16.016 km
Ich fahre ein letztes Mal weiter Richtung Süden. Sobald ich die Stadt verlassen habe, lichtet sich der Verkehr auf der Hauptstraße. Den bekannten Strand von Kovalam lasse ich links liegen, nur Strandurlaub ist nichts. Nach dem überqueren eines breiten Flusses biege ich auf eine kleine Uferstraße ein. Leider wird diese nach einigen Kilometern vom Meer verschlungen. Ein kleiner Schlenker über schmale Pfade hilft nicht weiter. Ich dringe tiefer ins bergige Binnenland ein, fahre auf Straßen, die weder meine digitale Karte noch die Druckausgabe anzeigen. Nach ca. 20 km finde ich einen Weg zurück an die Küste.
Der durchfahrene westliche Küstenstreifen ist von Kokospalmen gesäumt, selten von Bananenplantagen. Reis- oder andere Felder habe ich kaum gesehen. Ich höre das Rattern einer Kokosfaseraufbereitungmaschine. Die Hüllen der Kokosnüsse werden getrocknet angeliefert und in einer Maschine gebrochen. Am Ende kommen die sauberen Fasern und viel Abfall heraus. Auch dieser hat anscheinend eine Nutzung, da er per Minilaster abgefahren wird.
Am Nachmittag erreiche ich den südlichsten Punkt Indiens. Hier stoßen die drei Meere Indischer Ozean, Arabische See und Golf von Bengalen zusammen. Die Stadt Kanyakumari liegt am „Ende“ von Indien und zieht Scharen von Pilgern und (meist indischen) Touristen an. Es gibt einen besonderen Tempel, den auch Nicht-Hindus besuchen können. Der Legende nach besiegte hier die Göttin Devi die Dämonen und rettete die Freiheit der Welt. Ihr ist der Tempel gewidmet.
Die Männer müssen beim Betreten des Tempelinneren ihr Hemd ausziehen, Frauen ihre Schulter bedecken. Fotografieren ist generell in Tempeln verboten.
Es ist ein interessanter Gang durch die dunklen nur von Öllampen beleuchteten Tempelhallen. An den vielen Schreinen wird gebetet. Zur Pujazeit wird laut die Glocke geschlagen. Die Gläubigen halten ihre Hände über eine brennende Öllampe, die ein Priester vorbeiträgt. Jeder bekommt auf seine Hand ein Pulver, damit er sich einen Punkt/Strich auf die Stirne zeichnen kann. Gegen Bezahlung gibt es einen Extrasegen.
Pilgerreise und Vergnügen lassen sich gut verbinden. An unzähligen Ständen wird diverser Alltagskram, nützlich und unnötig, angeboten. Der Renner sind dem Angebot nach Muscheln und Schnecken.
Am Abend treffen sich die Besucher am Ufer um den Sonnenuntergang über dem westlichen Meer zu beobachten. Wir hatten Glück, kurze Zeit später geht auf der östlichen Seite der Vollmond auf.
Nahe vorgelagert liegen zwei Felseninseln, die mit Ausflugsbooten angefahren werden. Sicherheitshalber erhält jeder Passagier gleich beim Besteigen eine riesige Schwimmweste umgelegt.
Auf einer der Inseln hat der berühmte Hindu-Apostel Swami Vivekanda drei Tage im Jahre 1892 meditiert. Ihm ist ein mächtiges Denkmal gebaut worden. Auf der anderen steht ein Koloss, die riesige Statue des antiken tamilischen Dichters Thiruvalluvar. Durch meine Unaufmerksamkeit hängt am 8. Okt. unser „Familensegen“ schief. Andrea hat Geburtstag und ich bekomme es erst am Abend mit, obwohl sie es andeutungsweise erwähnt hat.
Mit einem befreundeten englischen Ehepaar, das wir bereits bei Amma getroffen hatten, machen wir an einem weiteren Tag einen Ausflug zu einem alten Holzpalast. Viel interessanter als die Besichtigung des Palastes ist der Besuch einer alten großen Tempelanlage in Nagercoil. Durch labyrinthartige dunkle Gänge und Säle erforschen wir das Innere. An hohlen Steinsäulen ertönen dunkle Klänge beim Anklopfen. Vor großen und kleinen Götterschreine brennen die Öllampen und Gläubige beten ihren Lieblingsgott an.
Es ist wohl Pujazeit. Glocken werden schrill geläutet. Ein riesiger Affengott wird mehrmals farbig eingepudert, danach mit einer ockerfarbigen Flüssigkeit überschüttet, die wiederum mit Wasser abgespült wird.