15.655 km
Beim Frühstücken stelle ich mir so manchmal die Frage: Was soll das, immer unterwegs sein. Ist die Vision, das Fernweh vor eineinhalb Jahren, noch immer das Wegweisende für mich?
Mittlerweile ist das Nomadenleben mein Alltag. Oft unterscheiden sich die Tage wenig. Ich setze mich morgens aufs Fahrrad. Es ist heiß. Die Landschaft kenne ich bereits. Sie ist nicht mehr so abwechslungsreich. Seltener werden die Strecken und Höhepunkte, die mich begeistern. Habe ich schon zu viel gesehen. Ist das alles Routine?
Ich bin alleine und kann mich nicht austauschen. Das immer gleiche oberflächliche Gerede unterwegs ist kein Ausgleich dafür.
Trotzdem möchte ich nicht aufhören. Fühle mich auf dem richtigen Weg. Und da ist etwas was ich nicht „fassen“ kann. Ist es der Wunsch ein Platz zu finden, an den ich gehöre? Kann sein, solche Orte sind rar und nur mit viel Glück anzutreffen. Ein klares Ziel meiner Reise gibt es nicht. Noch ist da ein Sog in das Unbekannte, die unbestimmte Ferne und eine Suche nach irgend etwas.
Das Frühstück ist beendet. Der heiße Kaffee verursacht bereits einen Schweißausbruch vergleichbar mit einer stundenlangen Fahrt durch die Sonne. Ich schwinge mich aufs Rad und fahre entlang der Küstenstraße Richtung Colombo. Wundere mich, dass viele Geschäfte geschlossen sind. Später erfahre ich, es ist der Vollmondtag, jedes Mal ein Feiertag im buddhistischen Sri Lanka. Behördlich wird zusätzlich an Wochenenden nicht gearbeitet. Damit haben sich die Christen – mit Ausnahme in den arabischen Staaten – weltweit durchgesetzt.
Der beständig wehende Südwest trifft mich jetzt von der Seite und verlangsamt die Fahrt kaum noch. Dunkle Wolken ziehen auf. Kurze Zeit später eimert es vom Himmel. Ich kann mich gerade noch in ein Lokal zurückziehen.
Im kleinen Ort Induruwa übernachte ich in einer Unterkunft, direkt mit Garten zum Strand. Diese gehört einem sri-lankanischem/deutschen Paar, das in Bonn gelebt hatte. Sie haben vor 35 Jahren den Aufbruch und Neustart gewagt. Ich bleibe eine weitere Nacht bevor ich nach Colombo aufbreche.
Der Verkehr nahe der Hauptstadt nimmt deutlich zu. In einem ungeordneten Gewirr von stinkenden Tuk-Tuks, Autos und Bussen bleibe auch ich nahe vom Zentrums im Stau stecken.
In Colombo sind Botschaftsgänge zu erledigen. Notwendig, aber jedes Mal auch beunruhigend, da ich nichts beeinflussen kann. In der vietnamesischen Botschaft läuft alles wie gewünscht. In fünf Arbeitstagen werde ich mein Visa abholen können. Die Chinesen hingegen machen Schwierigkeiten. Sie fordern neben einem Rückflugticket, eine durchgehende Hotelreservierung, einen beglaubigten Bankauszug usw. an. Das kann ich nicht liefern. Verlasse die Botschaft etwas ratlos. Individualreisende sind in China wohl nicht mehr erwünscht. Falls Marie in Deutschland auch keinen Erfolg mit einem Chinavisa haben sollte (ein Pass von mir liegt noch dort), werde ich von Indien nach Vietnam fliegen. Mit Marie ist eigentlich ein Treffen im November in China geplant, dass ist jetzt fraglich. Marie möchte mich demnächst einige Monate mit dem Fahrrad begleiten. Darauf freue ich mich.
Colombo ist für einen längeren Aufenthalt keine schöne Stadt – heiß, mit viel Verkehr und der erfrischende Küstenwind fehlt im Häusermeer. Ich fahre weiter nach dem Negombo, meinem Einstiegsort in Sri Lanka.