196. Reisetag
3841 km
Flach und lieblich – so ist die Ostküste der Insel beschrieben. Ich freue mich auf eine einfache und schöne Strecke. Etwas getrübt ist der morgendliche Start durch den noch verschnupften Kopf und dunkel aufziehenden Wolken.
Bald merke ich, dass „flach“ nur im Verhältnis zur sonstigen Insel gesehen werden kann. Die Berge sind zwar auf Hügelhöhe geschrumpft aber immer präsent. Um mich herum Buschland, trockene Wiesen auf denen Schafen weiden und natürlich der Blick auf Küste und Meer.
Mit roten Flechten überzogene Granitschichten und -blöcke tauchen ins Meer hinein. In manchen Buchten lange weiße menschenleere Sandstrände. Bei diesen Anblicken hüpft das Herz und der Schweiß vorheriger Anstiege ist vergessen.
Am späten Nachmittag halte ich an einem kleinen Tierpark mit heimischen Arten, deren Bekanntschaft ich bisher nur (unidentifiziert) am Straßenrand gemacht habe.
Der bekannteste Vertreter ist der Tasmanische Teufel. Einst von Farmern am Anfang des letzten Jahrhunderts fast ausgerottet ist er heute von einem ansteckendem tödlichen Gesichtskrebs betroffen und wieder bedroht. Die Chance ihn nachts in der freien Wildbahn zu sehen ist für mich sehr unwahrscheinlich.
Bekanntschaft mit Wallabys bzw. Kängurus hatte ich bereits gehabt. Hier weiden sie handzahm auf einer Wiese und hüpfen auf mich zu um Futter zu erhalten (das man beim Eintritt erwerben kann). Schon merkwürdig anzusehen, ihre Fortbewegung, nur ein Hüpfen auf kräftigen Hinterbeinen. Ihre Beutel sind leider leer, kein „Ru“ schaut herhaus. Im Herbst steht die neue Generation wohl auf eigenen Beinen.
Eine mir fremde und in Australien verbreitete Tierart sind die Wombats. Sie sehen aus wie eine Mischung aus kleinem Bär und Kaninchen. Ein dicker bis ca. ein Meter langer Körper steht auf kurzen Beinen. Es sind höhlengrabende pflanzenfressende Beutelsäuger (Wikipedia).
Leider ist mein Aufenthalt im Park begrenzt. Vor Dunkelheit möchte ich den nächsten Ort erreichen um eine Unterkunft zu finden. Und habe Glück. Auf einem Zeltplatz erhalte ich eine kleine Hütte, rechtzeitig vor dem einsetzenden Regen. Bleibe seinetwegen auch noch den nächsten Tag. Froh, nicht bei Nässe und abendlich/nächtlicher Kälte im Zelt zu schlafen.
Wegen des unbeständigen Wetters streiche ich den geplanten Abstecher zum nahen Freycinet National Park mit – wie es heißt – atemberaubenden Küstenblick, Granitfelsen und weißem Strand.
Ich radele weiter auf dem nicht immer küstennahen „Great Eastern Drive“. Mitten in der hügeligen Wiesen- und Waldlandschaft tauchen Weinberge auf. Die Trauben bereits geerntet und das Laub herbstlich gefärbt. Ein Lokal am Straßenrand lädt zur Weinprobe ein. Es ist mittags, zu früh für den Wein. Ich trinke einen Long Black.
Im Meer, vor dem Ort Triabunne mit kleinem Fischerei- und Jachthafen liegt die Insel Maria mit bewegter Geschichte. Einst Gefängnisinsel, dann Standort der Zementindustrie und jetzt Nationalpark. Ein Boot bringt mich am nächsten Tag dort hin. Am Pier ragen weit sichtbar die alten Speicher des Zementwerks in die Höhe. Das alte Gefängnis mit Verwaltung ist zu einem Museumsdorf umgewandelt mit einfachster Übernachtungsmöglichkeit in einer der alten Zellen. Durch alte Gumtreewälder radele ich zu den Highlights. Ein Küstenabschnitt besteht aus schroffen Felsen mit zahlreichen Fossilien, an anderer Stelle die Painted Rocks. Durch eingedrungenes Eisenoxid in weißen Sandstein sind erstaunliche Bilder entstanden.
Auf einer Wiese steht eine Kängurugruppe, die beim Näherkommen das Weite sucht. Ein Wombart lässt sich dagegen beim Fressen nicht stören. Graue Cape Barren Gänse (Hühnergans) mit roten Füßen weiden auf den Wiesen. Ein bewölkter stürmischer Tag, kalt aber schön.
Ich bin froh, dass es an der Küstenstraße in Reichweite die kleinen Orte gibt. Ich kann einkaufen und finde eine Unterkunft. Mal schlafe ich in einem Campingwagen, mal im Hotel und habe den Luxus abends die Elektroheizung anzustellen. Zum Zelten ist es mir zu kalt und nass.