Dubai – eine Kunstwelt.

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Jun 282014
 
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Burj Khalifa

419. Reisetag

 

Eine Seefahrt ist nicht nur lustig. Ich könnte im klimatisierten Großraum auf einem Sessel die Nacht verbringen. Draußen auf dem offenen Deck ist es heiß, auch in der Nacht. Trotzdem lege ich mich dort auf eine Bank und schlafe mehr schlecht als recht. Der Morgen dämmert. Die Skyline von Dubai taucht auf. Nach dem Anlegen können die bereitstehende Busse erst eine Stunde später betreten werden, Frauen zuerst, dann die Männer. Alles geregelt durch unfreundliche Beamte. Ich fahre hinter einem Polizeiwagen durch das Hafengelände zum Immigration Office. Auch dort passiert lange nichts. Es scheint, so wenig wie die Iraner die Araber mögen so ist es auch umgekehrt und man zeigt es. Ich benötige kein Visa, erhalte einen Stempel und darf 30 Tage in den Arabischen Emiraten verweilen. Nach drei Stunden Abfertigung stehe ich in der Mittagshitze vor dem Hafengebäude und finde einen Weg, wie ich die Stadtautobahn meidend, zur 15 km entfernten Jugendherberge gelange. Der Verkehr ist trotzdem extrem, hinzu kommt, dass die Fahrer der überwiegend großen Autos Fahrräder auf der Straße nicht vermuten oder kennen. Gelange aber wohlbehalten ans Ziel.

In der Jugendherberge treffe ich weitere Reisende. Viele junge Jungs aus Deutschland legen in Dubai einen Stopp auf dem Weg in die Heimat ein. Australien haben sie mit dem Programm Work und Travel bereist.
Saleh ein deutscher Syrier arbeitet zur Zeit in Dubai. Er rekrutiert philippinische Krankenschwester für deutsche Krankenhäuser. Ein Paar aus der Schweiz ist mit dem Landrover unterwegs. Sie fliegen weiter nach Indien, das Auto wird verschifft.

Über Tag steigen die Temperaturen auf 45 Grad (im Schatten). Morgens fallen sie nicht unter 30 Grad. Sobald ich nach draußen komme schlägt mir die Hitzewelle entgegen, die Brille beschlägt. Vorher habe ich in den klimatisierten Räumen fast gefroren.
Ich habe einiges zu erledigen. Zunächst besorge ich mir ein Flugticket nach Sri Lanka. Per Post schicke ich den warmen Schlafsack, Stiefel und mein Kocher nebst Geschirr zurück nach Deutschland. Benötige sie in der nächsten Zeit nicht. Vom Zelt kann ich mich nicht trennen. Es ist meine Notunterkunft.
In einem riesigen Supermarkt kaufe ich frisches Obst, Wasser und Saft ein. So unter Menschen fällt mir auf, dass ich keine Eingeborenen in ihren weißen Umhängen nebst gebundenem Tuch über dem Kopf sehe. Alle Angestellten und Kunden sind importiert. Für etwa 80 Prozent der Menschen ist Dubai nicht die Heimat. Sie kommen vor allem aus Indien, Philippinen, Bangladesch, Pakistan usw. Das bekannte asiatische Lächeln ist aus den Gesichtern verschwunden.

Meine Ausflüge mache ich mit der Metro, eine Bahn auf Stelzen, von den Japanern gebaut. Die Züge fahren vollautomatisch ohne Fahrer.

Dubai ist eine Kunststadt. Alles ist Superlativ, alles muss größer, luxuriöser, moderner sein als auf dem Rest der Welt. Sie ist (unverständlicherweise) eine der am meisten besuchten Städte der Welt. Millionen Touristen kommen um die „neuen Weltwunder“ zu bestaunen, und vor allem, um zu Shoppen. Es gibt fast 100 Einkaufszentren, darunter mit der Dubai Mall das größte der Welt. In diesen Konsum-Kathedralen ist alles zu finden und noch mehr als man sich vorstellen kann. Eine Eislaufbahn, einen Wasserfall, ein Aquarium in dem man sich beim Tauchgang fotografieren lässt usw.
Neben dem Dubai-Mall steht der Burj Khalifa. Mit 828 m das höchste Gebäude der Welt.

