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„Man muss es einfach mal so salopp formulieren und hier einfach mal in den unbegrenzten Raum des Webbloggings stellen: Penang und vor allem die Altstadt rocken einfach. Ein wirklich schönes Fleckchen Erde, dieses Georgetown, wie das Viertel heißt, wo ich mein Lager aufgeschlagen habe. Hier ist Mulitkulti nicht einfach ein Schlagwort von pullunderstrickenden, in die Jahre gekommenen Grünen oder ein Wunschdenken der Massen an neuen Gutmenschen, die das westliche Bildungsbürgertum anscheinend dieser Tage wie am Fließband zu produzieren scheint und die fähnchenschwenkend am Bahnhof herumstehen, im Gegenteil: Hier wird das schon seit Jahrhundert einfach gelebt dieses Mulitkulti-Dingsbums. Hier leben die Kulturen nicht nebeneinander, sondern wirklich miteinander. Auch die Religion ist hier nie ein Thema, wenn Malaien mit Chinesen und Indern bei einen Stück Sahnetorte in einem schicken Künstlercafé zusammensitzen. Der eine mag sich in der Moschee auf den Teppich werfen, der andere opfert komischen Göttern mit Elefantenrüssel wohlriechende Räucherstäbchen und der dritte zündelt alle Nase lang mit Feuerwerk, dass es nur so knallt. Aber hey! Wen interessiert das schon?
Hier zumindest keinen und das ist sehr erfrischend, wenn man die Schlagzeilen aus dem Rest der Welt so liest. Und dieser Eindruck setzt sich fort, egal wo ich auch hingehe oder mich hinsetze. Zum Beispiel am Tisch vor dem Liquer-Shop, wo ich jeden Abend meine müden Knochen für ein Feierabendbier parke. Feierabend vom Reisen und Staunen in Penang. Diese Straßenkneipe ist wirklich ein Unikum und findet sich natürlich in keinem Reiseführer dieser Welt. Da muss man schon einen Tipp von einem Einheimischen bekommen oder durch ´Zufall´ drauf stoßen. Hier stehen einfach nur ein paar Campingklapptische auf der kaum befahrenen Seitenstraße herum und eine aufwendige Dekoration oder liebreizende Kellnerinnen sucht man hier vergebens. Dafür schwitzt ein dicker Chinese hinterm Tresen den Restalk aus und verkauft in einer Tour geistige Getränke aus seinem extrem beeindruckenden Fundus selbiger. Und das für ein Appel und ein Ei, wie das am Mittelrhein so schön heißt. Eigentlich ist Alkohol in Malaysia ja eher teuer im Vergleich zum Aldi daheim, aber irgendwie kriegt es der Kerl hin, den Stoff, aus dem auch hier in diesem muslimischen Land vieler Leuts Träume sind, steuerfrei einzukaufen und auch noch öffentlich zu verkaufen. Nicht, dass ich ihm pauschal korrupte Umtriebe vorwerfen will, aber…
Jedenfalls sitzen hier auch alle Menschen einfach mal lustig zusammen und trinken. Nicht bis der Arzt kommt, sondern eher gemütlich. Ab und an packt auch mal jemand eine Holzgitarre aus, dann haben wir auch noch Musik. Meistens irgendwelche Evergreens aus dem westlichen Repertoire aller Straßenmusiker dieser Welt. ´Welcome to the hotel California´ und so. Die indischen Rikscha-Fahrer summen genauso mit wie die chinesischen Studenten und die Handvoll bleichgesichtiger Rucksackreisender, die sich irgendwie in diese Seitenstraße verirrt haben. Und hier in Georgetown ist es ausnahmsweise mal nicht nur der Alkohol, der sich die Leute verbrüdern lässt. Nein. Das ist eben Multikulti at its best! Und ganz natürlich. Herrlich!
Ganz nebenbei ist diese Altstadt auch noch voll von toller Straßenkunst. Und ich spreche hier nicht von hastig illegal gesprühten Graffitis, die bei uns daheim ja eher den Charme einer Hundeduftmarke versprühen. Nein. Der Künstler Ernest Zacharevic, der sich für diese tollen Bilder und Installationen all over Georgetown verantwortlich zeigt, hat den Namen Künstler auch wirklich verdient. Dazu die alte Kolonialarchitektur, die schon genau das richtige Maß an Patina angesetzt hat um noch schöner zu sein als in ihrer Blütezeit. Und das ganze steht im Kontrast zum Rest des modernen Penangs, den eher das wirtschaftlich aufstrebende Malaysia geformt hat. Luxuriöse Neubauten, Wolkenkratzer aus Chrom und Glas, Neuwagen, schicke Restaurants und Konsumtempel mit viel teuren Kaffees aus Pappbechern, die nach 27 verschiedenen Aromachemikalien schmecken. Aber irgendwie hat hier Alles Charme, weil hier so viel aufeinander trifft und sich zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Und das geschieht anscheinend so kinderleicht, reibungslos und konfliktfrei, dass ich mich fast täglich fragen muss, warum das woanders nicht auch passiert. Aber: das ist Penang, Baby! Ein wahrlich gesegnetes Fleckchen dieser schönen Erde. Und man würde es nicht glauben, wenn man es nicht selbst gesehen hat.“
Da stimmt etwas nicht. Ist ihm die Hitze aufs Hirn geschlagen. Nein.
In dem oben beschriebenen Straßenlokal kommen abends beim Bier interessante Menschen zusammen, meist Langzeitreisende. Rentner und auch Menschen, die noch Geld verdienen müssen. Ein Auftrags- und Ghost-Schreiber unter dem Pseudonym Henry Freischütz kommt aus Bonn. Ihn habe ich kurz mit einigen Fotos gebrieft, um mal etwas Abwechslung in den Blog zu bringen.