorfkneipe bietet Zimmer an, günstig und minimal. Es ist Freitag, am Abend Ausgehtag für Mann und Frau. In getrennten Grüppchen sitzen sie im vollen Schankraum. Die Männer beim Bier, die Frauen bei Wein, Cola und Wasser.