Aufgeschütteten palmenförmigen Inseln ragen weit ins Meer hinaus. Anfangs mit großen Wohnblocks bebaut, dann folgen kleine, und weiter meerwärts Reihenhäuser in „my home is my castle“ Stil. Das riesige Hotel Atlantis bildet den Abschluss. Eigentlich alles nicht sehr einladend, nicht einmal zum Anschauen, geschweige denn zum Wohnen.
Dazwischen grüne täglich zu bewässernde Rasenflächen in Golfplatzqualität und nicht nur hier.
Selbst das Wasser in Dubai ist künstlich: es wird mit großem Energieaufwand in Entsalzungsanlagen aufbereitet.

Dubai passt nicht so richtig in meine Reise, es ist eine andere Welt. Ich fühle mich herausgerissen. Ohne Wehmut steige ich rechtzeitig vor dem beginnenden Ramadan abends in den Flieger nach Sri Lanka.

Wüste Landschaften und chodâ hâfez Iran.

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Jun 212014
 

DSC06779412. Reisetag

560 km Auto + Bus

 

Es geht schneller als gewollt. Am Tag nach dem letzten Hitzeerlebnis verlade ich das Rad auf ein Auto und fahre zur nächsten Stadt Lar. Im kühlen Hotelzimmer schaue ich dort die Karte und das Höhenprofil an. Ich werde es noch einmal versuchen eine Teilstrecke zu radeln. Etwas später gehe ich nach draußen. Eine Hitzewelle schlägt mir entgegen. Die Vorsätze sind dahin. Meine Radfahrt im Iran ist beendet. Etwas betrübt bestelle ich für den nächsten Morgen ein Auto zur 290 km entfernten Stadt Banda Lengeh am Persischen Golf.

Am Nachmittag dort angekommen, bin ich froh über diese Entscheidung. Viel gebirgige Wüstenlandschaft, trockene kahle Täler, selten Orte oder Oasen. Die Temperaturen sind im Küstenbereich noch höher, kaum Schattenplätze unterwegs. Hinzu kommt ein steifer südlicher Wind. Und wer stillt schon gerne seinen Durst mit Wasser, heiß wie in der Badewanne.

In Banda Lengeh versuche ich die Abfahrtszeiten der Fähre nach Dubai zu ermitteln. Gelingt mir nicht. Keiner spricht englisch, im Internet stehen nur alte Fahrpläne. Die Fährstation ist am Freitag (Feiertag) geschlossen. Am nächsten Morgen erfahre ich, dass die Schnellfähre für die nächste Woche bereits ausgebucht ist. Ich muss in die 175 km entfernte Stadt Banda Abbas fahren. Am Abend ist die Abfahrt. Hätte ich es gewusst wäre ich direkt dorthin gefahren. Beschwere mich nicht, bei wem auch. Bis auf die Schwierigkeiten bei der Verlängerung des Türkeiaufenthaltes ist es das einzige Missgeschick bisher und leicht lösbar.

Packe meine Sachen und zwänge mich und das Fahrrad in einen Minibus. Die Rückbank wird geräumt. Kostet natürlich pro Platz. Es geht entlang der felsigen trockenen Küste zum nächsten Fährhafen. Dort heißt es warten. Die angesagte Abfahrtszeit ist um 21 Uhr, die reale um 23 Uhr. Treffe einen deutschen Tramper, der ebenfalls nach Dubai reist. Im Fernsehen läuft das Spiel Iran gegen Argentinien. Die Männer schauen gebannt, Fußball ist Nationalsport.

