11.749 km
Ich habe schlecht geschlafen. Der Hustenreiz setzt bei mir meist nachts ein und weckt mich. Trotzdem bin ich bereits um 8 Uhr auf der Straße. Es geht an diesem Tag in die Berge. Die Hügellandschaft um mich herum ist anfangs noch grün. Beim Blick nach vorne stellt sich mir die Frage, wo die Straße wohl weiterverlaufen wird, denn sie verschwindet einfach.
Ich fahre auf einer wichtigen Verbindungsstraße Richtung Osten. Viele Lastwagen sind unterwegs. Die Straße ist schmal und zweispurig, oft ohne Seitenstreifen. Bauarbeiten für die Erweiterung gibt es bereits und einige Teilstücke sind fertiggestellt.
Ich passiere viele Militärposten. Beobachtungstürme sind mit Sandsäcken gesichert zwischen denen ich die Gesichter der Polizei/Soldaten sehen kann. Sie winken mir oft zu. So eine Wache muss langweilig sein.
Am Straßenrand wird ein mir unbekanntes Grünzeug verkauft. Es schmeckt leicht säuerlich wie Rhabarber. Ist es aber nicht, denn es ist der Blüten-/Fruchtschoss.
An diesem Tag ist es heiß, trinke Unmengen an Wasser, fülle meine Flaschen an Brunnen am Wegesrand auf. Ungefähr alle 20 km, das bedeutet alle zwei Stunden, esse ich eine Apfelsine und Banane. Benötige vor allem etwas Erfrischendes, Hunger verspüre ich nicht. Leider ist die Pampelmusenzeit vorbei. Diese zu essen bedeutete für mich jedes Mal ein Hochgenuss. Schattenplätze für meine Pausen finde ich leider keine.
An einer Stelle durchbricht die Straße eine Steinwand. Auf der Hangseite läuft Wasser herunter und bildet breite Kalkfächer, fein mit einer dünnen Wasserschicht überzogen.
Der anfängliche Gegenwind am Morgen hat sich nach einer Pause der Windstille in einen Rückenwind verwandelt. Es gibt also doch eine Windgerechtigkeit. Zweifelte bereits daran.
Die Landschaft wird zusehends karger, Schneekuppen sind wieder zu sehen. Mein nächster Übernachtungsort Tatvan liegt auf 1700 m Höhe. Gefrühstückt hatte ich in Ziyaret auf 600 m Höhe.
Ungefähr 25 km vor dem Ende meiner Tagesstrecke ist die neue Straße fertig und ich fahre auf einer Autobahn. Glatter Asphalt, breiter Seitenstreifen und nur noch Verkehr von hinten.
Und alles ist so übertrieben perfekt, dass sogar auf beiden Seiten alle 25 m Straßenlampen stehen. Diese werden wohl nachts eine fast verkehrsfreie Straße beleuchten.
Sogar ein zwei Kilometer langer Straßentunnel, zunächst noch einspurig befahrbar, ist fertig. Die Tunnelfahrten mit dem Fahrrad sind sehr anstrengend. Jedes Fahrzeug macht einen extremen Lärm darin. Ich weiß nicht kommt nur eins oder mehrerer. Eng ist es wegen fehlendem Seitenstreifen auch.
Die letzten zehn Kilometer durchfahre ich ein breites fruchtbares Hochtal. Danach kann ich mich nach Tatvan am Vansee hinunterrollen lassen. Ein Hotel ist schnell gefunden.
Den nächsten Tag werde ich hier verbringen. Huste in der Nacht, schlafe aus und bleibe am Frühstückstisch lange sitzen.
Mir ist aufgefallen, dass die Kurden viel schneller sprechen als die Türken. Sie besprechen mich auch deutlich mehr, obwohl sie eigentlich wissen, dass ich nichts verstehe. Die Gebärden beim Sprechen sind auch andere. Ich weiß nicht die Handzeichen zu deuten, denn mit den Händen wird viel erklärt.
Am Nachmittag fahre ich mit einem Taxi hinauf zum Vulkan Nemrut. Taxifahren ist nicht schön. Der Fahrer telefoniert mit der einen Hand, gestikuliert mit der andern bei hoher Geschwindigkeit. Bin froh als die Straße schlecht wird und er an sein Auto denken muss.
Zur Skisaison im Winter ist sogar ein Lift in Betrieb.
Der Gipfel des Nemrut wurde bei der Explosion weggeschleudert. Es entstand ein riesiger Kraterkessel mit einem Durchmesser von etwa 7 km. Unten gibt es einen großen Kratersee zu dem das Taxi fahren kann – auf schlechter Straße. Am See auf gut 2000 m Höhe tummeln sich direkt am Ufer Heerscharen von Marienkäfer. Weshalb haben sie sich wohl diesen Platz ausgesucht?
Bei der Rückfahrt habe ich eine weite Sicht über den Vansee. Sehe die Schneeberge auf der anderen Seite, die ich am nächsten Tag durchfahren oder nahe daran vorbeifahren werde.