Über und durch die Berge.

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Apr 072015
 

DSC06367697. Reisetag 

21.931 km

 

Der seit Tagen über der Landschaft liegende Dunst, eine Mischung aus Rauch und Nebel, verschwindet nicht. Er wird genährt durch die gewollten Brände des Buschlandes um daraus Ackerland zu machen oder Kautschukplantagen anzulegen.

Schilder an der Straße weisen auf von Blindgängern gesäuberte Gebiete hin. Um ihre Dominanz in Südostasien nicht zu verlieren bombardierten die Amerikaner Laos ohne Kriegserklärung in Zeiten des Vietnamkrieges mit dem dichtesten Bombenteppich der Weltgeschichte. Auf das kleine Land Laos fielen mehr Bomben, als die Alliierten im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan zusammen warfen. Millionen Blindgänger, darunter vor allem die nichtexplodierten Teile der Streubomben verstümmeln und töten noch 40 Jahre später.
Das Ansehen des Zerstörers von damals hat sich in Laos, aber auch in Vietnam und Kambodscha stark gewandelt. American Standard ist zum Vorbild geworden.

Beim Blick hinunter von einer Brücke sehe ich auffallend geformte Fischerboote am Ufer liegen. Diese sind aus den abgeworfenen raketenförmigen Tanks (zum Luftauftanken der Bomber) gefertigt worden. Ein nutzvolles Recycling.

In den Dörfern dominieren die hölzernen Stelzenhäuser. Es ist warm hier, das Dorfleben findet im Freien statt, im Schatten unter oder neben den Häusern. Dort wird gekocht, in Hängematten geschlafen und manchmal auch an Webstühlen gearbeitet. Auffallend sind die vielen (Haus-)Baustellen. Oft ragen erst die Betonsäulen in die Höhe, auf denen das neue Haus platziert werden soll.

Ein unerwartet steiler Berg zwingt mich am späten Vormittag noch einmal in die Höhe. Nach der Abfahrt biege ich in ein Seitental ab, an dessen Ende ein Fluss sich sein Bett durch das Kalkgebirge geschaffen hat. Eine 7 km lange Höhle ist entstanden und wird touristisch vermarktet. Eine entsprechende Infrastruktur ist entstanden.
Mit einem Motorboot fahre ich am nächsten Tag hinein in die Dunkelheit. Der Bootsführer liebt die Geschwindigkeit und findet seinen nicht immer gradlinigen Weg mit Hilfe einer Stirnlampe. Etwas unheimlich. Zwischendurch steige ich aus, damit das Boot über Stromschnellen oder zu flachem Untergrund geschoben werden kann. Einen Landgang mit künstlicher Beleuchtung mache ich durch eine riesige Halle mit Tropfsteinen. Ein Lichtschein zeigt das Ende der Tunnelstrecke an. Das Boot legt kurz danach an und es gibt Imbiss- und Souvenirsbuden. Die Rückfahrt scheint mir mit der Strömung noch schneller zu gehen. Auch wenn ich nur schemenhaft im Kegel der Stirnlampe die Unterwelt wahrnehmen konnte empfand ich die Fahrt als ein besonderes Erlebnis.

Nach der angenehmen Temperatur im Berg schlägt mir die Hitze am Ausgang entgegen. Habe das Gefühl in diesem Tal staut sie sich besonders. In der Nacht kann ich nur mit einem nassen Handtuch auf dem Bauch einschlafen. Kaum sitze ich in der Frühe wieder auf dem Rad tropft der Schweiß. Nach den ersten flachen 40 km bis zum Ausgang des Tales folgt die Herausforderung. Es geht verdammt steil in die Höhe. Zwar nur über 4 km, aber ich muss häufig kurz anhalten um Luft zu schnappen. Zum Glück hält die Schwäche nicht an. Nach dem Erreichen des Gipfels und einer rasanten Abfahrt radele ich mit gewohnter Stärke weiter. Mittags gelange ich wieder in die Mekongebene und finde in einem kleinen Dorf eine angenehme Unterkunft.

Durch das Nebelgebirge.

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Apr 042015
 

DSC06230694. Reisetag

21.752 km

 

Die Nachtruhe ist gestört. Bis zu meinen Aufbruch in der Frühe dröhnt vom anderen Mekong-Ufer (aus Thailand) lautstark Musik herüber.