Wehmütig blicke ich in die zunehmende Dunkelheit beim Verlassen des Hafens. Das „Willkommen in Iran“ werde ich vermissen. Die Iraner sind stolz auf ihr Land. Viele haben eine gute Bildung. Ich habe noch nie so viele freundliche und hilfsbereite Menschen getroffen. Bin noch nie so häufig eingeladen worden. Habe diese oft nicht angenommen, da ich nach der Fahrt müde war und meine Ruhe benötigte.
Manchmal war es ein wenig zu viel. Beim Radfahren hielten neben mir Autos und Motorräder. Sie blockierten mich fast. Nach Angabe von Herkunft und Namen fuhren sie meist weiter. Habe versucht immer freundlich zu bleiben. Bei anstrengenden Etappen oder wenn ich durch den starken Verkehr genervt bin ist das gar nicht so einfach.
Freiwillig keine Kinder zu haben ist für die Iraner unvorstellbar.
So freundlich wie die Iraner sind, wenn sie im Auto sitzen ändert sich etwas. Gebremst oder gehalten wird nur, wenn es nicht anders geht. Eine Straße kann ich nur überqueren mit Einberechnung des Bremsweges. Iran ist kein Radfahrerland, es gibt zu viele Autos und stinkende Lastwagen.
Vegetarier haben keine Chance. Kebab gibt es überall in den Restaurants, etwas anderes sehr selten, ohne Fleisch kein Gericht.
Deutschland ist ihr Traumland. Die drei wichtigsten Stichworte, die fast jeder kennt: Fußball, Mercedes und Hitler.

Der Islam scheint im Iran liberaler gehandhabt zu werden als in anderen muslemischen Ländern, trotz des Kopftuchzwangs.
Streng gläubige Frauen sind eingehüllt in ihren schwarzen Umhang. Sie binden das Kopftuch entsprechend. Andere tragen bunte Umhänge oder sind normal (nach meiner westlichen Vorstellung) gekleidet. Das farbige Kopftuch bedeckt nur unvollkommen die Haare.
Im Gegensatz zur Türkei wurde ich auch von Frauen oft angesprochen.
In der Öffentlichkeit treten Frauen-/Männergruppen getrennt auf. Auch bei Feierlichkeiten wird in getrennten Räumen gegessen und gesessen.

Gnadenlose Sonne.

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Jun 182014
 

DSC06710409. Reisetag

13.692 km

 

Um 5 Uhr morgens klingelt der Wecker. Noch ist es dunkel draußen. Es ist nicht meine Zeit, aber die Sonne lässt mir keine Wahl. Die Stadt schläft noch. Es ist kaum Verkehr auf den sonst vollen Straßen.

Bei morgendlichen angenehmen Bedingungen durchfahre ich in den ersten Stunden eine Ebene. Die Temperatur steigt und ich auch. Kratze ein letztes Mal im Iran an der 2000 m Höhenmarkte. Merke wie anstrengend das Bergfahren bei deutlich über 30 Grad wird.
Die Hitze macht mich schlapp. Ich entdecke neben der Straße eine offene Moschee und mache Pause. Ansonsten sind Schattenplätze rar in der baumlosen Landschaft.

Ich lege mich auf den Teppich und halte ein Schläfchen. Zwischendurch wird gebetet, Jugendliche spielen mit ihren Handys, Mitschläfer schnarchen. Am Ende bin ich wieder alleine. Wo eine Moschee ist, da gibt es einen Wasseranschluss. Der Kaltwasserhahn liefert leider nur warmes Wasser. Fülle trotzdem meine Flaschen auf.

Wundere mich immer, wie viele Gläubige, auch junge Männer, andachtsvoll ihre Gebete verrichten. Denke dabei an die leeren Kirchen in Europa. Was machen die Moslems anders?

