563. Reisetag
17.041 km
Die letzten 60 Kilometer in Indien liegen vor mir. Der Wind weht mir heftiger als an den Vortagen entgegen. Das Radeln strengt an. Es ist Sonntag, der Verkehr auf dem Highway hält sich in Grenzen. Ich nähere mich der viertgrößten Stadt Indiens mit ca. 8 Mill. Einwohnern – Chennai. Der Verkehr nimmt deutlich zu. Die letzten 30 km durchfahre ich städtische Vororte.
Da die Stadt groß und unübersichtlich ist habe ich mir eine Unterkunft gebucht um einen Anfahrtspunkt zu haben. Ein eindeutiges Stadtzentrum habe ich nicht ausmachen können. Das Hotel befindet sich der Karte nach im inneren Bereich nahe der historischen Altstadt. Stelle bei meiner Ankunft aber fest, es liegt in einem mittelmäßigen Hotelviertel ohne besonderen Reiz. Die Unterkunft ist ok, nur es gibt viele Mücken in meinem Zimmer und nicht nur hier.
Hinter den Hotels ist ein Lederviertel. Berge von unbearbeitetem Leder liegen in kleinen und großen Läden. Sie werden abtransportiert und geliefert. Einige Geschäfte bieten die Produkte daraus an. Nie sehe ich Kunden darin.
Daneben einige enge vollgestellte Straßen mit kleinen Hütten in denen Menschen leben. Es wird auf der Straße gekocht, gewaschen, gesessen und wohl oft auch draußen geschlafen. Viele Kinder laufen herum. Müllhaufen liegen am Rande, aus denen noch die letzten Plastikreste herausgeklaubt werden um einige Rupien zu erhalten. Eine indische Großstadt beherbergt viel Armut.
Ich habe in den nächsten zwei Tagen einiges zu erledigen. Meine im Iran verlorengegangene Zahnfüllung lasse ich erneuern. In einer großen modern ausgestatteten Praxis arbeiten diverse Zahnärzte. Ohne lange Wartezeit werde ich behandelt. Mein Fahrrad mache ich flugtauglich, indem ich Pedale und Lenker verdrehe und einen aufgeschnittenen Karton über Sattel und Lenkstange binde. Im Flughafen lasse ich das gesamte Rad später mit Folie umwickeln. Hat bei den letzten Flügen gut funktioniert.
Mein Stadtbesichtigungsprogramm ist bescheiden. Ich lasse mich mit dem Tuk-Tuk in das Altstadtviertel fahren. Es gibt auch Fahrradrikschas. Ich bringe es aber nicht fertig mich von einem alten Mann mit schwerfälligem Rad transportieren zu lassen obwohl ich weiß, dass ist seine Arbeit.
Auch hier wird in den schmalen verwinkelten Straßen ausschließlich ein Handelsgut verkauft, wie in den alten Zeiten. Es gibt die Blumen-, Papierwaren-, Feuerwerksgasse usw. In manchen herrscht ein Gedränge von Menschen, dazwischen fahren die Mopeds und Rikschas versuchen sich hindurch zu schlängeln. Zusätzlich lungern Kühe herum. Beim Gehen mit Blick nach vorne trete ich in die Mitte eines frischen Kuhfladen.
Fotos gibt es nur wenige. Selten funktioniert die Kamera. Meist nicht wenn ich es möchte. Einen reproduzierbaren Fehler finde ich nicht. Nehme an, es ist die hohe Luftfeuchtigkeit. Verschleiß- und Ermüdungserscheinungen überall. Am Fahrrad rostet alles was nicht aus Edelstahl oder mit einer Farbschicht bedeckt ist: div. Schrauben, die Nieten am Sattel und manches Werkzeug. Die teure Frontlampe mit aufladbarem Akku spinnt. Mal kann ich sie nicht aus- und mal nicht einschalten. Ein Brillenbügel ist abgebrochen. Habe zum Glück eine zweite mit. Am Computer funktionierte das Mauspad für ein paar Tage sehr eingeschränkt, dann wieder normal. Das Garmin-gps zieht Feuchtigkeit und beschlägt manchmal. Mein Husten wird nicht besser.
Positiv ist, dass ich die zwei Monate in Indien ohne Durchfall überstanden habe. Trotz mancher Gerichte vom Straßenrand und Fruchtsäfte mit unklarer Wasserzugabe. Alleine war ich nur beim Radfahren. In den Unterkünften und bei Stadtgängen hatte ich Andrea’s Gesellschaft. Die gewählte Südindienroute entlang der Backwaters und der Besuch der vielen Tempel war interessant. Ich konnte oft auf Nebenstraßen fahren. Selbst der Verkehr auf den Hauptstraßen hielt sich in Grenzen. Der Monsun hat nicht allzu oft Wassermassen auf mich geschüttet. Und das Wichtigste, die Inder sind freundliche Menschen.
Am 20. November um 1.30 Uhr morgens verlasse ich Indien mit dem Flugzeug Richtung Vietnam.