Ich verlasse das Mekong-Tal und fahre einen östlichen Schlenker. Schroffe Kalkfelsen ragen aus den abgeernteten Reisfeldern in die Höhe. Sie liegen im morgendlichen Dunst. Die Straße schlängelt sich ohne nennenswerte Steigungen hindurch. Ich mache einen Abstecher zu einer nahegelegenen Höhle. Stufen führen zum Eingang hinauf. Vor ihr sitzt ein kleiner grüner Buddha. Weit hinein gehen kann ich nicht. Ich bin alleine. Es gibt keine Beleuchtung und das Licht meiner Stirnlampe ist zu schwach dafür. Außerdem geht es steil hinunter. Im tiefen Inneren sehe ich den Spiegel einer Wasserfläche. Stalaktiten hängen von der Decke.

Durch den frühen Start erreiche ich mein Ziel am späten Vormittag. Eine Guesthouse etwas abseits von einem kleinen Dorf. In der Nähe ist ein kleines Restaurant. Die Nudelsuppe ist so schlecht, dass ich am Abend dort nicht noch einmal einkehren werde. Das weitere Sortiment besteht nur aus Fleischspießchen. Meine Erdnüsse sind voller Ameisen, eine weitere Vorratshaltung habe ich mir nicht angelegt. Es gibt nichts Vernünftiges dafür zu kaufen. Die Hungergefühle halten sich in Grenzen. Den Nachmittag verbringe ich schlafend und lesend mit einem Bier im Schatten.

Der nächste Tag beginnt mit einem bissigen Anstieg. Fahre in der Früh zum Glück auf der Schattenseite. Der Schweiß tropft trotzdem. Oben in der Höhe sehe ich Menschen in ein kleines Wat gehen. Sie tragen silberne und goldene Schalen, gefüllt mit div. Essenssachen, aber auch Geldbündel schauen heraus.
Ich erinnere mich. Am Vortag war der Mond rund und schön am Himmel zu sehen. Es ist Vollmond, ein buddhistischer Feiertag. Beim Betreten legen sich die „Watgänger“ eine Schärpe um und setzten sich hinein oder davor. Es sind vor allem Frauen, junge und alte, wenige Männer sitzen getrennt von ihnen in einer Ecke. Die musikalische Begleitung läuft bis auf ein paar Trommelschläge elektronisch ab. Die Ansprache ist kurz. Oft werden die Gabenschalen gehoben, sie werden wohl gesegnet. Was den Menschen für ihre Spenden versprochen wird hat wohl erst im nächsten Leben eine Relevanz. Anschließend verteilt jeder seine Spende in unterschiedliche Spendentöpfe. Spirituelle Abzocke – so sieht es für mich aus.

Männern bestimmen hier wie fast überall die Glaubensfragen und vor allem Frauen praktizieren ihn. Das kennen wir auch von daheim.

In der Höhe durchfahre ich eine bizarre Landschaft. Auf der einen Straßenseite Urwald, auf der anderen eine ökologische Katastrophe. Baumgerippe ragen aus dem trocken gefallenen Uferbereich und Fluten eines riesigen Stausees. Gebaut wurde dieser (wohl?) von den Chinesen. Für sie zählt das Projekt. Landschaft und Menschen spielen keine Rolle. Vor der Flutung hätte das Gebiet abgeholzt werden müssen!
Laos ist ein Stromexporteur in seine Nachbarländer. Diese Position baut das Land mit diversen geplanten und bereits im Bau befindlichen Staudämmen am Mekong ohne Rücksicht auf Menschen und Ökologie weiter aus.

Den Abend verbringe ich in einer Unterkunft mit weiteren allerdings motorisierten Zweiradfahrern. Ich fahre auf einer von Lonely Planet empfohlenen Route, die den Individualtouristen ihren Weg und sogar das Nachtlager vorschlägt.

Im Morgengrauen fahre ich hügelab und -auf durch eine gespenstische Landschaft von undurchdringlichem Urwald und abgestorbenen aus den Fluten ragenden Bäumen.
Die Sonne erreicht nur den Horizont. Ihr Spiegelbild bleibt etwas länger in den Fluten erhalten, am Himmel ist sie nicht mehr zu sehen. Ein fahles Licht taucht die Landschaft in eine bedrückende Stille. Kein Gezirpe von Grillen ist zu hören, sonst mein ständiger Begleiter. Kein Vogel zwitschert. Dämme und Brücken führen meinen Weg über die verzweigten Arme des riesigen Stausees mit seinen im Nebel verschwindenden Baumgerippen. Die Fluten versuchen das noch verbleibende Grün weiter aufsaugen. Dazwischen brennt das Land.

Träume ich oder durchfahre ich das Reich Modor. Ich weiß nicht wie lange ich unterwegs bin. Nach einer unbestimmbaren Zeit stoße ich endlich auf menschliche Ansiedlungen. Sie liegen am Rande des Nebelgebirges in einer fast undurchdringlichen Staub- und Nebelschicht.

Alte Gemäuer und viel Radelei.

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Apr 012015
 
DSC05990

Buddhastatue an der Straße.