Breche am späten Nachmittag auf und es ist heiß. Darf in Zukunft nur kurze Pausen machen. Nachmittags ist es für die Weiterfahrt zu warm. Vor mir liegen aber noch 20 km.
Es bleibt hügelig. Oben auf einem Bergkamm steht eine Burgruine. Etwas später sehe ich von der Straße aus den klotzigen Bau eines Tempels. Der Perserkönig Ardeshir (224–241) hat diesen nach dem Sieg über die Parther bauen lassen. Das Besondere daran: der Prototyp der persischen Kuppelbauten wurde hier erstmals umgesetzt. Ich mache einen Abstecher dorthin.
Bin froh nach 115 km mein Zielort Firuzabad zu erreichen. Die Dusche und ein klimatisierter Raum muntern mich auf.

Am nächsten Morgen lege ich wiederum einen Frühstart hin. Die Temperaturen sind mit 20 Grad um 6 Uhr erträglich. Fahre lange im Schatten der Berge, aber auch der verschwindet langsam. Bereits um 10 Uhr klettert das Thermometer auf meinem Tacho (in der Sonne) auf über 40 Grad. Warum fahre ich weiter und halte nicht ein Auto an. Falscher Ehrgeiz? Diesen Tag möchte ich noch durchhalten!

Eine Biene fliegt mir in den Mund. Spüre einen stechenden Schmerz in der Zunge. Glück gehabt mit der Zungenbarriere. Mit Wasser kühle ich den Mund.

Trockenes Land und abgeerntete Weizenfelder in den Tälern wechseln sich ab. Nur einmal ein sattes Grün, Reisfelder. Die kahle Bergwelt dominiert. Gegen Mittag verlasse ich die bergige Hochebene. Ich erreiche das Land der Dattelplantagen ­- sofern Wasser vorhanden ist.

Im Ort Qir mache ich zur Mittagszeit Rast in einem kleinen Park auf einer Wiese unter Bäumen. Hier könnte ich zur Not am Abend mein Zelt aufschlagen. Döse lange im Schatten. Es wird heiß und heißer. Das Thermometer zeigt 42 Grad (im Schatten). Alles wird heiß, nicht nur das Wasser, die Bananen in meiner Tasche, auch ich. Muss ab und zu eine Handvoll von dem heißen Wasser auf mein Gesicht schütten. Oh Wunder der Physik, wie schön das erfrischt – für kurze Zeit.
Am späten Nachmittag gesellen sich zwei Kinder zu mir. Der eine bietet im gebrochenen Englisch an, mir kaltes Wasser zu besorgen. Ich freue mich darüber und erhalte eine Flasche gefrorenes Wasser. Er lädt mich zu sich nach Hause ein, sie haben kühle Räume. Er ist ein Kind, kann er mich so einfach einladen? Ich komme trotzdem mit, denn draußen ist es kaum auszuhalten.

Freudig überrascht bin ich über den herzlichen Empfang in der Familie, als wäre ich erwartet worden. Zwei ältere Brüder begrüßen mich. Die Mutter, farbenfroh gekleidet, und Tochter geben mir die Hand – allgemein ist das nicht üblich ist. Der Raum wird von einer Klimaanlage gekühlt. Fühle mich wohl und willkommen. Mit einem der Brüder unterhalte ich mich im gebrochenen Englisch. Er und seine Schwester (sind wohl so zwischen 20 bis 24 Jahre) sind bereits verheiratet. Alle wohnen aber noch jeweils bei den Eltern. Erfahre jetzt auch, dass der andere Bruder mich vorher auf der Wiese bereits eingeladen hatte und ich nicht darauf eingegangen war. Kann mich nicht einmal daran erinnern, trübt die Hitze den Geist. Werde aber auch sehr häufig angesprochen.
Beim Abschließen des Fahrrads stelle ich fest, dass es um 20 Uhr noch 37 Grad hat.
Der Vater kommt spät von der Arbeit. Er ist Lehrer und Teppichhändler.
Ich esse zusammen mit der Familie zu Abend, dabei wird Fußball (Belgien-Algerien) geschaut. Zum Schlafen bekomme ich einen extra Raum angeboten. Die anderen rücken dafür vermutlich zusammen. Ist mir unangenehm, kann es aber nicht ändern.

