1385 km
Das Donnern des morgendlichen Güterzuges beendet den oft gestörten Schlaf. Zum Frühstück gibt’s Müsli, unsere letzte Reserve. Dazu wie immer Instant-Kaffee. In der nächsten Stadt können wir die Vorräte wieder auffüllen.
Der Weg dorthin erfolgt auf grob geschottertem Weg. Marie ist genervt, da ihr Rad auf unebener Straße wegrutscht. Sie schiebt es Hügel hoch und manchmal auch hinunter. Ich bin genervt, da wir nur im Schneckentempo vorankommen und nicht weiß wie wir weitere Schotterstraßen bewältigen können. Und davon gibt es noch viele.
Der Weg meint es gut mit uns. 10 Kilometer vor Taumarunui ist die Straße geteert und wir kommen trotz Hügel gut voran. Am Straßenrand sehen wir sie wieder, die Wanderer auf dem Te Araroa mit ihren prallen Rucksäcken. Seit Mitte Oktober sind sie unterwegs und haben in etwa so viele Kilometer zurückgelegt wie wir.
Ein Zeltplatz liegt fünf Kilometer außerhalb der Stadt an Bahnschiene und Highway. Wir wählen die bequeme und ruhige Variante mit einem Zimmer im Forgotten World Motel. Alles was westlich dieser Stadt liegt scheint extrem verlassen: Der „Forgotten World Highway“ oder „Bridge to Nowhere“. Am nächsten Tag regnet es. Wir verlängern unseren Aufenthalt. Um den Highwayverkehr zu entgehen lassen wir uns am folgenden Tag zum 45 km entfernten Nationalpark Village fahren. Wir möchten wie 60.000 andere Menschen im Jahr den absolut sehenswerten Tongariro Alpin Crossing erwandern. Es kommt leider anders. Bei unserer Ankunft liegen die Berge im Sonnenschein, am nächsten Morgen bei Regen in den Wolken. Die Windstärke laut Wetterstation beträgt am Tongariro-Krater 80 h/km und der Track ist damit nicht gehbar. Am nächsten Tag sieht es nicht besser aus. Eine vierte Nacht möchten wir in dem recht langweiligen kleinen Ort nicht verbringen und begeben uns trotz Niesel auf die Straße. Der Regen wird heftiger. Uns wird bei nur noch 9 Grad in 800 m Höhe kalt – zum ersten Mal. Um Schutz vor dem Eimerregen zu finden begeben wir uns zu einer Ansammlung von Gebäuden, den einzigen im waldigen Umfeld. Zu unserer Überraschung stehen wir vor einem Schrottplatz ganz besonderer Art – dem Smashed Palace, eine Carthedrale. Oldtimer reiht sich an Oldtimer, verrostet und verbeult. Ausgeschlachtet, ihre wichtigsten Teile liegen in diversen Schuppen und werden, wie uns erzählt wird, weltweit verschickt. An anderer Stelle stehen fahrbare Exemplare in besserem Zustand. Und überall Haufen von Kfz-Ersatzteilen, für uns von Schrotthaufen manchmal nicht zu unterscheiden. Selbst Marie ist fasziniert von dieser Ansammlung von Schrott, Oldtimer und sonstigen eisernen Gegenständen. Dank des Regens sind wir auf diesen Ort gestoßen, sonst hätten wir ihn einfach passiert.
Den Highway hatten wir nach 25 km nahe dem Smashed Palace verlassen um die legendäre Old Coach Road zu befahren. Bis 1904 eine alte Handelsstraße, dann zugewuchert und später als Cycle Track wieder aktiviert. Unterwegs passieren wir ehemalige Eisenbahnviadukte, fahren durch alte Eiben- und Farnwälder, schieben an steile Passagen und hoppeln auf altem Kopfsteinpflaster in die Tiefe. Schön, aber anstrengend.
Die Nacht verbringen wir in Ohakune, wegen der nahen hohen Berge im Winter ein Skiort, im Sommer entsprechend trostlos.
Am nächsten Tag endlich mal eine einfache Strecke bei Sonnenschein mit Wolken. 500 m rollen wir hinunter ins Tal des Wanganui-Rivers. Etwas störend ein über die Wiesenhügel fliegendes Sprühflugzeug nahe der Straße. In der Ferne sehen wir vertrocknete wohl totgespritzte Felder.
In der Nacht plätschert bereits wieder Regen ans Fenster und hält bis Mittag an. Wir erinnern uns an die Kälte und Feuchtigkeit der letzten Regenfahrt und bleiben eine weitere Nacht.