691. Reisetag

21.601 km

 

Eine alte Tempelanlage der Khmer liegt 40 km südlich von Pakse im Dorf Champasak. Laut Reiseführer ein Muss. Ich radele entlang des Mekong dort hin und bleibe in einer Unterkunft mit Terrasse direkt zum Mekong. Angenehm, das Bett ist frisch bezogen und hat ein Bettlaken zum Zudecken. Das ist nicht selbstverständlich.
Den Nachmittag verbringe ich lesend auf der Terrasse, schaue oft auf die Weite des Flusses. Das wirkt beruhigend. Ich genieße die ländliche Ruhe. Dunkle Wolken ziehen auf. In der Ferne höre ich ein Donnergrollen. Ich rieche bereits den Regen, nur er kommt nicht. Schade.

Die Tempelanlage besuche ich am nächsten Morgen. Bin (noch) der einzige Besucher. Es ist ein schönes Gefühl alleine durch bis zu 1500 Jahre alte Gemäuer zu steigen. Erinnere mich an die menschenleeren Ruinenstätten im vorletzten Winter in der Türkei.
Die Anlage ist am Fuße eines Berges gelegen und geht in drei Ebenen in die Höhe. Ursprünglich war es ein Hindutempel, der ohne Zerstörungen Jahrhunderte später zum Buddhismus konvertierte. Das Heiligtum mit einer aus dem Felsen tropfenden (jetzt ist Trockenzeit) Quelle liegt auf der obersten Stufe. Skulpturen von Shiva, Vishnu und Brahma sind in den Felsen geschlagen, auf einem weiteren Block ein Elefant.

Es ist immer noch eine heilige Stätte. Einigen Statuen legte man ein typisch buddhistisches Mäntelchen um. Davor stehen aufgerollte mit Blumen bestückte Bananenblätter, viel golden- und silbrig-glänzender Schmuck sowie glimmenden Räucherstäbchen.

Etwas abseits in der Ebene ist von einer weiteren Tempelanlage nur ein Steinhaufen zu sehen. Dort wird ausgegraben. Mit einem Schäufelchen wird die harte Erde herausgeholt, Gesteinsbrocken aufgehoben und das Profil gezeichnet. Wie man mir sagt wird am Ende der Graben mit der herausgeholten Erde wieder aufgefüllt.

Im Ort meiner Übernachtung gibt es vier große Tempel (Wat) neueren Datums. Alle recht aufwändig gebaut. In der Mauer ums Tempelgelände sind bunte kleine und größere Pagoden integriert in der die Asche Verstorbener ruht. Etwas viel Wat für so einen Ort – denke ich. Der Wohlstand ist nicht besonders hoch im Umfeld.

In den nächsten vier Tagen fahre ich Richtung Norden, zunächst zurück für eine Nacht nach Pakse. Dann über Land mit monotonem Umfeld von Busch und abgeernteten Reisfeldern nach Thakek. Selten sehe ich das Grün von bewässerten Reisfeldern. Wie schön und erfrischend für meine Augen wäre die Fahrt in der Pflanzzeit und nicht schwitzend bei annähernd 40 Grad in der Mittagshitze.
In den Dörfern sammeln in der Frühe die Mönche Spenden ein. Kniend überreichen Frauen ihnen etwas zu essen. In den größeren Orten fahren lärmende mit Lautsprecher bestückte Autos mit Buddhafiguren oder auch mal einem Pappmaschee-Elefant darauf um weitere Spenden „einzutreiben“. An der Straße sehe ich wiederum sehr viele Wats und weitere sind im Bau.

Unterwegs ernähre ich mich von Bananen und Nudelsuppe. Bei letzterer passe ich während der Zubereitung auf, dass keine Fleischeinlage erfolgt. Manchmal hängt über der Küche ein merkwürdiger Geruch, der mir den Appetit verschlängt, dann fahre ich sofort weiter. Eine verbale Verständigung ist nicht möglich.

In Thakek angekommen lege ich einen Pausetag ein. Wie in vielen laotischen Städten prägen alte ein- bis zweistöckige Bauten aus französischer Kolonialzeit die Innenstadt. Es ist außer dem Mekong nichts besonderes zu sehen. Der Ort ist Durchgangsstation für landreisende Touristen und hat eine entsprechende Infrastruktur. In manchen Lokalen liegen englische Speisekarten aus. Das vereinfacht die Bestellung, Rückfragen können aber zu Irritationen führen. So bekomme ich zum Frühstück Toast mit Fritten und Marmelade. Dabei wollte ich das Ei von beiden Seiten gebraten haben.
Da ärgere ich mich über mich, dass mich das ärgert. Wo bleibt meine Gelassenheit.