Ich erkläre, dass ich am nächsten Morgen um 5 Uhr aufstehen möchte, damit ich zur Mittagszeit mein Ziel erreichen kann. Wasser und Frühstück wird für mich in den Kühlschrank gestellt. Vater und Mutter sind trotz der frühen Stunde bereits auf und bieten mir noch einen Tee an.

Die ersten zwei Stunden der Weiterfahrt sind angenehm, danach schlägt die Hitze zu. Der Entschluss steht fest, ab nächsten Tag nehme ich ein Auto oder Bus. Schlappe richtig ab. Das Thermometer steigt auf über 50 Grad – in der Sonne. Da es keinen Schatten gibt, muss ich es auch aushalten. Ich bin kein Cola-Trinker. Bringe mich aber damit bei meiner Ankunft zur Mittagszeit etwas zu Kräften. Verspürte eine Lust danach.
Im Ort Konj gibt es glücklicherweise ein Hotel. International steht groß über dem Eingang und viele Flaggen stehen im Foyer. Englisch wird nicht verstanden.
Den Nachmittag verbringe ich schlafend und blogschreibend im gekühlten Zimmer. Einen Internetanschluss gibt es nicht.

Nomadenleben.

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Jun 152014
 

DSC06494406. Reisetag

 

Mit gemischten Gefühlen starte ich eine organisierte Tour zu den Nomaden. Was erwarte ich: Ich möchte einen Einblick in ihre Lebensumstände bekommen. Unangenehm wird sein, dort als Fremder zuzuschauen wie sie leben.

Auf der Fahrt zu den Nomaden besuchen der Fahrer und ich zunächst das alte Dorf Ghalat. Es ist merkwürdig, das Morbide und Alte wird oft zur Sehenswürdigkeit. So wie ich sind am Freitag viele Iraner unterwegs, laufen durch die alten Lehmhausgassen um anschließend ihr geliebtes Picknick zu machen.

Bei der Weiterfahrt erfahre ich, dass die Frau des Fahrers aus einer kinderreichen Nomadenfamilie (4 Töchter, 5 Söhne) stammt und ich die nächste Nacht bei einigen ihrer Geschwistern verbringen werde. Ihre Zelte liegen abseits von der Hauptstraße in einem trockenen kargen Tal. Die Ziegen, die einzige Erwerbsquelle, sind zur Mittagspause in eine Einzäunung getrieben. Mehrere Männer sitzen im Zelt auf den Teppichen und warten auf das Essen. Etwas abseits mauern sie ein Winterquartier für die Ziegen.
Das Essen ist zum Glück nicht zu fleischlastig. Reis mit einer Soße aus Kartoffeln, Tomaten und Ziegenstückchen. Die Frauen essen nicht mit. Nach einer Siesta begeben sie sich wieder an die Arbeit. Die Ziegen werden hinausgetrieben. Nur die vielen jungen Zieglein bleiben auf dem Gelände. Sie erhalten dort ihr getrocknetes Kleefutter, ansonsten tollen sie frei herum. Kein schlechtes Ziegenleben. Mein Fahrer fährt zurück in die Stadt und wird mich am nächsten Morgen abholen.

Auf dem Gelände stehen drei Zelte. Das Aufenthalts-/Schlafzelt sowie ein kleineres Koch-/Schafzelt. Eine ältere Frau und Mann wohnen in einem eigenen Zelt. Es gibt zwei Paare mit einem Baby, das gerade so laufen kann und ein Junge und Mädchen so zwischen acht und zehn Jahren (?). Des weiteren die jungen Männer, die beim Mauern helfen. Weiß nicht, ob sie auch sonst dazu gehören. Ein junger Mann aus Afghanistan ist für den Ziegentrieb verantwortlich.

