18. Reisetag
423 km
5023 Höhenmeter
Seitenwechsel. Wir radeln wieder von der Ostküste zur Westküste. Es sind ca. fünfzig bergige Kilometer. Der Labour-Day Rückverkehr kommt uns entgegen. Das ist zwar unangenehm, weil gerast wird, stört aber nicht so.
Im Gegensatz zum schwül-heißen Klima in Südostasien empfinde ich die Temperaturen mit 18 bis 25 Grad in Neuseeland angenehm – optimales Radelwetter. Aber nicht nur. In kürzester Zeit wechselt der Sonnenschein zu heftigen Wolkenbrüchen. Wir schaffen es kaum in unsere Regenwäsche. Der stetige Wind bläst selten in Fahrtrichtung und ist im Gegensatz zu den heißen Sonnenstrahlen kalt.
Der Neuseeländer liebt das Unterwegssein, die vielen westlichen Touristen mit ihren Camper-Vans auch. Das Land ist darauf eingestellt. Selbst in Fahrradentfernung befinden sich Campingplätze, die sich „Holiday-Parks“ nennen. Sie sind mit Küchen, mit kleinen und oft auch größeren Cabins (Hütten) und Aufenthaltsraum gut ausgestattet. Die Internetverbindung hingegen ist erstaunlich schlecht.
Wir radeln entlang des tasmanischen Meeres an der Kauri-Küste, benannt nach den mächtigen Kauri-Bäumen. Bevor die ersten Siedler ins Land kamen gab es riesige Wälder mit diesen alten Koniferen-Bäumen, die bis zu 2000 Jahre alt wurden und einen Stammdurchmesser von bis zu acht Meter haben konnten. Das Holz war gut und begehrt, die Wälder wurden deswegen abgeholzt. Heute gibt es nur noch wenige alte Exemplare davon, die unter Schutz stehen und Touristenattraktion sind.
Der Besuch des Kauri-Museums in Matakohe zeigt uns die Ausbeutung, Verarbeitung und den Untergang der alten Baumriesen. Als Zugabe in der Ausstellung wird die Lebensweise der Siedler beschrieben. Kein Wort über die Maori, die lange vor den ersten Siedlern ins Land kamen.
Ausnahmsweise liegt mal ein 30 km flacher Küstenabschnittes vor uns. Rundherum Wiesen mit Rindern, nur selten ein kleiner Wald, manchmal eine hohe Hecke als Windschutz. Freude wegen der flachen Wegstrecke kommt nicht auf. Ein strenger NW-Wind peitscht uns entgegen und reduziert unsere Geschwindigkeit oft auf Fußgängertempo.
Um solche Strapazen in Zukunft zu vermeiden werden wir lieber einen Pausentag einlegen als dem Wind trotzen. Erschöpft erreichen wir die kleine Stadt Dargaville. Außer einem für uns nützlichen Supermarkt ist im Ort nichts Interessantes.
Die Weiterfahrt erfolgt bei mäßigem Wind wieder durchs Hügelland. Am Fuße einer Bergkette übernachten wir auf einem besonders schönen Campingplatz direkt an einem Flusslauf. Nur Holztransporter, die auch des Nachts unterwegs sind, stören unsere Ruhe.
Bergauf auf schlechter Schotterstraße gelangen wir am nächsten Morgen in das Schutzgebiet der Kauri-Bäume. Nach kurzer Etappe erreichen wir einen Waldcampingplatz mit Hütten, etwas heruntergekommen und verlassen. Der Tag endet friedlich mit Blick auf Waipoua-River.
Die nächste morgendliche Bergfahrt ist wunderschön. Die Straße führt durch dichten Urwald aus dem vereinzelt Kauri-Bäume in den Himmel ragen. Zwei besondere Baum-Exemplare sind für die Touristen zugänglich gemacht. Der Vater der Kauri-Bäume „Matua Ngahere“ und der mächtigste noch lebende Kauri „Tane Mahuta“ mit einem Stammdurchmesser von 4,40 m und einem Alter von 1500 bis 2000 Jahren. Bergab geht es wieder hinunter ins hügelige Land. Kurz vorm erreichen der Küste gibt es mal wieder eine längere 14%ige Steigung. Wir fahren solange die Kräfte reichen, dann schieben wir. Oben angekommen, bietet sich eine weite Sicht auf einen breiten Meereseinschnitt mit großer Sanddüne dahinter, das entschädigt uns ein wenig. Ein netter Reisebusfahrer überreicht uns zwei gekühlte Wasserflaschen, das freut.
Die Weiterfahrt entlang der langgezogenen Bucht ist anfangs leicht bei Rückenwind. Die Überlegung hier die Nacht zu verbringen verwerfen wir, da „nur“ noch vermeintliche 15 km zum anvisierten Ziel vor uns liegen. Später bedauern wir es, da zusätzlich nochmals 300 Höhenmeter und weitere Kilometer hinzukommen.
In Rawene mieten wir uns erschöpft auf einem Campingplatz in eine Hütte ein, zum Einkaufen ist es zu spät. Darben müssen wir nicht. Zu unseren Instantnudeln bekommen wir von der Campingplatzbesitzerin Brokkoli, von den Imkern aus der Hütte nebenan Kartoffeln, Erbsen und ein Bier geschenkt, von einem Camper-Motorradfahrer dazu noch eine Dose Tunfisch. Welch köstliches Abendmal.
Am nächsten Morgen verweigert Marie die Weiterfahrt. Die 1000 Höhenmeter des letzten Tages sind noch nicht ganz verarbeitet.