9353 km
Bin ein Schönwetterradler geworden. Der Himmel ist am Morgen grau, es regnet und sieht nicht nach aufhören aus. Bleibe einen Tag länger. Habe viel Zeit an der Küste. Bis nach Mersin, dem Einstiegsort ins Binnenland, sind es noch 850 km, möchte aber erst gegen Ende März dort eintreffen.
Das Warten hat sich gelohnt. Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Das Fahren wird zum Vergnügen. Ein kurzes Stück Hauptstraße, dann zweigt meine Nebenroute ab, entlang dem Fuße einer Bergkette.
Es gibt zwei Landschaftsformationen. Die flache und fruchtbare Ebene, meist mit Orangenbäumen bewachsen, aber auch oft sumpfig. Ein Fluss schlängelt sich hindurch. Umrandet ist die Ebene von steilen, oft felsigen Bergen mit Kiefernbewuchs und Olivenbäume.
Ich fahre auf ebener Straße. Halte für einen Tee, sehe einem Imker zu wie er den Bienen Dampf macht. Auf die Ladefläche einen Lastwagen werden wieder kistenweise Orangen für die Fanta-Produktion gekippt. Der Saft der Orangenmatsche rinnt bereits durch die Ladefläche auf die Straße. Einer der Arbeiter spricht sehr gut deutsch. Im Winter hat er keine Arbeit in Deutschland, erst im Frühjahr wieder. So hilft er hier bei der Ernte.
Ich bekomme einen Tee angeboten und jede Menge Orangen geschenkt.
Vor einer kleinen Ortschaft kommt mir eine muntere Frauengruppe entgegen. Sie verteilen Werbematerial für die AKP in den Dörfern. Ende März sind Kommunalwahlen in der Türkei.
Ein Foto mit mir, der Gruppe und einem großen Kalender mit Erdogan drauf ist bereits im PC-Papierkorb abgelegt.
Die Ortschaft Dalyan liegt an einem Fluss. Vom Ufer des Flusses aus sehe ich auf der anderen Seite in den Fels geschlagene alte Königsgräber. Viele Boote liegen an der Promenade. In der Saison werden jede Menge Touristen zu den Ruinen der alten Stadt Kaunos, zum Strand, zu den heißen Thermalquellen und Köycegiz-See, den ich am Morgen verlassen habe, gefahren. Zur Zeit ist der Ort etwas ausgestorben, finde aber ein geöffnetes Hotel. Es ist kein großer Ort, er hat aber ein gewissen Flair. Von hier aus kann ich einige kleinere Fahrradtouren machen. Werde ein paar Tage bleiben.
Ein Ruderboot bringt mich am folgenden Morgen über den Fluss. Ich besuche die Ruinen der im 9. Jh.v.Chr gegründeten Stadt Kaunos. Die Bienen summen, es ist frühlingshaft und einfach schön. Setzte mich lange auf einen Säulenstummel und schaue hinunter auf ein verschilftes Flussdelta, das in der Ferne ins Mittelmeer mündet. Rundherum die hohen Berge.
Es gibt wieder das großes Theater, die Ruinen des Badehauses, die Säulenreste eine Tempelanlage und die Agora. In jüngerer Zeit gesellt sich dann eine christliche Kirche dazu. Alles wie bereits oft gesehen.
Oben auf dem steilen Berg ist die Akropolis, die alten Mauern sind noch erhalten. Mein Versuch dorthin zu gelangen scheitert. Ich finde keinen vernünftigen Weg nach oben, nur irgendwelche immer wieder verzweigenden Ziegenpfade, die immer steiler werden. Fast wäre ich auf ein frischgeborenes Zieglein getreten, es lag direkt auf dem Pfad. Zum Glück meckerte es. Ist wohl ein Ruf nach der Mutter gewesen, die vor mir reißaus genommen hatte.
Das Ruinengelände zieht sich bis hinunter an den Fluss und einem kleinen See. Einiges steht unter Wasser. Kleine Schildkröten schwimmen darin herum. Frösche quaken. Eine Schafsherde hält das Gras kurz.
Am Fluss sind mit Gitter Becken für die Forellenfischzucht abgegrenzt.