Ich sitze nach dem Essen alleine im offenen Zelt, ab und zu kommen die Kinder vorbei. Gehe ein wenig herum und schaue den Zieglein und Hühnern zu. Das staubige und trockene Umfeld ermuntert mich nicht zu einem längeren Spaziergang.

Die zwei Frauen schälen im offenen Zelt Auberginen für das Abendgericht. Diese sind das Standardgemüse im Iran. Sie trinken Tee, zerteilen eine Wassermelone (bekomme davon natürlich etwas angeboten) und halten ein Schläfchen.
Komme mir ein wenig verloren vor. Damit habe ich aber gerechnet. So vergeht der Nachmittag.

Am Abend kommen die Ziegen in einer Staubwolke den Hügel hinuntergerannt. Die Zieglein warten bereits, um von der Mutter ein wenig Milch zu ergattern. Diese scheint davon nicht begeistert zu sein und bleibt nicht stehen.

Die Arbeit auf dem Bau ist abgeschlossen. Die Männer waschen sich an der einzigen Wasserstelle, einem Schlauch aus dem zum Trinken zu salzhaltiges Wasser kommt. Trinkwasser wird mit dem Auto in Kanistern gebracht, so von meinem Fahrer. Der sichtbare Fuhrpark besteht nur aus einem Moped.

Anschließend wird im Aufenthaltszelt von einigen Karten gespielt, andere unterhalten sich. Das Handy ist immer im Griff und darauf wird rumgedaddelt. Ich sitze stumm dabei, da keiner Englisch spricht. Einer der jungen Männer zeigt mir auf seinem Handy einen Film mit deutschen Rennwagen. Eine Gaslaterne in der Mitte sorgt für Licht.

Zum Abendessen wird eine Plane auf den Teppichen ausgebreitet. Es gibt ein fleischloses Aubergine-Tomaten-Gericht, dazu jede Menge vom dünnen Fladenbrot. Nach dem Essen geht die Unterhaltung weiter. Mittlerweile ist es kalt geworden. Das Lager liegt auf 2000 m Höhe.

Zum Schlafen werden Matten auf dem Boden ausgebreitet. Die zwei Familien mit Kindern, ein junger Mann und ich schlafen hier. Geschlafen wird in den Abendklamotten. Schlafanzug oder Zähneputzen habe ich nicht wahrgenommen.

Nach einer gut durchschlafenen Nacht stehe ich fast als erster auf. Es ist 6.30 Uhr. Der runde eingezäunte Ziegenplatz ist bereits leer. Die ältere Frau im Nachbarzelt backt über einem Holzfeuer das dünne Fladenbrot. Ich setzte mich auf einen Stein und lasse den Morgen auf mich wirken.

So nach und nach stehen alle auf. Die Männer gehen auf den Bau, ihnen wird später das Frühstück gebracht. Ich erhalte es am Vormittag zusammen mit dem wieder angekommenen Fahrer – Fladenbrot, Gurke, Tomaten und den typischen weißen Streichkäse, dazu Tee.

Das Individuelle wird der Gemeinschaft untergeordnet. Notgedrungen, weil es nur zwei Zelte gibt? Arm sind die Nomaden nicht, sie führen aber ein einfaches Leben. Sie haben ihr Auskommen.
Eine Anhäufung von privaten Gütern habe ich nicht wahrgenommen. Jeder hat seine notwendigen Utensilien in einer Reisetasche. Keiner wirkt unglücklich.
Ich weiß es nicht, denke aber, dass die Familien im Winter bei Frost und Schnee in einem festen Haus im Ort/Stadt wohnen werden.
Auch wenn ich eine Art Radnomade geworden bin und nur aus der Reisetasche lebe, so ist meine individuelle Tour etwas frei gewähltes und nicht vergleichbar mit dem Erlebten.
Mein zeitweiliges Unwohlsein ist es wert gewesen diese andere Form des Zusammen-Lebens und -Arbeiten kennenzulernen.